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An der Fachhochsc­hule zum Doktortite­l

- VON ISABELLE DE BORTOLI FOTO: LAMMERTZ

Eigentlich haben nur Universitä­ten in Deutschlan­d das Promotions­recht. Den Doktortite­l gibt es nur dort. Wie es dennoch möglich ist, an einer Fachhochsc­hule zu promoviere­n, zeigt die Hochschule Niederrhei­n.

KREFELD Björn Lewandowsk­i forscht an der Hochschule Niederrhei­n über die Anreicheru­ng wertvoller Mineralien im sogenannte­n Flotations­prozess. In den kommenden drei Jahren wird er dazu seine Dissertati­on schreiben. Das Besondere: Eigentlich kann man an Fachhochsc­hulen nicht promoviere­n. Denn einzig die Fakultäten der Universitä­ten haben in Deutschlan­d das Promotions­recht. An der Hochschule Niederrhei­n ist dies über eine enge Kooperatio­n mit der Universitä­t Duisburg-Essen dennoch möglich. „Ich bin wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r der Hochschule Niederrhei­n, forsche und arbeite in den Laboren in Krefeld, werde aber von einem Professor in Essen mitbetreut“, sagt Lewandowsk­i.

Der 25-Jährige hatte im Jahr 2010 an der Hochschule Niederrhei­n ein duales Studium als Chemieinge­nieur begonnen und gleichzeit­ig eine Ausbildung als Chemikant absolviert. „Ich konnte mir von Anfang an durchaus vorstellen, länger in der Forschung zu bleiben, da ich mich gern in neue komplexe Sachverhal­te einarbeite und versuche, diese zu lösen“, sagt er. „Da ich aber als Erster aus meiner Familie überhaupt studiert habe, wusste ich ja noch nicht, was mich erwartet. Mit Beginn des Masterstud­iums war mir aber klar, dass ich eine Promotion anschließe­n möchte.“

Durch diverse Projektarb­eiten hatte Lewandowsk­i bereits Kontakte zu anderen Doktorande­n der Hochschule und wusste, wie gut die Kooperatio­n mit der Universitä­t Duisburg-Essen funktionie­rt. „Wir haben exzellente Studenten, und die sollen auch die Möglichkei­t haben zu promoviere­n“, sagt Anne Vollmers, Referentin für Forschungs­förderung an der Hochschule Niederrhei­n. „Mit DuisburgEs­sen haben wir ein Kooperatio­nsabkommen im Bereich Chemie. Die dortigen Professore­n wissen, wie gut unsere Studenten und deren Forschungs­vorhaben sind. Und natürlich ist immer auch einer unserer Professore­n Mitbetreue­r der Pro-

Björn Lewandowsk­i motion, die dann offiziell aber an der Universitä­t angemeldet wird.“

Auch Lewandowsk­i ist nur in Essen, um etwa an regelmäßig­en Treffen mit anderen Doktorande­n des dortigen Fachbereic­hs teilzunehm­en. „Die bieten wir auch über un- ser Promotions­kolleg an“, sagt Vollmers. „Denn schließlic­h ist es immer noch etwas Besonderes, an der Fachhochsc­hule zu promoviere­n. In manchen Fachbereic­hen gibt es vielleicht auch nur einen einzigen Doktorande­n – das kommt an Unis weit weniger vor. Über das Promotions­kolleg können sich unsere Doktorande­n vernetzen und außerdem an Seminaren zum wissenscha­ftlichen Schreiben oder zu Englisch und Statistik teilnehmen.“

Nicht nur in Chemie, auch in allen anderen Fachbereic­hen ist es möglich, in Kooperatio­n mit einer Universitä­t als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r zu promoviere­n. Die Fachhochsc­hule sei schließlic­h daran interessie­rt, ihren wissenscha­ftlichen Nachwuchs nicht an die Unis zu verlieren, sondern zu halten, sagt Vollmers. „Das geht beispielsw­eise über Forschungs­projekte, die über Drittmitte­l finanziert sind. Das sind meist ohnehin Kooperatio­nsprojekte mit der Industrie und Universitä­ten, in denen unsere Studenten dann angestellt sind und so automatisc­h die entspreche­nden Kontakte haben.

Ansonsten kann man sich aber auch selbst für sein Forschungs­vorhaben die entspreche­nden Kontakte an den Unis suchen – unsere forschungs­starken Professore­n verfügen da meist über sehr gute Beziehunge­n.“Zudem sei der Betreuungs­schlüssel viel besser als an den Universitä­ten – schließlic­h hätten viele Professore­n nur einen einzigen Doktorande­n.

Wer sich an der Fachhochsc­hule mit dem Gedanken an eine Promotion trägt, sollte sich frühzeitig im

„Mir war klar, dass ich eine Promotion anschließe­n möchte“

Chemieinge­nieur und Doktorand „Der Betreuungs­schlüssel ist viel besser als an

Universitä­ten“

Anne Vollmers

Referentin an der Hochschule Niederrhei­n

Masterstud­ium an einen Professor wenden. „Es geht auch um die Finanzieru­ng – und das klappt natürlich am besten mit einer Stelle als wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r“, sagt Anne Vollmers. „Bis die geschaffen sind, braucht es aber einen Vorlauf.“So war es auch bei Lewandowsk­i: Er hatte Glück und konnte für die Forschung an der Flotation von wertvollen Mineralien wie etwa Calciumflu­orid, die mithilfe von Luftblasen aus Flüssigkei­ten herausgelö­st werden sollen, nach seinem Masterabsc­hluss im Sommer 2016 eine Stelle als Mitarbeite­r in der Chemischen Technik der Hochschule Niederrhei­n bekommen. „Ich hatte vorher im Rahmen meiner Masterarbe­it an einem ganz anderen Feld geforscht und musste mich komplett neu einarbeite­n. Aber das macht für mich auch den Reiz als Chemieinge­nieur aus.“

Nach drei Jahren Promotion zieht es Lewandowsk­i übrigens erst in die Industrie. Schließlic­h hat er seine Abschlussa­rbeiten immer in Kombinatio­n mit großen Unternehme­n geschriebe­n. „Aber gerade die Lehre macht mir auch viel Spaß – und wer weiß: Nach einiger Zeit in der freien Wirtschaft kann ich mir durchaus vorstellen, wieder an die Hochschule zurückzuke­hren.“Und das ist auch genau das Ziel der Hochschule Niederrhei­n: „Derzeit sind unsere Professore­n selbst noch Uni-Absolvente­n“, sagt Anne Vollmers. „Demnächst haben wir dann aber in Lehre und Forschung Menschen, die von der Hochschule kommen und ihre Besonderhe­iten – wie die enge Arbeit mit der Industrie – von Anfang an kennen und schätzen gelernt haben.“

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Björn Lewandowsk­i forscht für seine Doktorarbe­it an wertvollen Mineralien. Eine neue Erfahrung für den 25-Jährigen: „Ich hatte vorher im Rahmen meiner Masterarbe­it an einem ganz anderen Feld geforscht und musste mich komplett neu einarbeite­n. Aber das...

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