Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Kunst der Verführung
Die Ludwiggalerie Oberhausen bietet eine Materialschlacht zum Thema „Kunst und Einkauf “von Dürer bis Richter.
OBERHAUSEN Die Kunst des Verkaufens ist eine Kunst der Verführung. Das sollte auch für eine Ausstellung gelten, die sich kritisch mit dem Kunstmarkt befasst. Doch die Schau „Let’s buy it! Kunst und Einkauf“mit Werken von Dürer über Warhol bis Gerhard Richter gibt sich keinerlei Mühe, ihre Stücke zu drapieren. Die Bilder hängen dicht neben- und übereinander, kein Quadratmeter wird verschenkt – ein Gemischtwarenladen, der eine Fülle von Themen anbietet, ohne dass man davon satt wird.
Ob „Kunst und Geld“, „Original, Kopie, Reproduktion, Fälschung“, „Kunst und Auftrag“oder „Der Künstler als Marke“– alles wird angetippt, mal mit Kunst von Rang, mal mit Objekten, von denen man nicht unbedingt sagen würde: „Let’s buy it!“Und nicht immer geht es um den Kunstmarkt, sondern oft auch um den Konsum allgemein. Holzstiche von Dürer finden sich zwischen Gemälden der Gegenwart, und bald ist dem Betrachter so schwindlig, als umstrahlte ihn grell blinkende Neonreklame.
Dürer war mit seinen Holzschnitten ein Meister der Vervielfältigung seiner Kunst. Doch was hat das damit zu tun, dass in seiner „Anbetung der Könige“das Jesuskind zielgenau in einen Kasten mit Münzen greift, den die Weisen aus dem Morgenland mitgebracht haben, noch dazu in der Abteilung „Kunst und Einkauf“? Vielleicht sollte man sich in dieser Ausstellung nicht zu sehr von den Etiketten beirren lassen, sondern die einzelnen Objekte ohne Theorie genießen; zum Beispiel Rudolf Holtappels wunderbare schwarz-weiße Fotografie einer drallen Dame, die an einem Wühltisch bei Karstadt in Köln 1964 einen Hut auswählt – vom Ehemann im Hintergrund kritisch beäugt.
In Weichzeichner-Technik hat Gunhild Söhn in einem zweiteiligen Gemälde den Shop des Essener Museums Folkwang dokumentiert. Und Raubdrucke von Andy Warhols „Marilyn“erinnern daran, wie großzügig der Pop-Künstler über die Unterscheidung zwischen Original und Kopie hinwegsah.
Über den Kunstmarkt wird üblicherweise geschimpft: Wie kann ein einziges Gemälde Millionen Euro wert sein? Ein Bild der Ausstellung zeigt, dass auch kunstmarktkritische Museumsdirektoren Nutznießer des kaum berechenbaren Marktes sein können. Gerhard Richters „verwackeltes“schwarz-weißes Gemälde „Mutter und Tochter“von 1965, von der Stadt Oberhausen und vom Land NRW 1974 für 28.000 DMark für die Revierstadt erworben, würde heute in einer Auktion sicher einen Erlös von Millionen Euro erzielen.
Witzig sind Laas Abendroths drei schwarze Bilder, die jeweils in der linken oberen Ecke mit einem Schriftzug versehen sind: „Das lasse ich mir von einem Museum nicht aufwerten“, „Das lasse ich mir von einem Kurator nicht denken“und „Das lasse ich mir von einem Sammler nicht endlagern“. Im Kapitel „Der Künstler als Marke“schließlich illustriert ein Prägedruck von Günther Uecker, „Hillary, 2014“, die zielsichere Vermarktung eines Markenzeichens. Die Prägestruktur ist deutlich als Abdruck rhythmisch geordneter Nägel zu erkennen.
Nicht nur ist der Künstler vielfach eine Marke geworden; Marken haben ihrerseits auch Einzug in die Kunst gehalten. Vor allem Coca Cola hat sich einen Platz in der Kunst des 20. und des 21. Jahrhunderts erobert. Mel Ramos lässt eine nackte „Lola Cola“vor dem SchreibschriftLogo der Weltmarke posieren, und Klaus Staeck hat Manets „Frühstück im Grünen“konsumkritisch mit Müll aus Cola-Dosen garniert.
Am Ende hat man viel gesehen, aber doch nur einer Materialschlacht beigewohnt. Hübsch: Museumsdirektorin Christine Vogt, zugleich Kuratorin, hat bei Ebay für ihre Ausstellung einen Druck von Documenta-Teilnehmer Felix Droese erworben, den Aldi vor 14 Jahren samt Rahmen für 12,99 Euro verkaufte. Jetzt kostete er 30 Euro. Auch auf dem Kunstmarkt wachsen die Bäume nicht in den Himmel.
Künstler werden zur Marke. Und manchmal halten auch Marken Einzug in die Kunst