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Documenta kunterbunt

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ging schon das Gerücht, die Documenta 14 werde ohne Gemälde auskommen, doch ihr Leiter, der Pole Adam Szymczyk, hat Skeptiker beschwicht­igt.

Schon die vorige Documenta arbeitete mit Außenstell­en: in Afghanista­n, Ägypten und Kanada. Szymczyk geht einen Schritt weiter. Er hat dem Standort Kassel den Standort Athen gleichbere­chtigt an die Seite gestellt, mehr noch: Die Documenta wird in Athen eröffnet, erst zwei Monate später folgt Kassel. Und der Arbeitstit­el lautet „Von Athen lernen“. Alle Künstler sollen an beiden Standorten vertreten sein.

Szymczyk hat hier und da bereits erzählt, wovon die Documenta handeln wird, ohne dass er sich festgelegt hätte. Die Flüchtling­sströme der Gegenwart werden eine Rolle spielen, klar, das war abzusehen. Der „Basler Zeitung“sagte er zudem: „Wir möchten einen Ort schaffen, an dem die Stimmen von Minderheit­en und all jenen, die zum Schweigen gebracht wurden, gehört werden können.“

Die Kunsthändl­er werden an der bevorstehe­nden Documenta vermutlich so wenig Freude haben wie an der vorigen, denn Szymczyk hat angekündig­t, dass auch er die Stars des Marktes meiden werde. Er sieht teuer gehandelte Gegenwarts­kunst als Repräsenta­tion von Macht und westlicher Hegemonie. Dem setzt er Künstler wie die Argentinie­rin Marta Minujín entgegen. Auf dem Friedrichs­platz in Kassel errichtet sie mit geistigem Blick auf Athen zurzeit einen aus 100.000 Bänden bestehende­n „Parthenon der Bücher“– als Zeichen gegen Zensur und die Verfolgung von Schriftste­llern. Die Installati­on geht zurück auf ein ähnliches Werk, das Marta Minujín 1983 in Buenos Aires schuf. Damals verwandte sie genau jene Titel, die die Militärreg­ierung verboten hatte. Heute verweist der „Parthenon der Bücher“auf Unterdrück­ung in aller Welt, aber auch auf die Bücherverb­rennung der Nationalso­zialisten auf jenem Friedrichs­platz.

Zu den Teilnehmer­n der Documenta wird auch Hiwa K zählen, ein in Berlin lebender irakisch-deutscher Installati­onskünstle­r. Mit seiner Kunst kritisiert er die Ausbildung von Künstlern, die Profession­alisierung der Kunst und der Inszenieru­ng sowie den Mythos vom individuel­len Künstler. Eine neue Generation von Umkrempler­n und In-Frage-Stellern wird sich auf der Documenta 14 breitmache­n. Viel-

Junge Umkrempler und In-Frage-Steller werden sich auf der Documenta

breitmache­n

leicht sind es die Stars von morgen, vielleicht wird man nichts mehr von ihnen hören, wie es schon ungezählte­n Teilnehmer­n früherer Documenta-Ausstellun­gen erging. Das ist das Spannende an diesem Großereign­is.

Adam Szymczyk, seinem diesjährig­en Leiter, sagt man nach, dass er Kunst nicht nur als Mittel zur Erforschun­g gesellscha­ftlicher Entwicklun­gen betrachte, sondern stets auch die Sprache dieses Genres im Blick habe. Das lässt hoffen, dass in Kassel und Athen doch mehr zu sehen sein wird als eine Kunst, die bloß Gedanken illustrier­t.

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FOTO: DPA Die argentinis­che Künstlerin Marta Minujín nimmt an der Documenta 2017 teil.

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