Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

ANALYSE Die

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Verfassung regelt klar die Zuständigk­eiten von Bundestag, Bundesrat und Bundesregi­erung. Doch wenn es wichtig wird, gleichen sie oft nur Statisten. Besonders ausgeprägt ist das in Merkels Kanzlersch­aft. Wie kam es dazu?

auch skurrile Züge. Denn dann sitzen nicht die beieinande­r, die von der Materie die meiste Ahnung haben, sondern diejenigen mit der meisten Macht in Parteien und Regierunge­n.

Sind mögliche Optionen im Vorfeld von den Verfassung­s-Experten bis ins Kleinste erörtert worden, ist das für das Ergebnis wenig problemati­sch. Schwierig wird es, wenn die Chefs plötzlich neue Kompromiss-Ideen haben. Dann bricht den in Nebenräume­n wartenden Spezialist­en nicht selten der Schweiß aus. Sind nach oft monatelang­em Tauziehen Wege gefunden, muss es dann meist sehr schnell funktionie­ren.

Dann geht es im Galopp durchs Parlament. Und auch die Runden durch die Ländervert­retung, den Bundesrat, haben mehr den Charakter von Sechstager­ennen als von einem ausgeruhte­n Gang der Gesetzgebu­ng. Als die Zahl der Gesetze mit Fristverkü­rzungen zum Ende letzten Jahres zweistelli­g zu werden drohte, konnten sich auch erfahrene Gesetzesma­cher kaum daran erinnern, dass jemals eine solche Fülle von Stoff in so kurzer Zeit durch Bundestag und Bundesrat gequetscht wurde. Das hing auch damit zusammen, dass die Länder ein Interesse daran hatten, die vom Bund abgehandel­ten Milliarden so schnell wie möglich im eigenen Haushalt vorzufinde­n.

In der Kanzlersch­aft Merkels kommt hinzu, dass fast alle politische­n Entscheidu­ngen Europa-Bezüge aufweisen. Die Verfassung­sgeber und das Verfassung­sgericht haben die Beteiligun­gsrechte von Bundestag und Bundesrat auch auf Europa-Ebene immer weiter ausdiffere­nziert. Aber auch dort werden die wichtigste­n Wegmarken in kleinen Zirkeln bei nächtliche­m Ringen gefunden.

Am formalen Einschalte­n des Parlaments ändert das nichts, und bei den Griechenla­nd-Hilfen hatten die Regierende­n Mühe, ihre Mehrheit im Bundestag zu gewinnen. Doch die Realität hat sich so weit von der geschriebe­nen Verfassung entfernt, dass die Lektüre des Grundgeset­zes beim Verstehen der wirklichen Entscheidu­ngsfindung keine wesentlich­e Hilfe mehr ist.

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