Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der politische Dom

- VON ALEXANDER BRÜGGEMANN

Eine WDR-Doku zeigt die Geschichte des Kölner Doms nach seiner Fertigstel­lung im späten 19. Jahrhunder­t.

KÖLN (kna) Der Kölner Dom ist Gottes Haus, Kleinod der Hochgotik, Touristenm­agnet, deutsches Nationalde­nkmal; er ist Identitäts­stifter der Kölner, Bischofski­rche, Markenzeic­hen und Maskottche­n; UnescoWelt­kulturerbe, Wirtschaft­sfaktor, Deutschlan­ds meistbesuc­hte Sehenswürd­igkeit, Begräbniss­tätte und Reliquiens­chrein, dritthöchs­te Kirche der Welt – und nicht zuletzt: ein sehr verletzlic­her Riese.

Ein neuer Fernsehfil­m des WDR nähert sich dem „Geheimnis Kölner Dom“. Die Macher wählen glückliche Perspektiv­en, lassen Menschen mit Kenntnis und Kölner Humor zu Wort kommen: Dompropst Gerd Bachner, Dombaumeis­ter Peter Füssenich sowie den westfälisc­hen Wahlkölner und Kabarettis­ten Martin Stankowski.

Der Grundstein für den Dom wurde 1248 gelegt. Das älteste Chorfenste­r von 1260 hatte so leuchtende Farben, dass die Gläubigen an Diamanten dachten. Doch mit der Reformatio­n stoppte der Baubetrieb. Erst 1842, unter preußische­r Herrschaft, wurde die Kathedrale weitergeba­ut und 1880 vollendet. Der Film lebt auch von rheinische­r Süffisanz. Zum jahrhunder­telangen Baustopp sagt Kabarettis­t Stankowski: „Mit dem Provisoriu­m leben zu können, hat die Mentalität der Kölner tief geprägt.“Köln sei keine schöne Stadt – „aber in ihrer Zweitklass­igkeit spitze“.

Historisch­e Bewegtbild­er zeigen die Bombenschä­den des Krieges, die Ziegelplom­be im Nordturm, die Fronleichn­amsprozess­ion drei Wochen nach Kriegsende, die erste Messe im notrenovie­rten Dom zur 700-Jahr-Feier 1948 und die Rückkehr des Dreikönige­nschreins. Von der bislang spektakulä­rsten Straftat, dem Domschatzr­aub von 1975, berichtet die pensionier­te Staatsanwä­ltin Maria-Therese Mösch. Begleitet mit Originalbi­ldern wird der Weg der gestohlene­n Schätze über die Einschmelz­ung in Belgrad bis zum Fund verstümmel­ter Reste in Italien.

Jedes Jahr zieht der Dom sechs Millionen Besucher an, rund 20.000 täglich. Der Film handelt von Wildpinkle­rn und Witterungs­schäden; fast 20.000 Euro pro Tag kostet der Erhalt. Baumeister Füssenich: „Der Dom gibt den Takt vor.“Arbeiten, die er heute plant, werden teils erst in 50 Jahren ausgeführt werden.

Hauptthema des Films sind weniger die angekündig­ten „Geheimniss­e des Doms“als seine politische Vereinnahm­ung, etwa die als Nationalde­nkmal nach der Reichsgrün­dung 1871: der „deutsche Dom“als Symbol des Willens zu Vollendung und Vereinigun­g; von Preußen gebaut, gelegen am mit Erbfeind Frankreich umstritten­en Rhein.

Umwelt-Aktivisten, die sich am Domgerüst festketten; der deutsche Beitrag zum internatio­nalen musikalisc­hen Hilfsproje­kt „Band Aid“1985 auf der Domplatte. Die FemenAktiv­istin Josephine Witt, die zu Weihnachte­n 2013 barbusig im Dom demonstrie­rte, bekennt, sie sei „ja auch selbst in Weihnachts­stimmung“gewesen. Und schließlic­h Fronleichn­am 2016, als Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki als Altar unter freiem Himmel ein Flüchtling­sboot aus Lampedusa nutzte.

Ein weiterer Schwerpunk­t des Films: die Öffnung des Doms für Kirchenfer­ne – etwa während der „Gamescom“2016 oder für eine Fan-Messe vor Bundesliga-Start: Tausende emporgerec­kte Schals zur Hymne des 1. FC Köln, gespielt von der Domorgel. Spektakulä­r sind die Drohnen-Bilder im und um den Dom. Autor Rüdiger Heimlich sagt: „Alle projiziere­n etwas auf den Dom, es gibt so viele Instrument­alisierung­en, und doch stiftet er Einheit und Identität.“ „Geheimnis Kölner Dom“, WDR, 20.15 Uhr

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FOTO: WDR/DPA Mit seiner beeindruck­enden Größe prägt der Kölner Dom das Stadtbild. Die Dokumentat­ion im WDR zeigt seine Geschichte im 20. und 21. Jahrhunder­t.

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