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Sekundarschulen in Not
DÜSSELDORF/ALPEN Sylvia Löhrmann neigt nicht zu emotionalen Ausbrüchen. Doch als 2012 die Schulministerin 42 Sekundarschulen als neue Schulform für NRW auf den Weg brachte, da klangen bei ihr zumindest hohe Erwartungen mit: Die Sekundarschule sei „eine Schule der Zukunft“, sagte Löhrmann etwa, „eine Antwort auf die bildungspolitischen Herausforderungen, vor denen Schulen und Kommunen stehen“. Vor Ort herrsche „eine große Aufbruchstimmung aller Beteiligten“.
Anfang 2017, vor der neuen Anmeldungsrunde, darf man sagen: Der große Renner ist die Sekundarschule, an der Kinder bis mindestens Klasse 6 gemeinsam lernen, nicht geworden. Dabei bietet jede Schule einen festen Weg zum Abitur – das sollte ein wichtiges Argument vor allem für ländliche Kommunen sein, nach dem Motto: Abi gibt’s nicht nur in der Stadt. Die Gymnasien sollten keine Konkurrenz fürchten müssen, weil die Sekundarschule keine Oberstufe hat. Und die Bildungsreformer sollten viele neue Schulen bekommen, an denen länger gemeinsam gelernt wird.
Das war die Idee. Zwar gibt es heute 117 Sekundarschulen im Land; die 200, die das Ministerium 2012 als Erwartung ausgegeben hatte, wurden aber deutlich verfehlt. Zudem brach die Zahl der Neugründungen ein: 2013 gab es 53 Anträge, 2017 noch genau einen.
Man mag das, wie es auch das Ministerium tut, mit Sättigung erklären – seit dem Schulfrieden von Rot-Grün und CDU 2011, in dem die Einführung der Sekundarschule vereinbart wurde, hat jede vierte Kommune eine bekommen. Allerdings sind auch die Anmeldezahlen vielerorts heikel. Das förderte im Herbst eine kleine Anfrage der FDP zutage. An 68 Sekundarschulen waren die Aufnahmezahlen 2016 rückläufig. Jede dritte Schule liegt unter der Marke von 75 Anmeldungen, die gemäß Schulge- setz erforderlich sind, um eine Sekundarschule einzurichten. Diese Schulen wären mit den Zahlen von 2016 also gar nicht zustande gekommen. Jede neunte hat sogar so wenig Anmeldungen, dass sie die schon sehr großzügig gesetzte Untergrenze des Ministeriums für eine Fortführung (60) verfehlt.
Beispiel Alpen, Kreis Wesel, 12.800 Einwohner: Nie lag die Zahl der Fünftklässler an der Sekundarschule über 97; 2016 rutschte sie unter 60. „In unserer Region gibt es ein Überangebot an Schulen des längeren gemeinsamen Lernens“, sagt Bürgermeister Thomas Ahls (CDU): „In Kombination mit der Starrheit der Mindestgrößen ist das problematisch.“Die Politik habe den ländlichen Raum zu wenig im Blick.
Dem Verkümmern vieler Sekundarschulen entspricht der Boom der eng verwandten Gesamtschule. „Immer mehr Eltern wollen eine Schule, die direkt zum Abitur führt“, sagt Bürgermeister Ahls: „Schulwechsel oder sogar Schulortwechsel sind unbeliebt – damit haben alle Sekundarschulen zu kämpfen.“Umgekehrt erhöht eine Gesamtschule die Chancen, Schüler zu halten. Gesamtschulgründungen wurden im Schulfrieden erleichtert; seit 2012 ist ihre Zahl um fast 100 gestiegen. Zwar verzeichnet auch von diesen etwa die Hälfte rückläufige Anmeldezahlen. Aber nur drei liegen unter der Mindestgröße für Neugründungen (100).
Fünf Sekundarschulen sind bereits in Gesamtschulen umgewandelt, fünf weitere Umwandlungen stehen 2017 an: Zwei von Löhrmanns Lieblingskindern kannibalisieren sich, polemisch gesagt. Das sieht die Ministerin natürlich ganz anders: Die Umwandlungen schmälerten „die Wirksamkeit des Schulkonsenses in keiner Weise. Mehr längeres gemeinsames Lernen war nie.“
Trotzdem steht hinter vielen Schulen ein Fragezeichen – und für manche Experten schon hinter der ganzen Schulform. Ein Gutachten der Rosa-Luxemburg-Stiftung erwartete schon Mitte
Hinter vielen Schulen steht ein Fragezeichen – für manche Experten sogar schon hinter der ganzen Schulform