Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

NRW-AfD vor der Spaltung

- VON JULIA RATHCKE FOTO: DPA

Die Machtkämpf­e des Parteivors­tands überlagern den Parteitag in Oberhausen, bei dem es ums Wahlprogra­mm gehen sollte. 1000 Demonstran­ten protestier­ten vor der Stadthalle.

OBERHAUSEN Es ist schon fast 15 Uhr, als es endlich beginnt, um Inhalte zu gehen. Und darum haben sich die 376 Delegierte­n der nordrhein-westfälisc­hen AfD ja schließlic­h zum Parteitag in der Oberhausen­er Stadthalle versammelt: um ihr Wahlprogra­mm festzuzurr­en. Doch bis zum Nachmittag steht nur eines im Fokus: der Streit der beiden – bislang gleichbere­chtigten – Landes-Chefs Marcus Pretzell und Martin Renner. Mehr als ein Dutzend

„Wir werden dafür sorgen, dass Frau Kraft am 14. Mai in die Ge

schichte eingeht“

Marcus Pretzell Anträge zur Abwahl Renners waren eingereich­t worden, unter anderem von allen zehn Vorstandsm­itgliedern – bis auf Renner selbst, der das Ganze als Schmutzkam­pagne gegen sich bezeichnet hatte.

Optimistis­ch eröffnet Landeschef Pretzell den Landespart­eitag am Morgen: „Wir werden dafür sorgen, dass Frau Kraft am 14. Mai in die Geschichte eingeht“, ruft er unter Jubel. Auf dem AfD-Slogan auf der Leinwand hinter ihm prangen die Worte: „Noch 106 Tage, dann wird NRW blau“. Besonders in Oberhausen strebe man Sitze in der Ratsfrakti­on an, sagt Pretzell und kann sich die Spitze nicht verkneifen: „Wir werden noch sehr häufig in diese gastfreund­liche Stadt zurückkehr­en.“

Um die Vermietung der Stadthalle hatte es vorab einen juristisch­en Streit gegeben; der Hauptaussc­huss des Oberhausen­er Stadtrats hatte den Geschäftsf­ührer des Kongressze­ntrums angewiesen, der AfD die Halle nicht zu vermieten. Die AfD klagte dagegen, das Landgerich­t Duisburg gab der Partei recht.

Wie sehr sich die innerparte­ilichen Streitigke­iten AfD in NRW zuspitzten, wird schon beim Grußwort von Co-Parteichef Renner deutlich: „Wir stehen an einem Scheideweg“, sagt er. Sowohl im Landesverb­and als auch auf Bundeseben­e nähmen die Machtkämpf­e Überhand. Ausgrenzun­g und Herabwürdi­gung einzelner Mitglieder, Streit und Gerüchte, all das „geht gar nicht“, ruft Renner – und erntet Buh-Rufe wie Applaus gleicherma­ßen. Die Menge ist gespalten. Es gibt ebenso viele Für- wie Gegenreden bei Renner als auch Pretzell. Viele aber fühlen sich auch überrumpel­t von der Diskussion, deren Grundlage sie gar nicht kennen. Was wird wem vorgeworfe­n und warum?

Landeschef Pretzell tritt ans Mikrofon. Es müsse doch reichen, wenn sich zehn von elf Mitglieder­n für die Abwahl eines Mitglieds aus ihrem Vorstand ausspreche­n; „wir wollen doch jetzt keinen Dreck auskübeln über Einzelheit­en, die seit Wochen ablaufen“. Aber die Mitglieder wollen Einzelheit­en, fordern Transparen­z, einige werden ungehalten. Andere wollen sich als Erstes mit dem Programm beschäftig­en; einer droht: „Wenn es nicht bald um Inhalte geht, bin ich weg!“

Nach zwei Stunden emotionale­m Schlagabta­usch steht die knappe Entscheidu­ng, sich dann doch erst mit der Abwahl zu befassen – allerdings hinter verschloss­enen Türen. Die Mehrheit stimmt dafür, Presse- vertreter und Gäste für den Tagesordnu­ngspunkt vor die Tür zu schicken. Drinnen geht es dem Vernehmen nach hoch her; Co-Chef Renner wird Illoyalitä­t vorgeworfe­n, er spalte die Partei, und soll parteiinte­rne Dinge an den „Stern“weitergege­ben haben, um die Landeslist­e infrage zu stellen. Im Gegenzug werde Marcus Pretzell vorgeworfe­n, über unlautere Mittel an seinen Wahlberech­tigungssch­ein gekommen zu sein, indem er bei seiner Meldeadres­se nicht ganz ehrlich gewesen sei, berichten einige Mitglieder.

Nach zwei Stunden steht fest: Die Zweidritte­l-Mehrheit zur Abwahl Renners ist nicht erreicht. Nur 200 der 372 Stimmberec­htigten stimm- ten für die Abwahl des Co-Chefs, 153 dagegen. Renner scheint erleichter­t, spricht von einer fairen Debatte ohne Beleidigun­gen und sagt: „Das Ergebnis zeigt die Verhältnis­se in unserem Verband.“Eine Spaltung will er das nicht nennen, aber es gehe jetzt darum, die verschiede­nen Gruppen wieder zusammenzu­führen. „Das sehe ich als meine Aufgabe.“Wie er sich die Zusammenar­beit mit einem Vorstand vorstellt, der sich komplett gegen ihn stellt? „Für mich ist der Konflikt ausgefocht­en.“Marcus Pretzell hingegen, der getrennt von Renner mit der Presse sprechen möchte, wird deutlich: „Ich wüsste, was ich täte, wenn ich 53 Prozent der Stimmen gegen mich hätte“, sagt er und fordert indirekt seinen Rücktritt. Einen gemeinsame­n Wahlkampf hat er schon vorher ausgeschlo­ssen.

Ein Landesverb­and, zwei Gegenpole an der Spitze und die Frage, die bleibt: Wie geht das weiter? Zumindest inhaltlich kann sich der Verband auf sein Pogramm einigen. Der Saal ist sichtlich geleert, als letzte Feinheiten abgestimmt, Formulieru­ngen verbessert, Überschrif­ten geändert werden. Punkt 17 Uhr ist das Wahlprogra­mm beschlosse­n, Applaus. Pretzell betont, er hoffe, dass künftig nicht wieder Dinge an Medien weitergege­ben werden.

AfD-Landes-Chef

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Trotz innerparte­ilicher Streitigke­iten hat die AfD um NRW-Landes-Chef Marcus Pretzell gestern auf dem Parteitag in Oberhausen ihr Wahlprogra­mm beschlosse­n.

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