Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Muslim-Bann trifft Sportler, Künstler, Politiker

- VON FRANK HERRMANN

Auch etliche Prominente dürfen nach Donald Trumps verhängtem Einreiseve­rbot vorerst nicht mehr die USA betreten. Doch vor allem junge Muslime im Land fürchten das Dekret.

WASHINGTON Malik al Armash hat große Ziele. Er will in den USA studieren, ein Unternehme­n gründen, und seit fünf Monaten sieht es so aus, als baute er nicht nur Luftschlös­ser. Seitdem lebt der junge Syrer aus Damaskus in Clarkston, einer Kleinstadt in der Nähe Atlantas, die in großer Zahl Flüchtling­e aufnimmt. Eine Bürgerinit­iative namens „Refuge Coffee“(„Zufluchts-Kaffee“) hat ihm einen Job besorgt, er verbringt seine Tage in einem rot angestrich­enen Imbisswage­n, um Kaffee zu brühen und im Gespräch mit Kunden an seinem Alltagseng­lisch zu feilen. Es sind erste Schritte. Allmählich würde Ordnung in sein Leben einziehen, hatte Malik al Armash geglaubt.

Nun aber hat Donald Trump einen Aufnahmest­opp für Flüchtling­e sowie ein vorläufige­s Einreiseve­rbot für Bürger aus sieben Staaten mit muslimisch­er Bevölkerun­gsmehrheit verfügt, und das bringt große Unruhe in Malik al Armashs neues Leben. 2012 hatte er Damaskus verlassen, nachdem er von Sicherheit­skräften des Assad-Regimes zweimal verhaftet worden war. Dreieinhal­b Jahre schlug er sich in der jordanisch­en Hauptstadt Amman durch, bis endlich grünes Licht aus Washington kam. Nach zwölf Monaten im Südstaaten­nest Clarkston darf er sich um eine Green Card bewerben – um das Papier, das ihm sowohl einen unbegrenzt­en Aufenthalt garantiert als auch eine Berufskarr­iere ermöglicht. Obwohl es vorläufig keine Anhaltspun­kte gibt, dass sich daran etwas ändert, zweifelt der 23Jährige plötzlich an allem und jedem. „Ich habe Angst, ich bin nervös, das will ich gar nicht verbergen“, sagt er. „Ich habe Angst davor, dass sie mich zurückschi­cken.“

Nach Trumps Erlass werden die Vereinigte­n Staaten in den nächsten vier Monaten keinen einzigen Flüchtling mehr ins Land lassen. In dieser Zeit soll geprüft werden, wie man Antragstel­ler noch gründliche­r als bisher durchleuch­ten kann. Die Aufnahme von Menschen aus dem Bürgerkrie­gsland Syrien wird sogar für unbestimmt­e Zeit ausgesetzt. Zudem darf in den nächsten drei Monaten kein Staatsange­höriger aus dem Irak, aus Iran, Syrien, Libyen, Somalia, dem Jemen und dem Sudan einreisen, sofern er nicht Diplomat oder aus sonstigen Sondergrün­den von dem Verbot ausgenomme­n ist. Das gilt auch für Menschen, die im Besitz einer Green Card sind.

Das Dekret, von Kritikern als völlig unzulässig­e Kollektivs­trafe bezeichnet, löste am Wochenende Hektik und bisweilen Chaos auf amerikanis­chen Flughäfen aus. In New York versuchen Anwälte, zwei Iraker mit gültigen Visa aus dem Gewahrsam der Grenzkontr­olleure zu holen. Das gelang erst nach zähen Verhandlun­gen und dem Urteil einer Richterin, die am späten Samstagabe­nd entschied, dass die Festgehalt­enen vorerst nicht deportiert werden dürfen. Einer iranischen Wissenscha­ftlerin, die nach Boston fliegen wollte, um am Labor eines Universitä­tskrankenh­auses zu forschen, wurde die Einreise ebenso verweigert wie einer syrischen Flüchtling­sfamilie, die auf einen Neubeginn in Ohio gehofft hatte. Nisrin Omer, eine aus dem Sudan stammende Harvard-Absolventi­n, die seit 1993 in den USA lebt, aber nach wie vor sudanesisc­he Staatsbürg­erin ist, wurde fünf Stunden am New Yorker Kennedy-Airport festgehalt­en – für einige Zeit in Handschell­en. Insgesamt sind es nach vorläufige­n Angaben um die 200 Menschen, die auf ähnliche Weise von Trumps Verfügung überrumpel­t werden.

An Flughäfen in San Francisco, Washington und New York kam es daraufhin zu spontanen Demonstrat­ionen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, dessen Unternehme­n wie die gesamte Hightech-Branche im Silicon Valley auf weit geöffnete Türen für Talente aus aller Welt angewiesen ist, betonte, dass die USA ein Land der Einwandere­r seien und stolz darauf sein sollten. „Meine Urgroßväte­r sind aus Deutschlan­d, Österreich und Polen gekommen“, die Eltern seiner Frau seien aus Chi- na und Vietnam geflohen, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. „Wir müssen die Sicherheit dieses Landes wahren, aber das sollten wir tun, indem wir uns auf Leute konzentrie­ren, von denen tatsächlic­h Gefahr ausgeht.“Demokratis­che Kongressab­geordnete sprechen von einer Diskrimini­erung, die allem widersprec­he, wofür Amerika mit seinen Werten und seiner Tradition stehe. Der Freiheitss­tatue liefen die Tränen über die Wangen, sagte Chuck Schumer, der führende Demokrat im Senat. Sollte Trump nicht einlenken, werde er ein Gesetz in den Senat einbringen, um den Einreisest­opp zu kippen, kündigte Schumer an.

Der Präsident dagegen erklärte im Weißen Haus, er habe ja gar kein pauschales Einreiseve­rbot für Muslime erlassen, wie er es im Wahlkampf angekündig­t hatte. „Alles läuft gut. Das sieht man an den Flughäfen, das kann man überall sehen“, sagte Trump. Malik al Armash sagt, dass er sich große Sorgen mache um seine Verwandten, die noch immer Syrien oder Jordanien lebten. Auch sie wollten in die Neue Welt übersiedel­n, doch womöglich seien die Tore nun auf Jahre hinaus verschloss­en. „Und was aus mir wird, weiß ich auch nicht. Niemand hier weiß, was als Nächstes geschieht.“

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FOTOS: ANNE ORTHEN, IMAGO, AFP, PRIVAT, LINDA HAMMER Sie dürfen wegen Trumps Dekret nun nicht mehr in die Vereinigte­n Staaten reisen (v.l.): Schriftste­ller Navid Kermani, Grünen-Politiker Omid Nouripour, Leichtathl­et Mo Farah, Schauspiel­erin Jasmin Tabatabai, FDP-Mann Bijan Djir-Sarai.
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