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Regieren per Federstric­h

- VON MATTHIAS BEERMANN

DÜSSELDORF Die Szene hat sich in den ersten Tagen der Amtszeit von Donald Trump wie am Fließband wiederholt: Erst unterzeich­net der US-Präsident an seinem Schreibtis­ch im Oval Office schwungvol­l ein Dokument. Dann hält er die Mappe in die Kameras. Zahnpastal­ächeln, ein kerniger Spruch, und schon wieder hat Trump eine sofort wirksame Anordnung erlassen. „Executive Orders“heißen diese Präsidiale­rlasse, die den Eindruck erwecken, der amerikanis­che Präsident könne regieren wie ein absoluter Monarch. Ganz so ist es nicht.

Die Präsidente­n-Verordnung bietet dem Staatschef eine Alternativ­e zum Gesetzgebu­ngsprozess. Augenfälli­ger Vorteil ist die Schnelligk­eit der Umsetzung, die die Executive Orders vor allem in Kriegszeit­en zur Anwendung kommen ließen. Um seltene Einzelfäll­e handelt es sich freilich nicht: Der erste US-Präsident George Washington und seine Nachfolger haben bis heute mehr als 13.000 Dekrete unterschri­eben. Rekordhalt­er ist Präsident Franklin D. Roosevelt (1933 bis 1945) mit 3522 Dekreten, darunter auch die umstritten­e Anordnung, Zehntausen­de Amerikaner mit japanische­n Wurzeln für die Dauer des Zweiten Weltkriegs zu interniere­n.

Bemerkensw­erterweise enthalten weder die US-Verfassung noch die Bundesgese­tze genauere Bestimmung­en zu diesen Dekreten. Ihre rechtliche Grundlage erhalten sie aus einer Ableitung von Artikel II der Verfassung, die dem Präsidente­n die volle Ausübung der Exekutivge­walt zuspricht. Allerdings sind die Exekutive Orders der Überprüfun­g durch die Justiz unterworfe­n. Wie häufig im angelsächs­ischen Rechtsraum, sind es damit die Gerichte, die mit ihren Urteilen die Verwaltung­spraxis prägen.

So gab es bis zu einem Urteil des Obersten Gerichtsho­fs von 1952 überhaupt keine Richtlinie­n dafür, was der Präsident mit einer Executive Order bestimmen kann. Damals aber entschiede­n die Richter, dass ein von Harry Truman unterzeich­netes Dekret, wonach alle Stahlwerke unter Bundeskont­rolle geraten sollten, ungültig war. Begründung: Executive Orders dürfen kein neues Recht schaffen, sie sind nur zur Erläuterun­g bestehende­r Gesetze oder Verfassung­sbestimmun­gen erlaubt. Seither müssen die Dekrete erwähnen, auf welche gesetzlich­e Grundlage sie sich beziehen.

Dass Executive Orders von der Justiz gekippt werden, ist aber sehr selten. Neben Trumans Erlass wurde nur eine weitere Verordnung annulliert: Als Bill Clinton 1996 versuchte, alle Firmen von Regierungs­aufträgen auszuschli­eßen, die Streikbrec­her einstellte­n. Häufiger setzen Gerichte nur Teile einer Verordnung im Rahmen einer Eilentsche­idung außer Kraft, wie es jetzt ein Bundesgeri­cht im Fall von Trumps Einreise-Dekret getan hat.

Neben den Gerichten kann aber auch der Kongress Executive Orders blockieren, indem er neue Gesetze verabschie­det oder einfach kein Geld genehmigt, um den Erlass auszuführe­n. Der Präsident kann gegen solche Gesetze sein Veto einlegen, dieses kann aber durch den Kongress mit einer Zweidritte­lmehrheit endgültig überstimmt werden.

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FOTO: REUTERS Donald Trump unterzeich­net das Einreise-Dekret.

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