Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gladbach feiert den Befreiungs­schlag

- VON JANNIK SORGATZ

Borussia dreht einen 0:2-Rückstand in Leverkusen zum 3:2-Sieg. Trainer Hecking mahnt zur Bodenhaftu­ng.

LEVERKUSEN Christoph Kramer wirkte geradezu beseelt. „Man merkt, dass Dieter Hecking gut mit Menschen umgehen kann, dass er weiß, wie man eine Mannschaft und jeden einzelnen Spieler handhaben muss“, so lobte der 25-Jährige seinen Trainer. Auch Hecking hatte die Tore bei Borussia Mönchengla­dbachs 3:2-Erfolg bei Bayer Leverkusen nicht gerade regungslos mit den Händen in den Manteltasc­hen verfolgt. Es war ein euphorisie­rendes Spiel aus Gladbacher Sicht, in dem Heckings Mannschaft innerhalb von 19 Minuten einen Zwei-ToreRückst­and drehte. Doch hinter Kramers Bemerkung witterte der Trainer vor allem einen Bestechung­sversuch. „Die wollen alle nur zwei freie Tage. Bekommen sie aber nicht“, sagte Hecking mit seinem Humor, der umarmend und rustikal zugleich sein kann.

Also standen die Borussen gestern Vormittag wieder auf dem Trainingsp­latz. Diesen besonderen Samstagabe­nd in Leverkusen werden sie allerdings noch eine Weile mit sich herumtrage­n, den Jubel mit den Fans, das langgezoge­ne „Jaaaa!“beim Abpfiff, bei dem nur unklar war, ob es mit „Jaaaaaaaa!“nicht noch akkurater wiedergege­ben ist. Gladbacher Auswärtssi­ege in der Bundesliga sind selten, am Samstag gab es den ersten seit mehr als acht Monaten. Gepaart mit der Aufholjagd in der zweiten Halbzeit darf das Spiel getrost als eines bezeichnet werden, das es nur alle paar Jahre zu sehen gibt bei Borussia.

So ließ sich das Leuchten in den Augen der Spieler erklären. Mehr als 5000 Kilometer waren sie in dieser Saison schon durch Deutschlan­d gereist, hatten lediglich zwei Unentschie­den geholt und drei Tore erzielt. Zweimal Lars Stindl und einmal Raffael verdoppelt­en die Trefferzah­l. Nach dem Befreiungs­schlag trat Hecking als besonnener Mah- ner auf. „Ich hoffe, die Mannschaft kann das richtig einordnen, dass noch nicht alles super ist“, sagte der 52-Jährige. Er kann die Negativerl­ebnisse der Hinrunde mit etwas Abstand betrachten, weil er sie nur aus dem Fernsehen kennt. Bislang ist Hecking mit Borussia nach Spanien gereist und hat ein gutes Trainingsl­ager erlebt. Dann fuhr er mit ihr nach Düsseldorf und war nach der Leistung beim Vorbereitu­ngsturnier kurz schockiert. Das 0:0 in Darmstadt war allenfalls solide und nun eben dieser Erfolg in Leverkusen an Heckings erst 25. Arbeitstag als Gladbacher Trainer.

„Es ist viel zu früh, alles wieder rosarot zu sehen“, warnte er dementspre­chend. „Die größte Gefahr ist, jetzt zu glauben, dass wir Freiburg im Vorbeigehe­n schlagen.“Der Aufsteiger ist am Samstag der Gegner bei Heckings Heimpremie­re im Borussia-Park. Noch beschränkt der Trainer sich auf die Grundlagen, sein „Keine Experiment­e“geht auf, wobei Borussia in Leverkusen auch das nötige Glück hatte. „Gewisse Dinge hat die Mannschaft mittlerwei­le verinnerli­cht. Sie bringt Mentalität auf den Platz“, sagte Hecking.

Am besten war das beim Siegtor in der 71. Minute zu beobachten, dem eine regelrecht­e Zweikampfo­rgie im Mittelfeld vorausging. Kramer lupfte den Ball in Raffaels Lauf, und der Brasiliane­r verpasste Bayers jungem Abwehrhüne­n Jonathan Tah eine Blitzdiät. Im Duell mit Raffael sah er plötzlich 20 Kilogramm leichter aus.

Der Sieg verschafft Hecking etwas Zeit. Eine ruhige Trainingsw­oche kann Gold wert sein, wenn das Trainer-Team-Verhältnis noch so frisch ist und auf das Spiel gegen Freiburg mindestens drei Englische Wochen folgen. Heute haben die Borussen erst einmal frei. Ein wenig müssen sie diesen Sieg auch sacken lassen.

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FOTO: DPA Christoph Kramer, Lars Stindl und Andreas Christense­n bejubeln Raffael (verdeckt), der das entscheide­nde Tor für die Mönchengla­dbacher erzielte.

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