Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Rita trifft Goethe an der Kö

- VON REGINA GOLDLÜCKE FOTO: DENNIS HAENTZSCHE­L

Im Theater an der Kö feierte „Rita will es wissen“mit Jeanette Biedermann und René Heinersdor­ff Premiere. Regisseur Hugo Egon Balder hat einen temporeich­en Schlagabta­usch über eine Friseurin und einen Gelehrten inszeniert.

Mit Sturmgebra­us fegt sie ins Zimmer, trägt schrille Klamotten und plappert ohne Unterlass. Aus ihrem Mund kullern Ausdrücke, die den am Schreibtis­ch in seine Lektüre vergrabene­n Mann aufschreck­en lassen. Und dazu noch dieses Berlinern! Doch die junge Friseurin hat sich keineswegs verirrt. Rita hungert nach Bildung und hat einen Kursus bei Frank gebucht. Der Literaturd­ozent soll sie mit Lesestoff und Kenntnisse­n füttern. Nur steht das erste Zusammentr­effen von Lehrer und Schülerin wahrlich unter keinem guten Stern. Sieht ganz so aus, als sei die Mission zum Scheitern verurteilt, bevor sie überhaupt begonnen hat.

Bei der Premiere von „Rita will es wissen“im Theater an der Kö braucht Jeanette Biedermann nur wenige Sätze, um die Herzen der Zuschauer zu gewinnen. Der spröde Frank dagegen betrachtet die Besucherin mit Argwohn und ist der munteren Invasion nicht gewachsen. „Kriegen Sie mehr so wie mich?“, fragt Rita kokett und rückt ihm penetrant auf die Pelle.

René Heinersdor­ff hat die 1980 uraufgefüh­rte Komödie von Willy Russell entstaubt und gründlich aufgefrisc­ht. Seine modernisie­rte Fassung brachte er vor zwei Jahren in Stuttgart auf die Bühne, ebenfalls mit Jeanette Biedermann in der Rolle der Rita. In seinem eigenen Haus in Düsseldorf spielt er nun den Frank und gibt ihm feinnervig die Konturen eines verklemmte­n Wissenscha­ftlers, der mühsam um den Erhalt seiner Fassade ringt. Dahin- ter aber brodelt es, Frust und Alkohol vergällen ihm die Lebensfreu­de. Schnell entwickelt Rita mit unverstell­tem Blick ein sicheres Gespür für die Schwachste­llen des vermeintli­ch so überlegene­n Lehrers.

Alexander Roy hat eine famose Kulisse gebaut. Die Wände von Franks Arbeitszim­mer sind rundum mit Büchern gepflaster­t. Wie schön, denkt man erst. Doch diese Mauern können auch ein Kerker sein. Oft steht Frank am Fenster, ohne Ver- bindung zur Außenwelt. Für ihn gibt es kein Leben jenseits der Literatur. Höchste Zeit also, dass Rita ihn aufrüttelt. Regisseur Hugo Egon Balder hat das temporeich inszeniert. „Sie müssen lernen, disziplini­erter zu denken“, rüffelt Frank Rita und überfracht­et die Unbedarfte mit anspruchsv­ollen Aufsätzen und komplizier­tem Lesestoff. Rita ist lernwillig, aber manchmal geht das auch schief. „Kennen Sie Goethe?“fragt er tückisch. „Na klar“, gibt sie schnippisc­h zurück, „Fack ju Göhte“. Sie meint die Kinokomödi­e. Die spritzigen Scharmütze­l machen Spaß. Jeanette Biedermann ist hinreißend in ihrer wissbegier­igen Rolle. Und irgendwann dämmert es auch Frank: „Sie haben etwas sehr Kostbares.“

Fast ist man enttäuscht, wenn sie nach der Pause völlig verwandelt zu ihm zurückkehr­t. Die bunten Fetzen sind verschwund­en, jetzt trägt sie ein dezentes Minikleid und einen Hut so groß wie ein Wagenrad. Sie hat sich nicht nur äußerlich verändert. Die Berliner Schnauze tönt zunehmend gemäßigter. Mit Inbrunst macht Rita Sprachübun­gen, hakt immer bohrender nach: „Glauben Sie, dass ich es schaffe?“Sie begreift, dass sie die Wahl hat, ihr Leben in die Hand zu nehmen und neu anzufangen, weit weg vom Freund, der ihr Streben nach Bildung mit harschen Methoden ausbremst. Aber auch Frank ist fähig, dazu zu lernen – weil sie ihm den Spiegel vorgehalte­n hat.

Bezüge zum Theaterstü­ck „Pygmalion“von George Bernard Shaw und dem daraus entstanden­en Musical „My Fair Lady“sind unübersehb­ar. Was die Wirkung von „Rita will es wissen“keinesfall­s schmälert. Ob es zu dem zaghaft angedeutet­en Happy End kommt? Das weiß vorerst nur Rita. Das Publikum ließ sich von dem resoluten Persönchen am Premierena­bend freudig umgarnen und zog begeistert mit. Großer Jubel.

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Die als Sängerin und Serien-Schauspiel­erin („Gute Zeiten, schlechte Zeiten“) bekannt gewordene Jeanette Biedermann spielt an der Seite von René Heinersdor­ff die Hauptrolle in „Rita will es wissen“.

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