Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Wie uns der Wandel gelingt
Unser Land Nordrhein-Westfalen hat eine beeindruckende industrielle Geschichte. NRW war der Maschinenraum Deutschlands. Das Ruhrgebiet als Kraftzentrum mit Kohle, Stahl und Maschinenbau. Klangvolle Namen wie Krupp, Klöckner, Hoesch, Thyssen, Mannesmann, die Schalker Eisenhütte und die Ruhrkohle standen und stehen zum Teil auch noch heute für diese Ära.
In der Stromerzeugung kommen drei der fünf großen Stromerzeuger in Deutschland, RWE, Eon und die Steag aus NRW. Alle drei sind groß geworden mit der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken. Alle drei haben die erneuerbaren Energien zu lange ignoriert und ringen nun darum, den Anschluss an die Energiewende zu schaffen.
Schon heute sind die erneuerbaren Energien beim Stromverbrauch in Deutschland mit einem Anteil von rund 33 Prozent der Primärenergieträger. Und dieser Anteil wird stetig wachsen. Das ist Politik aller Bundesregierungen seit Bundeskanzler Kohl vor mehr als 20 Jahren. Es ist notwendig, weil die drohende Klimaerwärmung mit ihren katastrophalen Auswirkungen es uns nicht mehr erlaubt, all das Öl und die Kohle die noch in der Erde liegt zu verbrennen, ohne ganze Regionen der Erde unbewohnbar zu machen.
Wir erleben jetzt den Übergang vom fossilen zum elektrischen Zeitalter. Und dieses Zeitalter ist geprägt von der zunehmenden Dominanz der erneuerbaren Energien und vom rasanten Prozess der Digitalisierung. Steuerungsprozesse die vor Jahren noch undenkbar waren, führen zu ganz neuen Anwendungen. Verschiedene erneuerbare Stromerzeuger zu einem Kraftwerk zusammenzuschalten, autonomes Fahren von Elektromobilen: Früher eher Science Fiction, jetzt absehbar Praxis und Wertschöpfung. In Nordrhein-Westfalen hat die Kohle, hergeleitet aus der industriel- len Geschichte des Landes, auch in der Politik etwas mystisch Verklärtes.
Viel zu lange wird, wenn es um Kohle geht, bei uns schon darum gekämpft, etwas auf Dauer zu erhalten, was nüchtern betrachtet keine Perspektive für die Zukunft hat. In NRW war eine Diskussion um die Beendigung der Steinkohleförderung lange Zeit politisch nicht möglich. Erst die fünf Jahre der Regierung Rüttgers in NRW und das Verhandlungsgeschick von Werner Müller ermöglichten den Ausstieg aus der Steinkohleförderung, den wir im kommenden Jahr erleben werden.
Etwas Ähnliches, allerdings in kleinerem Maßstab als bei der Steinkohle, geschieht im Moment in der Braunkohle. Abwehrkämpfe ohne Perspektive für die Zukunft kosten Kraft und Konzentration und erschweren den Blick auf die Chancen und Möglichkeiten, die die erneuerbaren Energien und die Digita- lisierung bieten.
Nordrhein-Westfalen hat aktuell 70 Hochschulen und mehr als 760.000 Studenten. Unser Land ist mit zwei Exzellenz-Hochschulen und einer sehr starken Forschungslandschaft die herausragende technologische Wissenschaftsregion in Deutschland. Und es ist begeisternd, wie lebendig gerade im Bereich der Digitalisierung und den Herausforderungen der Energiewende zwischen Aachen, Münster und Ostwestfalen diese Chancen genutzt werden.
In der Autoindustrie, diesem Kernbereich der deutschen Industrie und bisher weltweit Markenkern deutscher Ingenieurskunst, findet gerade unter der Bezeichnung Dieselgate ein Trauerspiel statt, von dem noch nicht absehbar ist, ob es zur Tragödie wird. In bisher unvorstellbarer Weise hat unser HighTech-Automobilkonzern VW mit betrügerischer Abgassoftware Millionen von Kunden getäuscht. Und während bei VW die Diesel-Strategie vor dem Scheitern steht, gibt es einen Run auf den neuen Elektro-Tesla mit 500 Kilometer Reichweite für 30.000 Dollar. Mehr als 400.000 Menschen waren innerhalb weniger Tage bereit, 1000 Dollar Anzahlung zu leisten für ein Auto, das sie noch nie gesehen haben und das sie realistisch frühestens in zwei Jahren erhalten können.
Gleichzeitig bringt eine Ausgründung der Technischen Hochschule Aachen das spannendste Elektro-Auto-Projekt Deutschlands für die Deutsche Post auf die Straße. Für die Post, die vorher vergeblich angefragt hatte, ob VW einen Elektro-Transporter zur Umstellung der Post-Transport-Flotte liefern könnte.
Das konnte Volkswagen nicht, die Stückzahl war zu klein und VW zu beschäftigt mit anderen Dingen. Und in Aachen waren es nicht die 4500 Kraftfahrzeug-Ingenieure, die in den zahlreichen Instituten rund um die Hochschule arbeiten, die dieses Elektro-Auto entwickelt haben, sondern die Produktionstechniker. Unbelastet von den Mythen, dass ein Auto einen Motor mit Zylindern und Ventilen und Nocken- und Kurbellwellen haben muss. Frei im Denken: Was braucht der Kunde als Leistung wirklich, und gibt es einen Anwendungsbereich, wo der momentane, aber vorübergehende Nachteil der geringen Reichweite nicht relevant ist? Jetzt ist der „Street Scooter“da, und die Post-Mitarbeiter, die ihn schon fahren können, sind begeistert. Nun kommt die Herausforderung, schnell genug ausreichend viele Fahrzeuge zu