Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Mit viel Mut freigespie­lt

- VON REGINA GOLDLÜCKE FOTO: SEBASTIAN HOPPE

Acht Mal traten die Laien der Bürgerbühn­e mittlerwei­le im Central auf. Und ihr Stück kommt an: „Verlorene Lieder“steht weiter auf dem Spielplan des Schauspiel­hauses. Eine Zwischenbi­lanz mit den Neu-Schauspiel­ern.

Acht Vorstellun­gen hat das Ensemble von „Verlorene Lieder“jetzt schon hinter sich gebracht. Der Erfolg hält an, das Stück bleibt weiterhin auf dem Spielplan im Central. Die ambitionie­rte Produktion der „Bürgerbühn­e“verlangt den 18 Protagonis­ten viel Courage ab. Fast alle sind zuvor noch nie vor Publikum aufgetrete­n. Auf der Bühne geben sie nun ihre persönlich­en Geschichte­n preis, verwoben mit Liedern, die schöne, traurige oder traumatisc­he Erinnerung­en wecken.

Eine Figur unterschei­det sich dabei von allen anderen. Wann immer im Stück Fragen zum Allgemeinw­issen oder zu statistisc­hen Erhebungen aufgeworfe­n werden, meldet sich das Orakel zu Wort. Eine auffallend aparte junge Frau mit rotem Haar und rotem Kleid: Magdalena Brück. „Ja, das Orakel ist etwas Besonderes“, bemerkt sie zufrieden. Beworben hatte sie sich nicht für den musikalisc­hen Abend. Während sie nach dem Abitur am Schauspiel­haus hospitiert­e, wählten „Bürgerbühn­e“-Leiter Christoph SeegerZurm­ühlen und Regisseur Bojan Vuletic die Bewerber für „Verlorene Lieder“aus. „Eigentlich wollte ich ja nur zugucken“, erzählt Magdalena Brück. „Doch irgendwie fanden die beiden Gefallen an mir und kamen auf die Idee, das Orakel einzubinde­n.“Zwei Tage Bedenkzeit räumte sie sich ein. „Die typischen Ängste tauchten auf: Kann ich das? Möchte ich überhaupt auf die Bühne gehen und die ganzen Texte lernen?“, erzählt sie. Sie strebte ja nicht wirklich zum Theater. Magdalena Brück will ab Herbst „Digital Games“studieren und Videospiel­e entwickeln. Den Ausschlag, sich auf das Experiment einzulasse­n, gab die Rolle. „Sie ist mir nachempfun­den, weil ich wirklich so bin“, sagt sie. „Nicht, dass ich allwissend wäre. Aber vielleicht etwas allwissend­er als der Durchschni­tt.“

Das Orakel liefert den Mitwirkend­en und dem Publikum Erklärunge­n und Hintergrün­de. Dafür musste sich Magdalena Brück umfang- reiche Wikipedia-Texte und einen Wust an Zahlen einverleib­en. Dann, endlich, die Premiere. „Drei Monate hatten wir im Verborgene­n geprobt. Da war es spannend, wie Menschen auf das Stück reagieren, die sich freiwillig Karten gekauft hatten. Ich wollte das gern auch meiner Familie zeigen.“Verändert habe sie die Zeit auf der Bühne nicht, glaubt Magdalena Brück: „Aber es ist schön zu erleben, wie das Publikum von Mal zu Mal mehr mitgeht.“

Ängste überwinden mussten bei „Verlorene Lieder“wohl alle. Dagmar Hornik brauchte dazu auch noch extrem viel Mut. Die Kunsthisto­rikerin, die als Galerie- und Künstleras­sistentin arbeitet, enthüllt eine Jahre zurücklieg­ende bedrohlich­e Lebenskris­e, die man im Stück erahnen kann, ohne dass sie konkretisi­ert wird. Eingesperr­t in einen Glaskasten, bekritzelt sie dessen Wände, eine nach der anderen. Die Texte, die dabei zu hören sind, schrieb sie selbst. Man erahnt die psychische Not dieser Frau, ist ergriffen von den düsteren Klängen des Mahler-Liedes „Ich bin der Welt abhanden gekommen.“Dagmar Hornik wählte es nicht selber aus. „Der Regisseur eignete es mir zu“, sagt sie. Sie will mit ihrem Schicksal nicht hausieren, ist aber dennoch froh, den Weg in die Öffentlich­keit gegangen zu sein. „Man reflektier­t das Geschehene auf andere Weise, wenn man es kreativ verarbeite­t.“Fast wundert sie sich, dass so viele von ihrem Mut beeindruck­t sind. „So schwer war das gar nicht“, wehrt sie ab. „Das befreite Gefühl danach ist mehr wert als alles andere. Es gibt auch keine Scham.“Im geschützte­n Umfeld des Ensembles habe sie Vertrauen gefasst: „Mir sind diese Menschen ans Herz gewachsen. Wir waren bereit, unser Seelenlebe­n miteinande­r zu teilen. Das erfüllt mich mit Glück.“

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Ensemble aus „Verlorene Lieder“. Im Dezember feierte das Stück der Bürgerbühn­e Uraufführu­ng.

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