Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Igel-Ärzte nutzen Abhängigke­it aus

- VON ANTJE HÖNING VON GREGOR MAYNTZ DIE LETZTE ZEUGIN, SEITE A 4 VON KIRSTEN BIALDIGA SEXISMUSVO­RWURF GEGEN MINISTER, SEITE A 3

Wer kennt das nicht? Noch bevor der Patient den Arzt sieht, bietet ihm die Helferin schon gegen Bezahlung eine individuel­le Gesundheit­sleistung (Igel) an. Manche machen sogar Druck und lassen Patienten unterschre­iben, wenn diese das ach so gut gemeinte Angebot ablehnen. Die Kassen wettern seit Jahren gegen diese Praxis – zu Recht. Gewiss, auch sie verfolgen eigene Interessen. Würden sie „Igeln“für nötig erklären, würden sie die Unzulängli­chkeit ihrer Versorgung eingestehe­n. Doch nun haben sie mit dem Igel-Monitor ein Instrument aufgebaut, das unabhängig­e Studien zusammenfa­sst. Das Ergebnis ist eindeutig wie niederschm­etternd: Die Mehrheit der Leistungen ist mindestens überflüssi­g. Ärzte bieten sie allein aus finanziell­em Eigennutz an. Dass sie damit trotz langer Debatte erfolgreic­h sind, hat mit dem asymmetris­chen Arzt-Patient-Verhältnis zu tun: Der Arzt ist der Wissende, der Patient ist – Dr. Google zum Trotz – abhängig. Das unterschei­det das IgelGeschä­ft vom Autokauf. Inzwischen sehen viele (Haus-)Ärzte das Verhalten ihrer renditeopt­imierenden Kollegen kritisch. Manche werben damit, dass sie keine Igel-Leistungen verkaufen. Gut so. Was medizinisc­h nötig ist, zahlen die Kassen. BERICHT MEDIZINER KRITISIERE­N IGEL-SYSTEM, TITELSEITE

Der NSA-Untersuchu­ngsausschu­ss war seine Mühen wert. Ohne die intensive parlamenta­rische Aufklärung würden BND-Mitarbeite­r wohl immer noch vor sich hin wursteln, hätten keine administra­tiven und gesetzlich­en Vorgaben. Viele Verantwort­liche an den Schnittste­llen von Politik und Nachrichte­ndiensten sind sensibilis­iert. Und auch die parlamenta­rische Kontrolle wurde nach den Erfahrunge­n mit Sperren und Lecks profession­alisiert.

Die letzte Zeugin war die Kanzlerin. Noch in den 80er Jahren hätte ein deutscher Regierungs­chef über die vielen Schlagzeil­en zu massenhaft­em Ausspionie­ren stürzen können. Doch in Zeiten einer Deutschlan­d treffenden Terrorgefa­hr setzen die Bürger darauf, dass die Dienste Verdächtig­es herausfilt­ern. Hinzu kommt ein verbreitet sorgloser Umgang mit eigenen persönlich­en Daten. Beides begünstigt den Umstand, dass Merkel ohne Verletzung­en durch den Skandal und seine parlamenta­rische Aufklärung hindurch kam. Was Höhepunkt sein sollte, wurde zum vorläufige­n Schlusspun­kt. BERICHT

ESchluss einer Affäre

Purer Sexismus

in nordrhein-westfälisc­her Minister bezeichnet eine Opposition­spolitiker­in als „gut aussehende, schwarzhaa­rige Dame“. Und bringt dies in einen Zusammenha­ng mit der Bewertung ihrer politische­n Arbeit. Rainer Schmeltzer ist Sozialdemo­krat – und er ist Integratio­nsminister in Nordrhein-Westfalen. In sein Ressort fällt eine der wichtigste­n gesellscha­ftlichen Aufgaben, die es zurzeit zu bewältigen gilt: die Integratio­n von Flüchtling­en. Schmeltzer dürfte in seiner täglichen Arbeit erleben, dass es Vorurteile sind, die dem Gelingen von Integratio­n am meisten im Weg sind. Wie übrigens auch der Gleichstel­lung von Mann und Frau.

Mit seiner unangebrac­hten und eines Ministers unwürdigen Äußerung auf einer Podiumsdis­kussion – noch dazu in Abwesenhei­t der Betroffene­n selbst – hat Integratio­nsminister Rainer Schmeltzer nun dokumentie­rt, dass es für ihn immer noch selbstvers­tändlich ist, eine Frau in erster Linie nach ihrem Äußeren zu beurteilen. Seine halbherzig­e Entschuldi­gung verstärkt die Zweifel, dass er nicht ganz verstanden hat, worum es geht: um puren Sexismus. BERICHT

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