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Sehnsucht nach Olympia in den Alpen
Frühestens 2026, nach 20 Jahren, kehren die Winterspiele in ihre Stammregion zurück. Sportler und Touristen hoffen darauf, viele Einheimische sind olympiaskeptisch.
DÜSSELDORF Es ist nicht so, dass sie es nicht versucht hätten. Deutschland, Österreich, Frankreich und die Schweiz schoben in den vergangenen Jahren acht Bewerbungen um Olympische Spiele in den Alpen an – allesamt erfolglos. Graz 2002, Sion 2002, Sion 2006, Klagenfurt 2006, Salzburg 2010, Salzburg 2014, Annecy 2018 und München 2018, sie alle erhielten trotz Bestnoten des IOC keinen Zuschlag.
2006 blieben die Spiele dank Turin in der Alpenregion, aber seitdem macht Olympia für mindestens 20 Jahre einen Bogen um das traditionelle Wintersportzentrum Mitteleuropas mit jährlich 120 Millionen Gästen – so lange wie noch nie in der Geschichte der Winterspiele. Mehr noch: Turin 2006 war das einzige Mal seit 1992, dass die Alpen Olympia-Gastgeber waren, und es wird bis mindestens 2026 so bleiben. Zum Leidwesen hiesiger Athleten und vieler Sportfans. „Natürlich wäre es schön gewesen, selbst auch mal Olympische Spiele in einem europäischen Wintersportort mit großer Tradition zu bestreiten, aber das wird mir wohl nicht vergönnt sein“, sagt so zum Beispiel der frisch gebackene Weltmeister in der Nordischen Kombination, Johannes Rydzek. Stellt sich die Frage: Woher resultiert die olympische Abstinenz? Darauf gibt es zwei Antworten.
Zum einen waren zuletzt mit Sotschi/Russland (2014), Pyeongchang/Südkorea (2018) und Peking (2022) Städte als Bewerber erfolgreich, die den zunehmenden Gigantismus der Spiele mit ausufernden Milliardenkosten zu tragen fähig und auch bereit waren. Rund 35 Milliarden Euro sollen die Spiele in Sotschi gekostet haben – Rekord. Andere Bewerber waren zuletzt kaum noch zu finden, so setzte sich Peking einzig gegen das kasachische Almaty durch. Inzwischen versucht das IOC mit einer Agenda 2020 gegenzusteuern, aber zumindest in der Alpenregion hat der Größenwahn eins in jedem Fall erzeugt: Widerstand der Bürger. So scheiterten neben den genannten Bewerbungen mit Bern 2010, Graubünden 2022 und München 2022 drei Initiativen an Bürgerentscheiden. Großmannssucht, Korruptionsskandale, Umweltfrevel und die Frage nach der Nachhaltigkeit von Sportstät-
Der Donnerstagabend hielt eine harte Prüfung für Fußball-Romantiker bereit. Der amtierende englische Meister Leicester City trennte sich von seinem Meistertrainer Claudio Ranieri. Das im Vorjahr wohl größte FußballMärchen aus den europäischen Top-Ligen fand also ein denkbar unromantisches Ende. Denn Ranieris Entlassung („Mein Traum ist gestorben“) war mehr als nur eine Personalentscheidung, sie führte jedem Romantiker grausam vor Augen, dass der Fußball zwar verlässlich Märchen liefert, aber jedes dieser Märchen von Beginn an auch ein Verfallsdatum in sich trägt.
Leicester City hat seinen italienischen Trainer nicht entlassen, weil den Verantwortlichen dessen Gesicht nicht mehr passte. Oder weil die Klubführung auf einmal neidisch war auf Ranieris Popularität bei den Anhängern“. Der in Abstiegsnöten befindliche Klub stand einfach vor einer Entscheidung, vor der schon viele Klubs gestanden hatten: Wie lange wiegt früherer Erfolg aktuellen Misserfolg auf? Die Antwort, auf die Leicester kam und auf die jeder Verein früher oder später kommt, lautet: nicht lange. ten-Neubauten machten aus möglichen Olympia-Gastgebern stattdessen mündige Heimatschützer.
Doch totzukriegen ist sie nicht, die Sehnsucht nach Olympia in den Alpen. Und so schicken sich wieder zwei Projekte an, den Status einer offiziellen Bewerbung zu erreichen: Sion im Wallis und Innsbruck in Tirol. Am 7. März entscheidet der Schweizerische Olympische Verband, ob er Sions Kandidatur ins Rennen schickt. Eine Volksabstimmung gibt es hier vorerst nicht. Einen anderen Bewerber gibt es nicht mehr, Mitte Februar stimmten 60 Prozent der Graubündner gegen die Aufnahme eines Millionenkredits, mit dem die dortige Kandidatur finanziert werden sollte.
Tirol gab eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die bis zum Frühsommer vorliegen soll. Der Fokus soll wie in Sion auf realistischen Kosten und vorhandenen Sportstätten liegen. Stützt die Studie das Vorhaben, wird auch in Tirol Volkes Stimme eingeholt. „Der Rückhalt in der Bevölkerung muss da sein. Deshalb ist es für uns nur logisch, dass wir die Bevölkerung zu diesem The-
Der Gewinn der Meisterschaft 2016 mit dem prognostizierten Kellerkind aus den East Midlands wird auf immer mit Ranieris Namen verbunden sein, und ziemlich sicher wird der 65-Jährige zeitlebens in den Restaurants der Stadt umsonst essen. Aber wer ernsthaft davon ausging, dass der thailändische KlubEigentümer in aller Seelenruhe mit Ranieri abgestiegen wäre, nur weil der halt sein Meistertrainer war, sieht den Fußball in einer Weise, wie ma befragen werden“, stellten Tirols Landeshauptmann und Innsbrucks Bürgermeisterin unisono fest.
Die Chancen, Olympia 2026 mal wieder nach Europa zu holen, sind nicht die schlechtesten. Eben weil die Spiele lange nicht mehr dort waren. Und es müssen in Europa nicht zwangsläufig die Alpen sein. Stockholm behält sich nach einer positiv ausgefallenen Machbarkeitsstudie ebenfalls eine Bewerbung vor – eine erneute Bewerbung, denn für 2022 schob die Politik noch den Riegel vor die Finanzierung. Calgary (Kanada) und Sapporo (Japan) sind weitere Konkurrenten. 2019 werden die Spiele vergeben.
Sions und Tirols Hoffnungen wollen auf die Wintersport-Tradition der Alpen und einen transparenten Realismus bei den Olympiakosten bauen. Und eben auf diese Sehnsucht, wie sie Olympiasiegerin Katja Seizinger unlängst formulierte: „Die Verbundenheit der Alpennationen mit dem Wintersport könnte bestimmt den passenden Rahmen für schöne Spiele bieten, die nicht mit Superlativen und ,unvergessenen‘ Bauwerken auftrumpfen müssen.“
Märchen mit Verfallsdatum 2016 wird Leicester City sensationell englischer
er schon lange nicht mehr ist – gerade den englischen Fußball mit Traditionsvereinen in Firmenbesitz.
Dass Star-Trainer José Mourinho („Englischer Meister und Fifa-Welttrainer des Jahres entlassen. Das ist der neue Fußball, Claudio. Kopf hoch, mein Freund! Niemand kann dir die Geschichte nehmen, die du geschrieben hast“) und Englands Ex-Stürmerstar Gary Lineker („Nach allem, was Claudio Ranieri für Leicester City getan hat, ihn jetzt zu entlassen, ist unerklärlich, unentschuldbar und herzzerreißend traurig“) Ranieri verbal beisprangen, ist dann letztlich auch nicht mehr als durchschaubarer Populismus.
Es ist wichtig, dass der Fußball Geschichten wie die von Leicesters Titelgewinn schreibt. Weil das die Emotionen sind, von denen der Fußball lebt. Es ist aber derselbe Fußball, der auch die Geschichte von Ranieris Entlassung schreibt. Den einen ohne den anderen gibt es nicht. Diese Erkenntnis schließt Romantik im Fansein nicht aus – es macht das Märchen als Moment am Ende vielleicht noch wertvoller. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de