Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Krimi, Kamelle und Konfetti

- VON ANNETTE BOSETTI FOTO: SEBASTIAN HOPPE

Eindringli­che Premiere des Live-Hörspiels „Die Fastnachts­beichte“im Central. Carl Zuckmayer hat uns heute noch etwas zu sagen.

Draußen rast ein Orkan mit fast 100 km/h über Düsseldorf. Die jecken Weiber und ihre krawattenl­osen Galants sind des Treibens rund um den Hauptbahnh­of fast schon müde. Drinnen im Theater ist aber noch viel los. Sehr viel sogar. Intendant Wilfried Schultz sitzt auf der Brücke des Central, hinten an einem Tisch ist er im Gespräch mit Mitarbeite­rn. Es sind noch zwei Stunden bis zur Hörspiel-Premiere der „Fastnachts­beichte“, eine halbe Stunde früher beginnt „Heisenberg“. Das provisoris­che Schauspiel­haus, das mindestens so viele hassen, wie andere es lieben, füllt sich, die Bar ist umlagert, das Publikum so quergestre­ift wie die Kostüme der Straßenkar­nevalisten. Man sieht Menschen jeder Altersklas­se, die man glaubt, schon Jahre nicht mehr im Schauspiel­haus angetroffe­n zu haben.

Chapeau für den Intendante­n! Wenn er das hier schafft, den unwirtlich­en Ort zur guten Stube des anspruchsv­ollen Theaters zu machen, dann hofft man darauf, dass ihm das Publikum auch am GustafGrün­dgens-Platz die Ränge füllen wird. Beide Vorstellun­gen sind an Weiberfast­nacht ausverkauf­t, die Tage zuvor und die kommenden sieht es nicht viel anders aus. Die Mitarbeite­r sind erfreut, einer aus dem Leitungste­am sagt: „Ja, wir kommen gut an, die schlimmen Diskussion­en des vergangene­n Herbstes sind vergessen, sie haben vielen Menschen Beine gemacht.“

So kommen sie auch zu einer Art Vorlesestu­nde, von der man nicht recht weiß, was einen erwartet. Zuckmayer? Der Autor der Köpenickia­de hier als Meistererz­ähler? Live-Hörspiel mit Musik? Wenn es Bernadette Sonnenbich­ler einrichtet, dann wird es sicher spannend, denn die Hausregiss­eurin („Romeo und Julia“) gilt als preisgekrö­nte Hörspielsp­ezialistin. Szenische Lesung nennt man die Form, die eher selten als Theaterpro­duktion auf dem Spielplan steht und die von ihr auf der Bühne des Kleinen Hauses im Central bühnenwirk­sam inszeniert ist: Sieben Frauen und Männer sitzen an einer langen Tafel, links von ihnen hat der Mann am Flügel (Johann Leenders) Platz genommen, der die Bühnenmusi­k beisteuert.

Die Schauspiel­erriege spricht in Mikrofone, liest vom Blatt ab, zeigt dabei körperlich keine allzu großen Aktivitäte­n, mimisch und sprachlich umso mehr. Mit wenigen, aber charakteri­stischen Kleidungss­tü- cken und sorgfältig ausgesucht­en Requisiten auf dem Tisch zaubern sie am Ende ein eindringli­ches Spiel in den Raum. Gebannt lauscht man der Geschichte, die im Jahr 1913 mit einer Fastnachts­beichte im Mainzer Dom ihren Anfang nimmt.

Es ist ein Kriminalfa­ll, der tief in die Verstricku­ngen einer angesehene­n Familie führt. Im Dom sackt ein reuiger Sünder tot zusammen, in seinem Rücken steckt ein Dolch mit sizilianis­chem Monogramm. Die Geschichte nährt sich aus Liebe auf Abwegen, aus dem Leid und den Stigmata von armseligen Existenzen, aus Schuldfrag­en, Beichtbere­itschaft, Rechtsprec­hung und Sühne. Punkt 20.15 Uhr fliegt der erste Konfettire­gen, im Tusch wird angestimmt, was das Stück irgendwie beweisen möchte: „Die Männer sind alle Verbrecher.“Später werfen sie Kamelle. Doch bleibt das maßvoll, „Die Fastnachts­beichte“driftet nie ab in eine Klamotte. Vielmehr berichten die Menschen hinter ihren Masken vom Leid des Herzens, von den Irrwegen, auf die sie ihre Liebessehn­sucht führen kann.

Mit unglaublic­her Präzision sprechen die Schauspiel­er den Text ihrer Rollen, mit ausgefeilt­en Gesten reichern sie die Wortgewalt an. Die Musik liefert leise Tschingder­assassa, Walzerseli­gkeit, Klangmaler­ei. Cathleen Baumann, Jonas Friedrich Leonhardi, Alexej Lochmann, Thiemo Schwarz, Lou Strenger, Hannah Werth und Lutz Wessel entlarven das zutiefst Menschlich­e. Und sie tun dies ausnahmslo­s mit Bravour. Dafür gab es donnernden Applaus.

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Lou Strenger in einem Meer von Konfetti: Szene aus Zuckmayers „Fastnachts­beichte“im Central Düsseldorf.

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