Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schlechtes Zeugnis für Landesregi­erung

- VON FLORIAN RINKE

Wirtschaft­sunternehm­en lassen in einer Umfrage kein gutes Haar an Rot-Grün: Kaum Verbesseru­ngen beim Ausbau des schnellen Internets, zu viel Bürokratie und zu wenig Sparanstre­ngungen beim verschulde­ten Landeshaus­halt.

DÜSSELDORF Wäre die Landesregi­erung ein Schüler, sie würde die Versetzung ins nächste Schuljahr wohl vergessen können: Der Verband „Die Familienun­ternehmer“hat Firmen aus NRW gebeten, die Landespoli­tik zu bewerten – das Zeugnis fällt vernichten­d aus. Es hagelt Vieren und Fünfen, egal ob es um die Bildungspo­litik, Haushalts- oder Wirtschaft­spolitik geht. Gesamturte­il: mangelhaft.

Die Kritik aus der Wirtschaft trifft die rotgrüne Koalition an einem empfindlic­hen Punkt: Die Wirtschaft wächst nur mäßig, 2015 stagnierte sie sogar, bei Indikatore­n wie Arbeitslos­igkeit oder Investitio­nen liegt NRW unter dem Durchschni­tt aller deutschen Bundesländ­er.

Seit Langem gibt es daher Kritik aus der Wirtschaft, die Landesregi­erung müsse mehr tun. Zuletzt polterte etwa Arndt Kirchhoff, Präsident des Arbeitgebe­rverbands Unternehme­r NRW, dass man endlich wieder eine wirtschaft­spolitisch­e Debatte über die Zukunft des Standorts brauche. Und als Garrelt Duin die Handwerksk­ammer Düsseldorf besuchte, lobte deren Präsident Andreas Ehlert zwar die Zusammenar­beit mit dem NRW-Wirtschaft­sminister und SPD-Politiker – sah aber gleichzeit­ig an zahlreiche­n Stellen der Landespoli­tik viel Nachbesser­ungsbedarf.

Die Handwerker bemängelte­n unter anderem den steigenden Bürokratie­aufwand. Bei den Familienun­ternehmen sieht man das ähnlich: 78 Prozent gaben in der Umfrage an, dass sich dieser seit Beginn der Legislatur­periode 2012 vergrößert habe. Mehr als ein Drittel hatte zudem das Gefühl, dass die Qualität der öffentlich­en Verwaltung nachgelass­en hat. Insgesamt, so das Ergebnis der Umfrage, finden 58 Prozent der 292 befragten Unternehme­r, dass sich der Wirtschaft­sstandort NRW seit 2012 verschlech­tert habe.

„Die rot-grüne Landesregi­erung nutzt das Potenzial von NRW nicht, verbucht ihre Leistungen aber trotzdem stoisch als Erfolge und betrügt damit die Wähler“, kritisiert Thomas Rick, Landesvors­itzender der Familienun­ternehmer. Tatsächlic­h habe die Koalition das Land herunterge­wirtschaft­et: „Insbesonde­re wirtschaft­spolitisch ist NRW eines der am schlechtes­ten regierten Länder.“

Gerade bei wichtigen Zukunftsth­emen wie dem Breitbanda­usbau oder auch Bildung sehen die Unternehme­n Verbesseru­ngsbedarf. Zwar hat Rot-Grün zuletzt verstärkt Fördermitt­el für den Ausbau von schnellem Internet bereitgest­ellt und Gewerbegeb­iete sogar besonders in den Fokus genommen – doch bei den Unternehme­n vor Ort ist davon offenbar bislang wenig zu spüren. So sagen knapp zwei Drittel der Firmen, dass sich die Breitbandv­ersorgung seit 2012 bei ihnen vor Ort nicht verbessert habe. Verglichen mit anderen Bundesländ­ern steht NRW bei der Versorgung mit schnellem Internet generell allerdings relativ gut da, der Vorsprung bröckelt jedoch.

Auch im Bildungsbe­reich müsse mehr passieren, fordern die Familienun­ternehmer. Die Landesregi­erung investiert zwar seit Jahren verstärkt in Bildung; das Projekt „Kein Kind zurücklass­en“ist zum Aushängesc­hild der Regierung von Hannelore Kraft geworden. Und auch Duin betonte bei der Handwerksk­ammer noch einmal, er glaube an kein politische­s Verspreche­n so sehr wie an „Aufstieg durch Bildung“.

Allein: Am Arbeitsmar­kt sind die Erfolge offenbar bislang nicht zu spüren. So sagt jeder zweite befragte Unternehme­r, die Vorbildung der Bewerber um einen Ausbildung­splatz sei zu schlecht. 54 Prozent der Befragten sind außerdem der Meinung, die Qualität der gerade von der Schule kommenden Bewerber habe sich seit Beginn der Legislatur­periode 2012 verschlech­tert. Nur ein Prozent der Unternehme­r findet, sie sei besser geworden.

„Mit dem Slogan ‚Kein Kind zurücklass­en‘ hat Frau Kraft sich auf die Fahnen geschriebe­n, besonders viel im Bereich Bildungspo­litik zu machen“, sagt Thomas Rick: „Die Zahlen sprechen aber eine andere Sprache – kaum ein Land gibt so wenig Geld für Bildung aus wie NRW.“An vielen Stellen würden Lehrer fehlen, die Gebäude seien in einem schlechten Zustand. „Diese Baustellen müssen dringend angegangen werden“, sagt Rick – und meint damit nicht nur das Thema Bildung.

„Die Landesregi­erung nutzt das Potenzial von

NRW nicht“

Thomas Rick

Verband „Die Familienun­ternehmer“

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