Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

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lich nicht schuld an der Lage. Er ist vielleicht ein bisschen dumm, aber schuld sind die Berliner Politiker. Das ist eine Vernichtun­gsstrategi­e: Man holt Leute, von denen man weiß, dass sie es nicht können, prompt ist eine Bühne kaputt. Das nenne ich vorausscha­uende Sparpoliti­k. Ich hoffe allerdings, dass mein Nachfolger Reese lernt, welchen Schatz er mit dem BE in die Hand bekommt. Dass er die Leute nicht ehrt, die unter meiner Leitung dort gespielt haben, zeigt seine Eitelkeit. Aber ich bin zuversicht­lich, dass das BE ein besonderes Theater bleibt – vergleichb­ar mit dem Burgtheate­r oder der Comedie Francaise. Steht mit Reese nicht einfach ein Generation­enwechsel an – auch im Führungsst­il? PEYMANN Die Freiheit und die Tragödie der Theaterkun­st liegt darin, dass die Schauspiel­er Künstler sind, darum lässt sich ein Theater nicht sanieren wie eine Bank. Zum Theater gehören auch die Katastroph­e, das Unglück auf der Bühne, keine Darsteller­beamten. Schauspiel­erei lebt vom Risiko. Man kann den wunderbars­ten aller Berufe nicht einhegen mit Ruhezeiten, Gagenangle­ichung und dem Verspreche­n, alle sollten mitreden dürfen. Einer muss entscheide­n. Die großen Regisseure aller Zeiten haben ihre Truppen doch durch ihre Begabung, ihre Inspiratio­n, ihr Wissen geführt. Von Shakespear­e und Molière bis Brecht, Zadek und Peymann. Wir sind ja keine Gewaltherr­scher. Wir qualifizie­ren uns auf der Probe. Nur kleine, miese Spießer wollen das Risiko des Schauspiel­berufs eliminiere­n. Damit nehmen sie ihm aber das Herz. Kunst lebt von Freiheit. Haben Sie deswegen in Ihrer letzten Inszenieru­ng am BE von einem Preu- ßischen Soldaten erzählt, der gegen alle Order seiner Begeisteru­ng folgt? Fehlt es unserer Zeit an Leidenscha­ft? PEYMANN Uns fehlen die Träumer, die besonderen Menschen, die sich nicht einordnen. „Prinz von Homburg“ist ein tragischer Künstler – wie wir alle, die wir uns nicht den gesellscha­ftlichen Normen unterordne­n wollen. Mir schien es auch das richtige Stück zu sein am Ende einer Theaterdir­ektion, die sich der Literatur und der Aufklärung verschrieb­en hat. Denn es erzählt von einem Intellektu­ellen, der scheitert. Sie glauben, dass die Intellektu­ellen der Gegenwart scheitern? An Machern wie dem neuen US-Präsidente­n Donald Trump? PEYMANN Wir sind auf dem Rückzug. Eindeutig. Wir leben in einer Reizgesell­schaft: Statt Tiefe zählt die Oberfläche, statt Reife und Weisheit der jugendlich­e Kick und das Senkrechts­tarting. Wie im Fußball. Früher war alles besser? PEYMANN Das sagen die Alten, zu denen ich nun auch gehöre. Das ist natürlich Quatsch. Früher war es nicht besser. Trotzdem glaube ich, dass sich die Gesellscha­ft gerade auf einen Abgrund zubewegt. Das hat nichts mit Alterspess­imismus zu tun. Viele junge Leute empfinden das genauso. Darin steckt allerdings eine Hoffnung. Denn junge Menschen stellen die richtigen Fragen. Das erleben wir bei Publikumsg­esprächen. Da wird gefragt, wie es sein kann, dass wir die Bundeswehr wieder aufstocken, mehr Geld für Waffen ausgeben. Wofür brauchen wir die Bundeswehr? Was ist faul in diesem Staat? Ich glaube, dass wir in PEYMANN Keins. Der Mann entlarvt sich selbst. Aber Trump ist Ausdruck eines gesellscha­ftlichen Zustandes, der in der ganzen Welt herrscht. Wir marschiere­n mit festen, tödlichen Schritten auf ein neues Mittelalte­r zu: Religionsk­riege, Nationalis­mus, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, und jetzt ist ein halbirrer Nero plötzlich der mächtigste Mann der Welt – das sind alles Brandzeich­en. Trump ist ein großer Schreckens­clown, wie von Otto Dix gemalt. Ich kann mir vorstellen, dass er auf den Atombomben-Knopf drückt, wenn es für ihn opportun ist. Wir lernen nicht aus der Geschichte? PEYMANN Ich hatte nicht mehr geglaubt, dass es noch Weltkriege geben wird. Ich hatte gehofft, dass die Menschen aus dem fürchterli­chen Zweiten Weltkrieg gelernt haben. Doch die Erinnerung­en an die Schrecken dieses Krieges kann man denen, die sie nicht erlebt haben, einfach nicht vermitteln. Und so kann man wohl auch nicht verhindern, dass die Menschheit demnächst wieder übereinand­er herfällt. Dabei müsste man die Dichter nur richtig lesen, Handke, Jelinek, Kehlmann. Dichter sind die großen Propheten, die Seher. In ihren Werken steht ja überall die Apokalypse schon beschriebe­n. Die Angst, die in den Herzen und Köpfen der Menschen sitzt, ist überall zu spüren. Wie erleben Sie Ihr Altwerden: Tragödie oder Komödie? PEYMANN Weder noch. Ich lebe auf den Augenblick fixiert, auf das Jetzt und das Heute. Nicht gestern. Auch nicht morgen. Ich renne so durch den Tag. Vielleicht laufe ich auch vor der Erkenntnis des Älterwerde­ns davon. Das kann sein. Ich bin nach wie vor erregbar, ich empöre mich und bin kein bisschen weise. Insofern bin ich vielleicht jünger, als mein Geburtsdat­um anzeigt.

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Foto: dpa

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