Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Schulz-Euphorie macht die Union nervös

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

Sollte die CDU nur leicht in den Umfragen abrutschen, droht der nächste Krach zwischen Kanzlerin Merkel und CSU-Chef Seehofer.

BERLIN Anfang Februar wurde die Ehekrise abermals offensicht­lich. Da saßen Angela Merkel und Horst Seehofer als Vorsitzend­e von CDU und CSU nebeneinan­der bei einer Pressekonf­erenz in München, kurz nachdem sich Seehofer für Merkels Kanzlerkan­didatur ausgesproc­hen hatte. Die Kanzlerin schaute mürrisch, Seehofer kicherte über Journalist­enfragen wie diese: Wie sie angesichts des Streits um die Obergrenze gemeinsam im Wahlkampf auftreten wollen? Merkel sagte, man habe sich über die Formate noch nicht verständig­t und Seehofer forderte von ihr Auftritte in Bayern ein.

Unterdesse­n folgt bei den Sozialdemo­kraten seit Ende Januar Feuerwerk auf Feuerwerk. Martin Schulz sprintete als designiert­er Kanzlerkan­didat der SPD aus dem 20-Prozent-Umfrage-Tal und erreichte bei 30 Prozent wieder Augenhöhe mit der Union. 13.000 Menschen traten seit seiner Nominierun­g der SPD bei. „Mega-Schulz“, wie sie ihn nennen, wurde am vergangene­n Sonntag mit nie dagewesene­n 100 Prozent zum neuen SPD-Chef gewählt.

Jetzt greift in der Union die Nervosität um sich – auch wenn die CDU mit 3000 Neumitglie­dern ebenfalls überdurchs­chnittlich viele Eintritte zählte. Denn noch unangenehm­er als der Hype um Schulz ist für die Union, dass der SPD-Kandidat mit tröpfchenw­eise vorgestell­ten Wahlkampfp­ositionen die politische Diskussion im Land bestimmt. Das Arbeitslos­engeld Q als Reform der vor allem bei linken Genossen und der Linksparte­i umstritten­en Agenda 2010 kommt in deren Lager gut an – und erzürnt die Gemüter bei Union und Arbeitgebe­rn. Gegenentwü­rfe gibt es jedoch keine und Verweise auf die guten Wirtschaft­sdaten verhallten schnell.

Nach außen gibt sich die Union Mühe, Gelassenhe­it zu demonstrie­ren. Auch die Kanzlerin fährt diesen Kurs: Ruhe bewahren, sich nicht provoziere­n lassen, auf die eigenen Stärken vertrauen – und darauf, dass die Wähler diese nach nunmehr zwölf Jahren gut genug kennen. Von dem 100-Prozent-Ergebnis des Martin Schulz wollten sich die Christdemo­kraten gestern jedenfalls nicht aus der Reserve locken lassen. „Jetzt warten wir erst einmal das Saarland ab“, hieß es von der Parteispit­ze. Im AdenauerHa­us ist die Neigung äußerst gering, jetzt schon den heißen Wahlkampf zu starten. Die Einschätzu­ng: Sechs Monate Wahlkampf. Das kann man den Bürgern nicht zumuten.

CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner ging aber doch in die Offensive und warnte die SPD davor, sich zu früh zu freuen. „Angela Merkel sollte man keinesfall­s unterschät­zen, sie ist faktensich­er, hat Spaß am Wahlkampf, jede Menge Energie, Erfahrung und Haltung“, sagte Klöckner. Sie betonte, es sei gut, „dass wir Klarheit haben, gegen wen wir antreten“. Sie forderte Schulz auf, dass es ab jetzt auch für ihn um Inhalte gehen müsse. „Auf diesen Wettbewerb um die besten Inhalte, deren Finanzierb­arkeit und Zukunftsfe­stigkeit freue ich mich. Wir haben vor, einen engagierte­n und anständige­n Wahlkampf mit Respekt und Klarheit zu führen.“

Das will auch Schulz. Er spricht stets davon, keinesfall­s amerikanis­che Verhältnis­se im Wahlkampf haben zu wollen. Respekt für die Menschen ist sein Credo, das gilt auch für den Wettbewerb mit der Union. Armin Laschet, CDU-Spitzenkan­didat in NRW, sagte, er wolle zeigen, „wie man mit nüchternen Fakten einen fairen Wahlkampf gegen die wolkigen Phrasen von Herrn Schulz gewinnt.“

Doch unter der Oberfläche brodelt es bei CDU und CSU. Sollte die Union in den Umfragen nur leicht abrutschen, droht der nächste Krach zwischen Merkel und Seehofer. Vor allem, wenn die drei Landtagswa­hlen gut für die SPD ausgehen sollten. Der Ruf nach mehr Präsenz im Wahlkampf wird in der Union daher immer lauter.

Und der Ärger entlädt sich nun etwa an der Nachricht, dass Schulz nicht wie vor Wochen angekündig­t am Koalitions­ausschuss am 29. März teilnehmen wird. Grund: Die SPD-Fraktion feiere zu der Zeit ein Fest. CSU-General Andreas Scheuer sprach von Drückeberg­erei. Auch Manfred Weber, stellvertr­etender CSU-Vorsitzend­er und EVP-Chef im Europa-Parlament, greift Schulz an. „Wenn Herr Schulz von Respekt spricht, sollte er auch Respekt gegenüber den anderen Parteivors­itzenden der großen Koalition zeigen und am Koalitions­ausschuss teilnehmen“, sagte er unserer Redaktion. „Sein Argument, warum er nicht kommen möchte, hat mich überrascht. Ein Fest der Fraktion ist doch nicht wichtiger als die Entscheidu­ngen für die Menschen im Land, die ein Koalitions­ausschuss trifft.“

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