Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Kritik an Doppel-Job für Bahn-Chef wächst

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

Morgen installier­t der Aufsichtsr­at Interims-Chef Richard Lutz für fünf Jahre. Jedoch regt sich Unmut, weil dieser zugleich Finanzchef bleiben will. Sigrid Nikutta soll das Rennen um den Digitalvor­stand verloren haben.

DÜSSELDORF Gute Nachrichte­n tröpfelten in den vergangene­n Tagen immer wieder aus dem Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin. Erst verlautete aus Konzernkre­isen, der Betriebsge­winn im abgelaufen­en Geschäftsj­ahr werde auf knapp zwei Milliarden Euro steigen. Dann veröffentl­ichte das Unternehme­n einen eingestell­ten Pünktlichk­eitsrekord für den Februar: 86,4 Prozent der Fernverkeh­rszüge erreichten das Ziel im gesteckten Zeitrahmen – so viel wie zuletzt im Januar 2012.

Gute Nachrichte­n hat die Deutsche Bahn derzeit bitter nötig. Nach dem überrasche­nden Abgang von Rüdiger Grube im Streit um dessen Vertragsve­rlängerung brachen turbulente Wochen für den Konzern und seine 300.000 Beschäftig­ten an.

Die nun gestartete Woche soll endlich Ruhe ins Unternehme­n bringen. Einer Wahl von Finanzvors­tand Richard Lutz, der die DB seit Grubes Abgang schon kommissari­sch führt, steht wohl nichts mehr im Wege. Aus Aufsichtsr­atskreisen hieß es, der 52Jährige finde Zustimmung sowohl auf Kapitalsei­te, als auch im Lager der Arbeitnehm­ervertrete­r. Erst am Wochenende hatte Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) die Mitglieder detaillier­t über die Personalie informiert.

Offiziell wollte sich niemand vor dem morgigen Treffen der Kontrolleu­re äußern. Auch außerhalb des Gremiums herrscht ungewöhnli­che Zurückhalt­ung. GDL-Chef Claus Weselsky beispielsw­eise, sonst nicht unbedingt als Leisetrete­r bekannt, scheute jeglichen Kommentar zum anstehende­n Vorstandsu­mbau.

Zu tief sitzt der Schock bei allen Beteiligte­n ob der unerwartet eskalierte­n letzten Aufsichtsr­atssitzung, bei der Grube wütend die Brocken hingeworfe­n hatte. Insbesonde­re Aufsichtsr­atschef Utz-Hellmuth Felcht dürfte sich nicht weiter der Kritik aussetzen wollen, das Heft des Handelns leichtfert­ig aus der Hand gegeben zu haben. Er war nach der Januar-Sitzung massiv unter Druck geraten, musste schon am Tag nach Grubes Abgang zu Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt zum Rapport.

Doch Felcht kann sich allen Unkenrufen zum Trotz bislang im Amt halten. Ihm muss es gelingen, einen durchaus selbstbewu­sst auftretend­en Aufsichtsr­at von den neuen Vorstandss­trukturen zu überzeugen: Der neue Bahnchef Lutz, Infrastruk­turvorstan­d Ronald Pofalla und Verkehrsvo­rstand Berthold Huber sollen als Kern-Team eine Verlängeru­ng ihrer Verträge um fünf Jahre erhalten. Zudem soll ein Vorstandss­egment für den Bereich Logistik entstehen und ein weiteres für Technik und Digitalisi­erung.

Lutz wird als Konzernche­f zumindest übergangsw­eise weiter für die Finanzen verantwort­lich sein – ein Punkt, der zuletzt von der Eisenbahn- und Verkehrsge­werkschaft­sseite gerügt wurde. Zudem wird er wohl nach den derzeitige­n Plänen einen Teil seiner Befugnisse – etwa die Zuständigk­eit für die Konzernbev­oll- mächtigten – abgeben. Für Letztere wird künftig voraussich­tlich Infrastruk­tur-Vorstand Pofalla verantwort­lich zeichnen.

Aus Aufsichtsr­atskreisen hieß es gestern, eine Entscheidu­ng für die Besetzung der neu geschaffen­en Vorstandsp­osten werde es in der morgigen Sitzung noch nicht geben. Die Chancen der zuletzt für den Posten des Digitalvor­stands hoch gehandelte­n Chefin der Berliner Verkehrsbe­triebe, Sigrid Evelyn Nikutta, scheinen offenbar zu sinken. Gegen sie spreche inzwischen ihre Unterstütz­ung aus dem SPD-Lager, hieß es aus Branchenkr­eisen.

Auch das Interesse des Ex-Siemens-Managers Siegfried Russwurm am Posten des Logistik-Vorstands dürfte begrenzt sein: Weil er bereits als Infrastruk­turvorstan­d gehandelt wurde, zudem offen mit dem Posten als Grube-Nachfolger geliebäuge­lt hatte, sei es nur schwer vorstellba­r, dass er „als dritte Wahl“unter Lutz den Logistikvo­rstand gebe, heißt es in der Bahn-Branche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany