Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ganz entscheide­nd war Herr Steinbrück“

- VON MICHAEL BRAUN FOTO: ACTION PRESS

Georg Funke beschuldig­t über seinen Anwalt den früheren Finanzmini­ster, für den Untergang der Immobilien­bank Hypo Real Estate verantwort­lich zu sein. Gestern begann der Prozess gegen Funke wegen Bilanzfäls­chung.

MÜNCHEN Blass, im von früher gewohnten blauen Anzug mit gestreifte­r Krawatte war Georg Funke ins Gericht gekommen. Fast zehn Jahre nach der „Tat“, die er abstreitet, hat in München gestern die strafrecht­liche Aufarbeitu­ng des größten Brockens der Finanzkris­e 2008 begonnen. Georg Funke, der frühere Chef der Immobilien­bank Hypo Real Estate (HRE), und sein ehemaliger Finanzvors­tand Markus Fell müssen sich vor dem Landgerich­t München verantwort­en. Bilanzfäls­chung lautet der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft: Die beiden hätten die Lage der Bank im Geschäftsb­ericht 2007 und für das erste Halbjahr 2008 verschleie­rt und geschönt. Die Rede war von einer „evident falschen Darstellun­g“.

Andere Vorwürfe, Untreue etwa, wurden im Zuge der Ermittlung­en fallengela­ssen. Funkes Verteidige­r Wolfgang Kreuzer sagte gestern, die meisten Vorwürfe seien „weggeschmo­lzen wie ein Eisberg im Klimawande­l“. Die Bilanzen seien intern und extern geprüft worden, Anweisunge­n zur Bilanzfäls­chung habe niemand gegeben und gefunden. Und Kreuzer ging weiter: Es sei im Gegenteil die Bundesregi­erung gewesen, die der Bank das Genick gebrochen habe – nämlich Peer Steinbrück mit seiner „sehr unbedachte­n Bemerkung, die Bank müsse abgewickel­t werden“. Steinbrück war damals Finanzmini­ster in der ersten großen Koalition unter Angela Merkel. Diese Sicht will Funke heute, am zweiten Prozesstag, detaillier­t vortragen und dazu eine „Streitschr­ift“präsentier­en. Stein- brück wollte sich zur Attacke von Funke auf Anfrage nicht äußern und verwies auf das laufende Verfahren.

Die Hypo Real Estate war in der globalen Finanzkris­e der größte deutsche Schadenfal­l. Die Steuerzahl­er mussten sie mit einer Kapitalspr­itze von 9,8 Milliarden Euro stützen. Zudem übernahm der Bund Bürgschaft­en von 124 Milliarden, auch wenn diese bislang nicht in Anspruch genommen wurden

Die HRE war einer der größten Emittenten von Pfandbrief­en, also mit Immobilien besicherte­n Anleihen. Das sind Wertpapier­e mit bis dahin tadellosem Ruf. Hätte die HRE die Anleihen damals nicht mehr bedienen können, wären andere Banken, Versicheru­ngen und Pensionska­ssen mit in die Pleite gerissen worden. Sie alle hatten Beiträge ihrer Kunden auch in dieser Wertpapier­gattung angelegt. Deshalb sprang der Staat ein. Um einen Sturm auf die Banken zu verhindern, sagten damals Kanzlerin Angela Merkel und Steinbrück: „Wir garantiere­n den Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregi­erung ein.“

Nun war das nicht alles Georg Funke schuld. Sein Problem war aber, dass er die Depfa-Bank überhaupt erworben hat und das im Herbst 2007, als die Anzeichen der Finanzkris­e schon unübersehb­ar waren. Die ehemals konservati­ve preußische Pfandbrief­anstalt war durch Privatisie­rung auf den Namen Depfa geschrumpf­t und hatte ihren Sitz nach Irland verlagert, weil dort die Bankenaufs­icht lascher war. Spezialitä­t der Depfa war, Kredite langfristi­g teuer zu vergeben und sie mit billigem kurzfristi­gen Geld zu refinanzie­ren. Sie war auf beständige Zufuhr frischer Mittel über den Bankenmark­t angewiesen. Im Zuge der amerikanis­chen Subprime-Krise, die im Juli 2007 offenbar wurde, gelang das immer weniger. Banken misstraute­n sich. So geriet die Depfa in Liquidität­snöte und riss ihre neue Eigentümer­in, die HRE, mit. Die Lage verschärft­e sich, als im Herbst 2008 die USBank Lehman Insolvenz anmeldete. Über Nacht gaben die Banken einander keine Kredite mehr.

Die Staatsanwa­ltschaft blickt aber auf die Zeit vor dem Lehman-Kollaps. Die schlechte Lage der Bank sei früh klar gewesen. Schon im März 2008 habe die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t KPMG einen „Liquidität­s-Katastroph­enplan“gefordert. Dennoch habe Funke die Lage als „stabil“dargestell­t. Und Funke habe die Bank zu einem schlechtmö­glichen Zeitpunkt gekauft. Im Falle einer Verurteilu­ng drohen den beiden Managern mehrere Jahre Haft.

 ??  ?? Der Prozess gegen den früheren Chef der Hypo Real Estate, Georg Funke, begann gestern vor dem Landgerich­t München. Der Gelsenkirc­hener wies alle Vorwürfe zurück.
Der Prozess gegen den früheren Chef der Hypo Real Estate, Georg Funke, begann gestern vor dem Landgerich­t München. Der Gelsenkirc­hener wies alle Vorwürfe zurück.

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