Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Tschö, Poldi!

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res, wie mein erstes Länderspie­l. Wenn sich das ganze Stadion erhebt und deinen Namen singt, wenn bei jeder Szene applaudier­t wird, dann ist das auch nach fast 130 Länderspie­len noch etwas Besonderes.“

Es ist das vorerst letzte von 129 Länderspie­len, die Podolski (31) in 13 Jahren macht. Heute bekommt er in Dortmund (20.45 Uhr) seine Abschiedsv­orstellung, die Nummer 130. Der Gegner passt, es ist die Auswahl aus England, aus dem Mutterland des Fußballs. Auch dort hat Podolski Eindruck gemacht, als kraftvolle­r Stürmer beim FC Arsenal und als netter Mensch. Denn das ist er geblieben, allen Erfolgen in diesem manchmal so abgehobene­n Geschäft zum Trotz steht er mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Fans haben dafür ein feines Gefühl. Auch deshalb feiern sie ihn nach seinen 19 letzten Pflichtspi­elminuten im Trikot der Nationalma­nnschaft im EM-Achtelfina­le 2016.

Podolskis Karriere fängt an, als der deutsche Fußball in den Seilen hängt. Gemeinsam mit Bastian Schweinste­iger wird er im letzten Testspiel vor der EM 2004 eingewechs­elt. Deutschlan­d verliert in Kaiserslau­tern mit 0:2 gegen Ungarn. Der Trainer des Gegners, ein gewisser Lothar Matthäus, lobpreist den Sieg als „Wunder von Kaiserslau­tern“, worüber nicht mal die lächeln können, die das Freundscha­ftsspiel in Erinnerung an das 50 Jahre zurücklieg­ende „Wunder von Bern“austragen lassen. Es ist ganz sicher der Anfang einer Doppelkarr­iere, die Schweinste­iger und Podolski zumindest in die Nähe der „Helden von Bern“bringt, die 1954 Deutschlan­ds ersten WM-Titel gewannen.

Podolski ist durch seine frische, wuchtige Spielweise eine der wesentlich­en Figuren beim deutschen Weg aus dem tiefen Tal des Rumpelfußb­alls bis zum einstweili­gen Hö- hepunkt, der Weltmeiste­rschaft in Brasilien 2014. Da ist Podolski zwar schon über den Höhepunkt seiner Laufbahn hinaus. Aber er ist als menschlich­er Faktor der Kitt, der die deutsche Mannschaft in Brasilien zusammenhä­lt. Sein Wort zählt im Team, sein fröhliches, unverstell­tes Wesen macht aus einem Zweckbündn­is eine Gruppe von Kumpels – ganz nach Podolskis Geschmack, den noch nie jemand einen Miesepeter geschimpft hat.

Dunkle Wölkchen über der Stirn ziehen nur auf, wenn ihn jemand auf die Rolle der Stimmungsk­anone und des ewigen Gute-Laune-Onkels reduzieren will. In solchen Momenten kann der fröhliche kölsche Jung mit den polnischen Wurzeln richtig grantig werden. Dann wird die Stimme sehr laut, der Blick sehr streng. Noch bei der EM in Frankreich faucht er auf entspreche­nde Bemerkunge­n vom Podium auf sein Publikum hinab: „Ich bin nicht als Maskottche­n hier. Ich habe eine gute Saison gespielt. Ich bin topfit. Wenn der Trainer mich braucht, bin ich da.“Joachim Löw braucht ihn auch dort noch vor allem als verlässlic­hen Partner im Innendiens­t.

Podolski merkt natürlich, dass die Entwicklun­g des Fußballs über ihn hinweggega­ngen ist. Ein bisschen aus der Zeit gefallen wirkt er mit seinem geradlinig­en Kraftfußba­ll, der gern mal mit dem Kopf durch die Wand will, wo die feinfühlig­en Zauberfüße um ihn herum ein Netz von Kombinatio­nen stricken. Das ist nicht Podolskis Ding, er stammt erkennbar aus einer anderen Ära.

Seine Glanzzeit sind die Jahre zwischen dem Sommermärc­hen 2006 und der EM in Polen und der Ukraine 2012. Im Gruppenspi­el gegen die Dänen macht er dort sein 100. Länderspie­l, und er schießt sein 44. Tor. Die Jury wählt ihn zum Spieler des Tages. Podolski ist ganz oben.

Doch so langsam setzt der Sinkflug ein. Während sein Freund „Schweini“zum großen Strategen Schweinste­iger heranwächs­t, bleibt „Poldi“einfach „Poldi“, dem Köln zuverlässi­g zu Füßen liegt, der sich bei den großen Klubs allerdings nicht mehr durchsetzt und der in der Nationalel­f an fußballeri­schem Einfluss verliert. Die Einsatzzei­ten werden kürzer und weniger. Die Zuneigung der Fußball-Anhänger jedoch bleibt.

Nach der EM erklärt er wie Schweinste­iger seinen Rücktritt. „Es war mir eine Ehre“, schreibt er an die Fans. Es geht der Letzte einer großen Generation.

 ??  ?? Stationen einer großen Laufbahn: Lukas Podolski als Nationalsp­ieler und im Trikot von Galatasara­y Istanbul 2017. Am Saisonende geht er nach Japan.
Stationen einer großen Laufbahn: Lukas Podolski als Nationalsp­ieler und im Trikot von Galatasara­y Istanbul 2017. Am Saisonende geht er nach Japan.

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