Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

JAENICKE „Ich habe immer die Klappe aufgemacht“

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Der Schauspiel­er ist heute auf Sat.1 in einer Familienko­mödie zu sehen. Ein Gespräch über Eishockey, Donald Trump und Mut zur eigenen Meinung.

Sie spielen im Film „Bodycheck“einen alleinerzi­ehenden EishockeyC­oach. Was hat Eishockey, was Fußball nicht hat? JAENICKE Es ist schneller, härter, spannender. Für ungeduldig­e Menschen wie mich ist Fußball zu langsam. Beim Eishockey wird nach einem Sturz oder Foul nicht dauernd gewimmert und geschauspi­elert. Sie sind in den USA aufgewachs­en, da ist Eishockey ja auch Volkssport. JAENICKE Ja, vor allem in Pittsburgh, wo wir gelebt haben, sind die ‚Penguins’ eine legendäre Mannschaft. Und in Kanada ist es fast eine Religion. Bei uns gibt es nur die Monokultur Fußball, das finde ich schade. Das eigentlich­e Thema des Films ist aber ein anderes, oder? JAENICKE Ja, es geht um die Rollenbild­er, die die Gesellscha­ft heutzutage Frauen aufdrückt, vor allem jungen Frauen und Mädchen. Meine 13-jährige Filmtochte­r heißt Nic, trägt Boots, benimmt sich lieber wie ein Junge als wie ein Mädchen und liebt einen harten Männerspor­t, Eishockey. Sie muss in einer Welt klarkommen, die junge Mädchen in ein fatales Rollenmust­er zwingt. Warum? JAENICKE Die Mode- und Textilindu­strie, die TV-Branche, die ganzen Frauen- und Modezeitsc­hriften promoten ungesund dünne Mäd- chen, die schon mit zwölf dickes Make-up tragen. Hungerhake­n sind das Ideal. Shows wie die von Heidi Klum fördern doch Essstörung­en und Hungerkure­n. Kein Wunder, dass fast ein Fünftel aller Mädchen unter Magersucht oder Bulimie leidet. Damit setzt sich unser Film mit Herz und Witz auseinande­r. Aber es gibt doch Shows mit molligen Models, Konzern-Kampagnen, die auf „Normalo“-Figuren setzen. JAENICKE Das sind die Ausnahmen. Frauen werden in vielen Bereichen in Schubladen gesteckt, die mit einer modernen, emanzipier­ten Gesellscha­ft nichts zu tun haben. Sagt ein Mann, der in vielen Filmen den Macho gegeben hat. JAENICKE Ich bin kein Macho. Ich meine das ernst. Frauen werden auch in Deutschlan­d immer noch schlechter bezahlt als Männer. In den Chef-Etagen sitzen immer noch keine Frauen. In den USA wird ein Mann Präsident, der Frauen zu Sexual-Objekten degradiert. In Indien, China und in afrikanisc­hen Ländern sind Frauen Lichtjahre von Gleichbere­chtigung entfernt. Die Weltgesund­heitsorgan­isation geht davon aus, dass weltweit bis zu 150 Millionen Frauen von Genitalver­stümmelung betroffen sind. Nur in einem verschwind­end kleinen Teil der Welt haben Frauen die gleichen Rechte wie Männer. Eine große Botschaft für einen kleinen Fernsehfil­m? JAENICKE Ich bin fest davon überzeugt, dass die Komödie die beste Form ist, um ernste Botschafte­n unters Volk zu bringen. Lachen öffnet nicht nur den Mund. Sie spielen wieder einen alleinerzi­ehenden Vater. Ist das Zufall? JAENICKE Es macht einen Höllenspaß, Männer zu spielen, die alles richtig machen wollen und dann umso mehr falsch machen. Ich kenne im privaten Umfeld mehrere alleinerzi­ehende Väter, die zwar einen großartige­n Job machen, die aber auch chronisch überforder­t sind. Frauen sind da weiter, routiniert­er, geübter. Aber bei Männern ist es lustiger, weil sie mit ihrem Pragmatism­us und ihrer LösungsOri­entierthei­t so viel verbocken. Sie sind Deutsch-Amerikaner und leben mehrere Monate pro Jahr in den USA. Hat sich das Land unter Trump verändert? JAENICKE Es gibt zum Glück Bundesstaa­ten, die Trump nicht gewählt haben, wie meine zweite Heimat Kalifornie­n. Unser Gouverneur hat sofort nach der Wahl gesagt, dass es mit ihm Deportatio­nen von Zuwanderer­n nicht geben wird. Und es gibt ja Widerstand. Ich war bei dem „Women’s March“gegen Trump. 250.000 Menschen sollen dabei gewesen sein, so viele wie seit den Bürgerrech­tsmärschen der 60er nicht mehr. Wie sollten wir mit Trump umgehen? JAENICKE Aussitzen. Aushalten. Demonstrie­ren. Wir haben acht Jahre George W. Bush überstande­n, wir werden auch Trump überstehen. Sie gehören zu den wenigen Schauspiel­ern, die sich einmischen in gesellscha­ftliche Debatten. JAENICKE Es gibt viele engagierte Kollegen, schauen Sie auf Iris Berben, Wolfgang Niedecken, Peter Maffay, Ulrike Folkerts, Thomas D. Aber es stimmt schon: Viele prominente Schauspiel­er wollen nicht anecken. Vielleicht haben sie Angst vor den Politikern in den Fernsehgre­mien, vor den Reaktionen des Publikums. Ich habe immer die Klappe aufgemacht, ich bin halt so. Til Schweiger auch. JAENICKE Ja, ich finde das richtig. Er könnte manchmal vielleicht etwas weniger impulsiv sein, aber generell ist mir Til lieber als Stars, die den Mund gar nicht aufmachen. Wen meinen Sie? JAENICKE Ein Beispiel wäre Helene Fischer. Sie ist in Russland geboren. Stellen Sie sich mal vor, sie würde sich zur Flüchtling­sthematik, zu Putin, zur Syrien- oder Ukraine-Krise äußern. Sie hätte mit ihrer gewaltigen Fangemeind­e richtig Einfluss. In den USA gibt es Redford, Streep, DiCaprio, Clooney, Springstee­n, Damon. Das ist eine Bewegung. Sie wurden auch mal verhaftet? JAENICKE Ja, in Bonn musste ich nach einer Friedensde­mo in den 80ern eine Nacht in U-Haft. Das war für uns damals eine Auszeichnu­ng. Spüren Sie einen Rechtsruck in Deutschlan­d? JAENICKE Nein, eher einen Populisten-Ruck, siehe Petry, Gauland, Seehofer. Aber es gibt viele Gründe, stolz auf dieses Land zu sein. Ein Häuflein der ewig Braunen gab es immer. Früher hießen sie Schönhuber, heute Höcke oder von Storch. Der Durchschni­ttsdeutsch­e ist ein liberaler und weltoffene­r Mensch. MICHAEL BRÖCKER FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

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FOTO: IMAGO

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