Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Flexible Arbeitswel­ten ohne festen Platz

- VON NICOLE KAMPE

Vor fünf Jahren reduzierte Siemens in Düsseldorf die Zahl der Schreibtis­che. Auch bei Vodafone suchen sich Mitarbeite­r ihre Arbeitsort­e täglich neu aus.

430 Schreibtis­che stehen im Büro der Düsseldorf­er Siemens-Niederlass­ung, 600 Menschen arbeiten für das Unternehme­n. Für die meisten von ihnen heißt das: Sie haben keinen festen Arbeitspla­tz. Um genau zu sein, kommen 1,3 Menschen auf einen Platz. Siemens hat vor fünf Jahren die flexible Arbeitswel­t eingeführt, „mit einer Clean-Desk-Politik“, sagt Unternehme­nssprecher Georg Lohmann. Fotos vom Hund oder den Kindern gibt es nicht mehr auf den Schreibtis­chen, sie werden abends geleert, Unterlagen können in einem persönlich­en Schließfac­h untergebra­cht werden. Wer morgens ins Büro kommt, der sucht sich einen freien Tisch. „Es war eine Umstellung, auf den eigenen Schreibtis­ch zu verzichten“, sagt Ingenieur Jürgen Brombeis. Jetzt aber gebe es kein Chaos mehr, „alles ist an seinem Platz“, sagt Brombeis. Einzig ein Bildschirm steht auf der Arbeitsflä­che, an den sich die Kollegen mit ihrem Laptop anschließe­n können.

„Die Situation hier ist eine besondere, weil die Mitarbeite­r überwiegen­d vertriebli­ch orientiert sind“, sagt Lohmann. Das heißt, sie sind viel unterwegs, arbeiten direkt beim Kunden. Vor Einführung des Modells hat das Unternehme­n die Bedingunge­n untersucht, Krankheit und Urlaub der Mitarbeite­r berücksich­tigt. Schreibtis­che standen oft leer, „so sind wir auf die SharingQuo­te 1,3 gekommen“, sagt der Sprecher. Dass es einmal zu wenig Arbeitsplä­tze gegeben hat in den letzten fünf Jahren, das ist Lohmann nicht bekannt. Im Gegenteil: „Die Kollegen sind jederzeit in der Lage, im Siemens-Netz ihre Arbeit zu machen.“Ob in der Kantine, im Bistro oder draußen, wenn das Wetter mitspielt. Außerdem sei in der Vertriebsv­ereinbarun­g festgehalt­en worden, dass 20 Prozent der Arbeitszei­t von zu Hause oder unterwegs erfüllt werden kann.

Christian Dries, Professor für Wirtschaft­spsycholog­ie an der Hochschule Fresenius, findet das Modell prinzipiel­l gut, „auch wenn es kein Universalm­odell ist“. Er selbst ist ein Anhänger moderner Bürowelten, „wir selbst haben Hybridarbe­itsplätze.“Aber es gebe auch Kollegen, die extra früher kommen würden, um am immer selben Platz sitzen zu können. „Manche Menschen fahren besser mit der Abgrenzung von Arbeitspla­tz und Privatlebe­n“, sagt Dries. Anderen wiederum sei es wichtig, dass die Welten ineinander übergehen. „Es ist notwendig, dass die Psyche den Arbeitspla­tz findet“, meint der Profes- sor, eine Arbeitswel­t nicht aufgezwung­en werde. Und das Privatlebe­n dürfe natürlich nicht leiden.

Auch Vodafone hat vor drei Jahren das Modell eingeführt. „Wir hatten immer leerstehen­de Büros und Tische“, sagt Volker Petendorf, Unternehme­nssprecher. Beruf und Privatlebe­n unter einen Hut zu bringen, das sei den Vodafone-Mitarbeite­rn wichtig. „Und dafür braucht man heute keine festen Büros mehr.“

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