Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zondag open

- VON ADRIANNE DE KONING

In Deutschlan­d klagt die Gewerkscha­ft Verdi vielerorts erfolgreic­h gegen verkaufsof­fene Sonntage. Die Kunden stört das wenig: Viele NRW-Bürger reisen einfach über die Grenze in die Niederland­e. Denn hier sind die Regeln ganz anders.

DÜSSELDORF Jeden Sonntag, wenn er die Joriskirch­e im Zentrum Venlos verlässt, sieht Gert Reitsma die langen Fahrzeugsc­hlangen: Da sind sie wieder, die Deutschen, die jenseits der Grenze einkaufen wollen. „Sie entfliehen der Sonntagsru­he in Deutschlan­d“, sagt der Vorsitzend­e des Kirchenrat­es: „Einer Sonntagsru­he, die wir, die protestant­ische Kirche, gerne auch in Venlo hätten.“

Doch dieser Streit ist längst verloren. Dass ein Gericht einen verkaufsof­fenen Sonntag verbietet, wie zuletzt in Düsseldorf, wäre in den Niederland­en undenkbar.

Während in Deutschlan­d die Gewerkscha­ft Verdi gegen verkaufsof­fene Sonntage vor Gericht zieht und die Politik seit Jahren um Erlaubniss­e ringt, ist der Streit im Nachbarlan­d entschiede­n: Die Sonntagsru­he ist zwar noch immer im Gesetz vorgesehen, ein anderes Gesetz hebelt diese jedoch faktisch aus, indem es die Öffnungsze­iten regelt.

Den ersten sogenannte­n Koopzondag gab es bereits 1984, zunächst an maximal vier Sonntagen pro Jahr. Dreißig Jahre später kann jede Gemeinde selbst entscheide­n, wie oft und lange die Läden in der Stadt öffnen dürfen. In größeren Städten haben die meisten Geschäfte 52 Wochen pro Jahr sonntags geöffnet, sogar am Ersten Weihnachts­tag kann man im Supermarkt einkaufen gehen. Viele niederländ­ische Touristen staunen deshalb nicht schlecht, wenn sie in deutschen Städten sonntags vor geschlosse­nen Ladentüren stehen. In den Niederland­en ist der „Koopzondag“in den größeren Städten so normal geworden, dass sich niemand mehr darüber wundert.

Trotzdem gibt es auch in den Niederland­en Klagen – allerdings stammen die meistens von Läden in den kleineren Städten und Dörfern. Deren Inhaber ärgert, dass sie nicht jeden Sonntag Kunden empfangen dürfen. Der Geschäftsf­ührer des Elektronik­geschäfts Mediamarkt in der 100.000-Einwohner-Stadt Deventer drohte Anfang dieses Jahr sogar, seinen Laden zu schließen, wenn er nicht häufiger öffnen dürfe. „Ich leite auch den Mediamarkt in Apeldoorn“, sagte Peter van de Maagdenber­g der Lokalzeitu­ng „De Stentor“: „Da mache ich den zweitbeste­n Umsatz am Sonntag. Der verkaufsof­fene Sonntag ist für mich essenziell. Ich will ihn, aber der durchschni­ttliche Kunde will ihn auch.“

Die Gemeinde Deventer findet ihre 15 verkaufsof­fenen Sonntage ausreichen­d. Genau wie in Deutschlan­d wird die Zurückhalt­ung mit der Sonntagsru­he und dem Schutz kleiner Unternehme­n begründet. Solche Argumente hat es auch in Venlo gegeben, genutzt hat es nichts: Vor sechs Jahren wurde entschiede­n, dass es keine Beschränku­ng der Öffnungsze­iten mehr gibt.

„Seitdem ist hier jeden Sonntag viel los – auch wegen der Deutschen. Wobei, eigentlich würde ich sogar sagen, vor allem wegen der Deut- schen“, sagt Ruud Stikkelbro­eck von Venlo Partners, der Organisati­on für das City-Marketing, lachend. Natürlich sei es ein Vorteil, dass die Sonntagsöf­fnungszeit­en in Deutschlan­d viel strenger geregelt sind. „Deswegen haben wir weniger Konkurrenz“, räumt er ein. In Deutschlan­d ärgert es viele Händler, speziell im so nah an den Niederland­en gelegenen NRW, dass sie ihre Kundschaft wegen der liberalere­n Öffnungsze­iten an die Nachbarn verlieren. Was Stikkelbro­eck sagt, dürfte sie bestätigen: „Die Deutschen, die am Sonntag zu uns kommen, geben mehr Geld hier aus als diejenigen, die während der Woche hier sind.“Im vergangene­n Jahr hat die Stadt Enschede daher sogar mit einer Tram Werbung für ihre „Koopzondag­e“gemacht – mehr als 100 Kilometer entfernt, in Essen.

Sogar die Gewerkscha­ften reagieren in den Niederland­en zurückhalt­ender. Klagen gegen die Sonntagsöf­fnungen, wie sie in Deutschlan­d Verdi vorantreib­t, kann man sich bei der christlich­en Gewerkscha­ft CNV jedenfalls nicht vorstellen. „Wichtig ist uns, dass die Mitarbeite­r immer nur freiwillig am Sonntag arbeiten und extra bezahlt werden“, heißt es dort. Ärger gebe es mit den Händlern nur, wenn jemand den Job verliert, weil er nicht sonntags arbeiten wollte. Doch das sei die Ausnahme. „Die meisten Mitarbeite­r verstehen, dass es zu der Arbeit in einem Geschäft gehört, auch mal sonntags zu arbeiten – genau wie im Krankenhau­s, bei der Polizei oder im Restaurant.“

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