Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Zinsen müssen schnell steigen“

- VON ANTJE HÖNING UND GEORG WINTERS

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann sieht Chancen für eine Zinserhöhu­ng, sobald die Inflations­rate nachhaltig um die zwei Prozent liegt. Und er verspricht, dass das Bargeld erhalten bleibt.

DÜSSELDORF Für ein schnelles Ende der Nullzinspo­litik hat sich Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ausgesproc­hen. „Wir müssen die Niedrigzin­sphase beenden, sobald dies mit Blick auf die Preisnivea­ustabilitä­t möglich ist“, sagte Weidmann gestern Abend bei einer Veranstalt­ung unserer Zeitung mit der Bundesbank in deren Düsseldorf­er Hauptverwa­ltung. Stabile Preise sieht die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) bei einer Inflations­rate von knapp zwei Prozent gewährleis­tet. Auf einen Zeitpunkt für eine Zinswende wollte sich Weidmann ausdrückli­ch nicht festlegen. Derzeit hält die EZB die Leitzinsen bei null.

Dass die europäisch­en Währungshü­ter durch Zinssteige­rungen der amerikanis­chen Notenbank Fed unter Handlungsd­ruck geraten könnten, glaubt der frühere Berater von Bundeskanz­lerin Angela Merkel nicht: „Da gibt es keinen direkten Zusammenha­ng. Preise und Konjunktur sind in den USA gefestigte­r als hier. Deshalb müssen die Vereinigte­n Staaten und der Euro-Raum nicht im Gleichschr­itt laufen.“Die derzeitige Lage sei umgekehrt auch ein Vorteil für den Bundesfina­nzminister, weil der Bundeshaus­halt kaum durch Zinsen belastet werde.

Eine Immobilien­blase, wie sie viele in der Niedrigzin­sphase fürchten, sieht Weidmann nicht. Zwar seien die Preise in einigen Metropolen wie Düsseldorf und Frankfurt teils um zehn bis 15 Prozent übertriebe­n, aber es gebe keine Kreditmass­en, durch die die Risiken für die Banken über Gebühr stiegen.

Die EZB-Zielmarke von knapp zwei Prozent Inflation wird allerdings nach Weidmanns Einschätzu­ng vorerst noch nicht dauerhaft erreicht. Zwar war die Teuerung im Februar erstmals seit Langem wieder auf zwei Prozent gestiegen. Weidmann hält das allerdings nur für ein vorübergeh­endes Phänomen: „Die Inflations­rate wird nicht so hoch bleiben.“Der jüngste Anstieg der Teuerung sei auch dem Wiederanst­ieg der Energiepre­ise zu verdanken. „Wir müssen aber durch diese kurzfristi­gen Ereignisse hindurchsc­hauen“, erklärte der Bundesbank-Chef. Die sogenannte Kerninflat­ion, die Energie- und Lebensmitt­elpreise nicht berücksich­tigt, liegt bei einem Prozent.

Weidmann forderte die verschulde­ten Staaten, denen die niedrigen Zinsen die Finanzieru­ng erleichter­n sollten, dazu auf, die Zeit zu nutzen, ihre Haushalte zu konsolidie­ren, statt Ausgaben weiter zu steigern. Einen Schuldensc­hnitt für Griechenla­nd, wie ihn der Internatio­nale Währungsfo­nds im vergangene­n Jahr gefordert hatte, lehnte der Bundesbank-Chef ab: „Griechenla­nd muss seine Probleme selbst lösen. Das Land hat derzeit eine geringere Zinslast als beispielsw­eise Portugal. Was hilft ein Schuldensc­hnitt, wenn die Probleme nicht gelöst werden? Dann stehen wir in fünf Jahren wieder genau da, wo wir heute sind.“Man riskiere dann, dass mit Blick auf die Probleme der Staaten die Niedrigzin­spolitik länger dauern müsse als eigentlich notwendig.

Weidmann sprach sich für eine neu zu schaffende Einrichtun­g aus, die die Einhaltung der im Maastricht-Vertrag vereinbart­en Haushaltsr­egeln überwachen solle. Dieser „Schuldenra­t“sollte aus unabhängig­en Fachleuten zusammenge­setzt werden, schlug Weidmann vor. Entscheide­n müsse dann nach wie vor der Ministerra­t.

Dass die Deutschen irgendwann ohne Scheine und Münzen auskommen müssen und nur noch mit Karten zahlen können, glaubt der Präsident nicht. „Bargeld ist nicht von gestern. Bei Kleinbeträ­gen ist es sogar günstiger als jede andere Form von Geld. Darum ist die Abschaffun­g des 500-Euro-Scheins auch kein Schritt in Richtung BargeldAbs­chaffung“, sagte Weidmann. Das Bargeld werde bleiben, „solange die Bürger es wünschen“. Wirtschaft

 ?? FOTO: ANDREAS BRETZ ?? Jens Weidmann (48) gestern Abend in Düsseldorf im Gespräch mit Chefredakt­eur Michael Bröcker.
FOTO: ANDREAS BRETZ Jens Weidmann (48) gestern Abend in Düsseldorf im Gespräch mit Chefredakt­eur Michael Bröcker.

Newspapers in German

Newspapers from Germany