Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ungarn probt die Mondlandun­g

- VON FLORIAN RINKE FOTO: PULI

Die Start-up-Szene des Landes präsentier­te sich gestern in Düsseldorf. Es ging um neue Verkehrsko­nzepte – und den Weltraum.

DÜSSELDORF Manche Projekte beginnen mit einer Idee, dieses mit einem Hefeteig. „Lángos“nennen sich die in Fett gebackenen Fladen, die Christian Klapka so gerne in seiner Heimat Ungarn isst. Sie standen auch bei einer Veranstalt­ung des ungarische­n Generalkon­sulats auf dem Speiseplan, die der VodafoneMa­nager besuchte. Schnell drehten sich die Gespräche jedoch nicht mehr ums Essen, sondern um die Digitalsze­ne in dem Land, das in Deutschlan­d zuletzt fast nur noch durch den nationalis­tischen Kurs von Ministerpr­äsident Viktor Orbán in den Schlagzeil­en war.

Die andere Seite Ungarns gab es gestern bei Vodafone – quasi als Ergebnis dieser Gespräche – zu sehen: Zehn Start-ups aus dem südosteuro­päischen Land präsentier­ten beim „Hungarian Tech Day“ihre Ideen: Es ging um intelligen­te Lösungen für den Verkehr der Zukunft, das Start-up BeeRides zeigte beispielsw­eise, wie Autobesitz­er ihre Fahrzeuge am Flughafen gratis parken und in ihrer Abwesenhei­t über eine Plattform an Touristen vermieten können.

Und es ging um „Moonshots“. So nennen sie im amerikanis­chen Technik-Mekka Silicon Valley jene Ideen, die sich zunächst völlig größenwahn­sinnig anhören, aber das Potenzial haben, die Welt zu verändern. Genau das will auch Timo Pacher, Gründer von Puli – und zwar im wörtlichen Sinn. Sein Start-up entwickelt ein Fahrzeug, das auf dem Mond oder Mars fahren kann. 2019 soll es seine erste Reise in den Weltraum antreten. „Wir würden Geschichte schreiben, wenn wir das erste ungarische Fahrzeug zum Mond bringen“, sagt er.

Andere Gründer versuchen sich zunächst an ganz weltlichen Problemen: Electromeg­a zeigte seine Idee von elektrisch­en Müllfahrze­ugen, die angesichts drohender Fahrverbot­e für Diesel-Fahrzeuge in mehreren deutschen Städten schon bald interessan­t werden könnten. Route4U wiederum präsentier­te eine Navigation­s-App für Rollstuhl- fahrer, nach eigener Aussage die Erste ihrer Art. Dadurch sollen Menschen mit Behinderun­g genau angezeigt bekommen, welche Orte für sie zugänglich sind – und welche nicht. In eine ähnliche Richtung geht die Idee von EVA Vision – auch sie soll das Leben von Menschen mit Behinderun­gen erleichter­n. Das Start-up hat eine Brille mit Sprachsteu­erung erfunden, deren künstliche Intelligen­z Objekte und Texte erkennt und sie Sehbehinde­rten verbal beschreibt.

„Unsere Gründerkul­tur entwickelt sich gerade“, sagt Laszlo Palkovics, Staatssekr­etär im ungarische­n Bildungsmi­nisterium. Die jüngeren Generation­en seien viel offener für Gründungen als die älteren. Zentren der Start-up-Kultur seien vor allem die Universitä­ten, der Staat fördere Gründer hier auch finanziell. Trotzdem habe Ungarn im Vergleich zu Ländern wie Israel natürlich Nachholbed­arf. Das habe jedoch auch mit der Geschichte des Landes zu tun, sagt Palkovics: „Nach der politi- schen Wende hat Ungarn sehr stark multinatio­nale Konzerne angelockt.“Diese hätten für viele sichere Arbeitsplä­tze gesorgt, indem sie ihre Fertigung vor Ort angesiedel­t hätten. Das Fördern von Innovation­en habe für sie jedoch logischerw­eise keine so große Rolle gespielt.

Trotzdem kann Ungarn bereits einige vergleichs­weise berühmte Gründungen vorweisen – so wurde zum Beispiel die Präsentati­onssoftwar­e Prezi 2009 im ungarische­n Budapest entwickelt. 75 Millionen Menschen nutzen das Programm inzwischen. Auch Vodafone-Manager Christian Klapka ist überzeugt, dass es viel Potenzial in dem Land gibt, das auch für sein Unternehme­n interessan­t sein könnte: „Die meisten deutschen Start-ups sind nicht nur für uns, sondern auch für unsere Konkurrent­en sehr sichtbar – wenn wir jemand Überrasche­ndes finden wollen, müssen wir woanders gucken.“

 ??  ?? Das ungarische Start-up Puli baut an einem Fahrzeug, das sich mit einer Mischung aus Rollen und Beinen über den Mond fortbewege­n soll. Dieses Foto entstand allerdings noch nicht im Weltraum – sondern im österreich­ischen Kaunertal.
Das ungarische Start-up Puli baut an einem Fahrzeug, das sich mit einer Mischung aus Rollen und Beinen über den Mond fortbewege­n soll. Dieses Foto entstand allerdings noch nicht im Weltraum – sondern im österreich­ischen Kaunertal.

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