Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Profis am Bildschirm

- VON TIM HARPERS FOTOS: HERSTELLER/MONTAGE: FERL

Die Deutsche Fußball Liga lässt eine virtuelle Bundesliga austragen. Für die Spieler geht es um Profivertr­äge und viel Geld. Schalke 04 und der VfL Wolfsburg unterhalte­n sogar eigene E-Sport-Teams. Zu Besuch bei einem Turnier in Köln.

KÖLN Ilka Svensen steht in Lederjacke, Jeans und weiß-pinken Sneakern mit Leoparden-Print ein wenig verloren vor den alten Hallen am Kölner Zollhafen. Sie ist auf der Suche nach ihrem Bruder, trägt einen großen runden Filzhut, an ihren Ohren funkeln mit Kristall-Brilliante­n besetzte Ohrringe. „Wow“, sagt sie an einen durchtrain­ierten jungen Cappyträge­r gerichtet, der mit zwei anderen jungen Männern vor der Türe des Sport- und Olympiamus­eums steht und raucht. „Ihr seid E-Sportler?“, fragt sie. „Im Ernst? Das kann ich nicht glauben. Ihr seid doch gar nicht dick!“

Im Inneren der alten Hafenanlag­e geht es an diesem traumhafte­n Frühlingst­ag geschäftig zu. Für die Sonne haben die rund 150 jungen Männer, die sich hier für die Finalrunde der Virtuellen Bundesliga qualifizie­ren wollen, allerdings keine Augen. Sie starren wie gebannt auf die 32 Flachbilds­chirme, die auf vier Konsolentü­rme verteilt in der Halle aufgestell­t sind. Darauf zu sehen sind Spielszene­n der Fußballsim­ulation, die den gleichen Namen trägt wie der Fußball-Weltverban­d: Fifa.

Die Deutsche Fußball Liga lässt seit fünf Jahren die virtuelle Bundesliga ausspielen. Partner ist dabei der Videospiel­riese Electronic Arts, der die Fifa-Serie entwickelt hat. In diesem Jahr nehmen rund 200.000 Spieler an den Online-Runden teil. Die sechs Besten qualifizie­ren sich fürs Finale, das am 15. und 16. April im Deutschen Fußball Museum in Dortmund ausgetrage­n wird. Das Turnier in Köln gehört zu einer Reihe von vier Offline-Wettbewerb­en, in denen noch einmal jeweils zwei Finalplätz­e vergeben werden. Dieser Modus soll sicherstel­len, dass Elitespiel­er, die keine Zeit für die zeitintens­ive Online-Qualifikat­ion haben, die Möglichkei­t bekommen, im Finale dabeizusei­n.

An den Konsolen im Raum geht es ernsthaft zu. Immer wieder sind Jubelschre­ie und Flüche zu hören. Ein Freizeitsp­aß ist das Videospiel für viele der Teilnehmer längst nicht mehr. Es geht um Profivertr­äge mit festem Gehalt. Einige Spieler trainieren bis zu acht Stunden täglich, um ihr Niveau zu halten. Dem Ge- winner des Final-Turniers in Dortmund winken 15.000 Euro Preisgeld und außerdem die Chance, sich über ein europäisch­es Auswahltur­nier für die Weltmeiste­rschaft zu qualifizie­ren, die im Herbst in Berlin ausgetrage­n wird. Wer es dorthin schafft, kämpft um eine Siegprämie von 150.000 Euro. Die Übergabe des Meisterpok­als erfolgt im Rahmen der Verleihung des Ballon d’Or, der Auszeichnu­ng für den Weltfußbal­ler des Jahres – ein Zeichen dafür, welchen Stellenwer­t der Fußball-Weltverban­d seinem virtuellen Ableger mittlerwei­le beimisst.

Für Tim Schwartman­n ist Videospiel­en Sport. Und er muss es wissen. Denn er gehört zur den besten Spielern seiner Zunft. Schwart- mann ist Teil des fünfköpfig­en ESport-Teams des FC Schalke 04. „Stundenlan­ges Training, Konzentrat­ion über lange Phasen, die Reflexe – wenn das kein Sport ist, was denn dann?“, fragt er einen seiner Kollegen. Der Schalker steht kurz vor seinem ersten Turnierspi­el und lockert deshalb noch einmal seine Finger. Er setzt sich auf einen weißen Barhocker. Dann nimmt er den Controller in die Hand. Die Mannschaft­en werden ausgewählt, die Kontrahent­en nicken sich zu, und dann geht es schon los. Zwei mal sechs Minuten dauert eine Begegnung. Die Finger der beiden Gamer fliegen in einer atemberaub­enden Geschwindi­gkeit über die Controller. Am Ende besiegt Schwartman­n seinen Kontrahent­en knapp mit 3:2. Schweißtro­pfen stehen auf seiner Stirn. Sein Zipper mit dem eingestick­ten Schalke-Emblem auf der Brust ist zerknitter­t. „Wow“, sagt er und verzieht in Richtung seines Gegners anerkennen­d das Gesicht. Dann blickt er seinen Kumpel an. „Und du sagst mir, das sei kein Sport.“

Bis zum Abend spielt sich der Schalker souverän bis ins Finale. Zu seinem großen Pech wartet dort in Kevin Assia einer der besten FifaSpiele­r der Welt auf ihn. Auch er ist Profi, gesponsert vom E-SportTeam Expert. Schwartman­n unterliegt ihm nach zwei engen Spielen mit 1:2 (1:1, 0:1).

Ilka Svensen hat ihren Bruder mittlerwei­le ausfindig gemacht. „Okay“, sagt sie. „Ich hatte Vorurteile. Die meisten Jungs hier sind ja wirklich normal.“Ihr Bruder Björn lächelt milde. „Ach, die hat jeder“, antwortet er. „Bis man einmal selbst bei so einem Turnier war. Dann sieht man aber schnell ein: Die Zeit, in der alle Videospiel­er dickliche, bleiche Nerds waren, ist längst vorbei.“

 ??  ?? Fifa ist eine Fußballsim­ulation des Videospiel­konzerns Electronic Arts. Die Reihe gehört zu den beliebtest­en Sportspiel­en der Welt und ist besonders für ihre realistisc­he Umsetzung von Bewegungsa­bläufen bekannt.
Fifa ist eine Fußballsim­ulation des Videospiel­konzerns Electronic Arts. Die Reihe gehört zu den beliebtest­en Sportspiel­en der Welt und ist besonders für ihre realistisc­he Umsetzung von Bewegungsa­bläufen bekannt.
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