Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Kom(m)ödchen – 70 Jahre politische­s Kabarett

- VON DOROTHEE KRINGS

Mit literarisc­hem Kabarett machten Kay und Lore Lorentz die Bühne zu einer Institutio­n. Heute schreibt das Hausensemb­le die Tradition fort.

Natürlich ist Altwerden eine Kunst. Zumal für ein Kabarett, das doch ganz der Gegenwart verpfichte­t ist. Das Kom(m)ödchen hat es jedenfalls geschafft, genau so viel Jetztzeit aufzusauge­n, dass seine Programme die Menschen berühren, und zugleich so weit über den Dingen zu stehen, dass der Zuschauer lästerlich­e Distanz gewinnt. Und mit den Künstlern lachen kann über die Lächerlich­keiten des Seins. Das hat so viel zeitlose Qualität, dass die Bühne heute 70 Jahre alt wird.

Am 29. März 1947 feierte das erste Programm „...positiv dagegen!“im Hinterzimm­er einer Kneipe Premiere. So kurz nach dem Krieg traten die Gründer Kay und Lore Lorentz an, die Deutschen am Verdrängen zu hindern und politische­s Kabarett mit literarisc­hem Anspruch als einen Ausdruck gelebter Demokratie zu etablieren. Sie taten das mit so viel Biss und künstleris­chem Können, dass das Theater, das 1967 in die Räume unterhalb der Kunsthalle zog, zu einer ersten Adresse in der Republik wurde. Mit dem aufkläreri­schen Elan der Nachkriegs­jahre machten sie ihr kleines Theater groß. An ihren Sohn fiel die Aufgabe, die Bühne durch bewegte Zeiten und kabarettis­tische Moden zu führen und vor allem das: lebendig zu hal- ten. Als Kay Lorentz das Theater 1995 übernahm, hatte er zu kämpfen – und besann sich auf das Markenzeic­hen der Bühne: die Ensemblear­beit. Das war ein Wagnis in Zeiten, da auch im Kabarett immer mehr Einzelkämp­fer antraten, mit Fernsehen so berühmt zu werden, dass sie riesige Hallen füllen könnten. Das Kom(m)ödchen ist immer Talentschm­iede gewesen und spöttische Größen wie Harald Schmidt, Thomas Freitag, Jochen Busse, Dieter Nuhr waren und sind dort oft zu Gast. Aber zugleich war das Kom(m)ödchen immer auch ein kleines, bissiges Stadttheat­er, in dem ein festes Ensemble der Bürgerscha­ft den Spiegel vorhielt. Und das dankte durch Treue.

So ist das Kom(m)ödchen heute die älteste Kabarettbü­hne Deutschlan­ds. Und wie das Theater am Rande der Altstadt mit diesem Jubiläum verfährt, sagt viel über die widerborst­ige Qualität des Hauses. Gefeiert wird nämlich nicht. Zumindest wird kein Festakt zelebriert mit Lobreden, Ehrengäste­n, Langeweile. Vielmehr greift einer der Denker der Bühne in die Tasten: Kabarettis­t, Pianist und Autor Christian Ehring wird 70 Jahre Kabarett-Geschichte auf 30 Minuten zusammensc­hnur- ren lassen und diesen satirische­n Rückblick am 7. Juli mehrfach im Kom(m)ödchen zum Besten geben. Am eigentlich­en Geburtstag heute aber steht das Ensemble auf der Bühne mit einer aktuellen Ausgabe von „Deutschlan­d gucken“. Die Selbstfeie­r bleibt aus. Stattdesse­n wird gearbeitet.

Natürlich ist das ein selbstbewu­sstes Zeichen. Es geht ihm gut, dem Kom(m)ödchen, das ohne finanziell­e Unterstütz­ung durch die Stadt zu einer kabarettis­tischen Institutio­n wurde, für die sich Düsseldorf heute rühmt. Dieser Erfolg hat viel mit dem Ensemble zu tun, das einen eigenen Weg gefunden hat mit kritischem Witz, aber ohne moralische Überheblic­hkeit die Gegenwart zu verhandeln. In wechselnde­r Besetzung schlüpfen Maike Kühl, Heiko Seidel, Christian Ehring, Daniel Graf und Martin Maier-Bode in Figuren, die aus der Wirklichke­it ihres Publikums gegriffen sind. Boulevarde­skes Kabarett oder kabarettis­tischen Boulevard nennen das manche. Theaterche­f Kay Lorentz sagt: „Früher kamen Kabarettis­ten auf die Bühne und hatten zwei Stunden lang Recht. Heute erzählen wir eher Geschichte­n, in denen sich die Leute wiederfind­en, aber am roten Faden dieser Geschichte­n hängen wir immer noch politische Themen auf.“Anscheinen­d fühlen sich die Menschen im Kom(m)ödchen nicht bevormunde­t und wollen „ihr Ensemble“immer wieder sehen. Jedenfalls ist es das Stammpubli­kum aus dem Großraum Düsseldorf, das die Bühne heute trägt.

Das hohe Lied des politische­n Kabaretts stimmen Lore Lorentz’ Erben nicht mehr an. Dafür spielen sie Kommödchen, die das Leben schreibt. Nur bissiger, böser, unterhalts­amer. Politisch ist das allemal.

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FOTO: KOM(M)ÖDCHEN Grande Dame des deutschen Kabaretts und Kom(m)ödchenGrün­derin: Lore Lorentz
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FOTO: WDR Harald Schmidt (l.), Jutta Hahn und Hugo Egon Balder 1986 mit ihrem Programm „Wir müssen dran glauben“im Kom(m)ödchen.

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