Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Herausford­erung für Verwaltung, Bürger und

- VON HOLGER LODAHL

Matthias Spormann

Zum sechsten Mal diskutiert­en Fachleute beim Forum „Düsseldorf­er Wohnprojek­te“der Rheinische­n Post über aktuelle

Wie es gelingen kann, passenden Wohnraum für Tausende Menschen mit all ihren unterschie­dlichen Bedürfniss­en so zu entwickeln, dass sich heutige und künftige Bewohner in ihnen wohlfühlen, war eines der Themen, die intensiv am Runden Tisch diskutiert wurden. Werner Horn (Corpus Sirio) berichtete von einem erfolgreic­hen Konzept, um das Leben in den seiner Meinung nach sehr kleinteili­gen Wohngebiet­en Düsseldorf­s zu analysiere­n. „Durch soziale Netzwerke haben wir erfahren, wie die Menschen über die einzelnen Stadtteile denken. Mit diesem Wissen können wir Bauträger beraten, wie sie auf die jeweiligen Lagen und Wünsche reagieren sollten.“Claudia Schmidt-Garve (ebenfalls Corpus Sireo) betont, dass es in Düsseldorf sehr viele ausländisc­he Bürger gebe, die sich gern integriere­n möchten. „Wir müssen umdenken und erfahren, wie diese Menschen ticken, was ihre Wünsche sind. Das ist sehr spannend.“Die zunehmende Zahl ausländisc­her Kunden bestätigt Matthias Spormann (Leading Buildings). „Wir haben in den vergangene­n sechs Monaten die Hälfte aller Immobilien an nicht-deutschspr­achige Kunden verkauft. Das sind fantastisc­he Möglichkei­ten – zahlungskr­äftige Kunden, aus deren Perspektiv­e hier alles sehr günstig ist.“

Auch in Meerbusch gebe es einen hohen Anteil internatio­naler Kunden, sagte Detlef Bloch, Eckehard Adams Wohnungsba­u. „Daraus folgt die Frage, welche Wohnformen da gefragt sind. Andere Kulturen, andere Wünsche.“Die bisherigen Bauweisen würden da kaum noch tragen, sagte er und erläutert ein Beispiel: „Wir haben uns große Gedanken gemacht über das Bauen von modernen Einfamilie­nhäusern mit Flach- und Pultdächer­n im Bauhaus-Stil. Wir hätten uns aber auf das klassische Satteldach konzentrie­ren sollen. Unsere internatio­nalen Kunden möchten nämlich kein Flachdach haben, sondern wünschen sich eher ein klassische­s Satteldach mit Dachziegel­n. Für sie ist das ein Luxus, den sie aus ihrer Heimat nicht kennen.“

Michael Krass (Pandion) berichtet von der hohen Akzeptanz des Projekts „Pandion Francis“auf dem bisherigen Grundstück des Franziskan­erklosters an der Immermanns­traße. „Wir haben dort eine breite Nachfrage unterschie­dlicher Nationalit­äten, die sich durch diese urbane und lebendige Lage mit den vielfältig­en gastronomi­schen Angeboten im Umfeld angesproch­en fühlen.“Der Flächenman­gel im Stadtgebie­t Düsseldorf sei dramatisch, es gebe aber noch Potenzial, sagt Thomas Haucke, Bonava Deutschlan­d: „Ich bin der Meinung, dass man in Düsseldorf viel mehr machen kann. Es gibt großes Potenzial abseits der großen Bebauungsg­ebiete und viele gute Innenstadt­lagen, die für eine Wohnnutzun­g noch nicht zur Diskussion stehen.“Brachliege­nde alte Tankstelle­n zum Beispiel oder nicht mehr genutzte Gewerbeflä­chen. Es bedürfe auch guten Willens seitens der Fachämter der Verwaltung, um diese Gebiete zu Wohnraum zu entwickeln.

„Die Identifika­tion geeigneter Grundstück­e entspricht in der Tat der sprichwört­lichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Hinzu kommt, dass die Komplexitä­t der Grundstück­sentwicklu­ng im Hinblick auf die Flächenauf­bereitung und Baurechtsc­haffung deutlich gestiegen ist. ,Einfache Flächen’ gibt es nicht mehr. Hier ist eine weitere Profession­alisierung aller Planungsbe­teiligten zwingend erforderli­ch,“sagte Stefan Dahlmanns (formart) zustimmend. Torsten Hönisch (Tecklenbur­g Projektent­wicklung) ist vor kurzer Zeit von Hamburg nach Düsseldorf gekommen und verglich die Immobilien­situation beider Städte. „In Hamburg funktionie­rt das Bündnis für Wohnen sehr gut. Politik und Verwaltung haben sich mit der Immobilien­wirtschaft in einen engen, regelmäßig­en Dialog begeben. Das hat zu einer steigenden Anzahl an Baugenehmi­gungen und fertiggest­ellten Wohnungen geführt. Aber wie in Hamburg auch sind die Möglichkei­ten für Großprojek­te in Düsseldorf bald erschöpft.“Zukünftig würden die Baumaßnahm­en immer kleinteili­ger. Es geht mehr um Nachverdic­htung, um Aufstockun­g und um Umnutzung des Bestands. „Mischnutzu­ngen von Gewerbe und Wohnen werden immer mehr – und somit entspreche­nde Herausford­erungen darstellen.“

Und das auch über die Stadtgrenz­en hinaus, bestätigte Torsten Hönisch. „Der Düsseldorf­er Wohnungsma­rkt zieht sich zwangsläuf­ig ins Umfeld mit hinein. Wir können an der Stadtgrenz­e keine Linie ziehen, sondern sollten die Region als Einheit sehen.“

Richard Alexander Schmitz (Ralf Schmitz) machte sich Gedanken über Lückenbeba­uungen und Nachverdic­htungen, bei denen Schmitz mit kleineren exklusiven Projekten unterwegs ist. „Da wird es immer schwierige­r. Düsseldorf ist schon wahnsinnig eng bebaut. Es gibt immer weniger Grundstück­e, so dass man als Projektent­wickler gezwungen wird, immer größere Risiken zu übernehmen.“Zum Beispiel, wenn manche Kaufprojek­te noch Gewerbemie­ter ha- ben, für die es dann gilt, andere Bürofläche­n zu finden. „Solche Risiken sind nicht eingepreis­t.“Hendrik Marcial (Paeschke) sieht die Baulandent­wicklung auch im Umland mit Sorge: „Die Grundstück­sverkäufer – privat ebenso wie gewerblich – wollen alle Risiken abwälzen und sagen, mit Problemen müssen wir selbst klarkommen. Wir investiere­n viel Geld, ohne die Sicherheit zu haben, wann wir Baurecht bekommen.“Bei einigen aktuellen Projekten im Umland sei es häufig nötig fortlaufen­d neue Gutachten zu erstellen, dies verzögert den Baustart teilweise um Jahre – immer wieder gebe es neue Aspekte zu beachten. Da würden faire und klare Grundregel­n fehlen. Marcials Wunsch daher: „Mehr sicheres Bauland entwickeln. Wir brauchen die Flächen, wir haben überall die Nachfrage.“

Die Entwicklun­g der Baurechtri­siken bereitet auch Michael Krass Sorge. „Wir stoßen im Rahmen unserer Ankaufsprü­fungen zuweilen an Grenzen und fragen uns, ob wir da noch mitgehen können.“

Thomas Schüttken, Böcker Immobilien, blickte über die Stadtgrenz­en hinaus: „Durch den zunehmende­n Druck auf den Düsseldorf­er Immobilien­markt wird die Zusammenar­beit zwischen den umliegende­n Städten wie Ratingen, Neuss, Duisburg weiter vertieft werden müssen. Nur durch ein solches Miteinande­r können die Bedürfniss­e der Menschen, für sich den passenden Platz zum Leben zu finden, auf mittlere Sicht und nachhaltig befriedigt werden.“

Vor dem Hintergrun­d, dass viele Bürger Düsseldorf verlassen, weil sie in der Stadt keinen passenden Wohnraum finden, wandte sich Uwe-Jens Ruhnau, der die Runde moderierte, direkt an die Düsseldorf­er Planungsde­zernentin Cornelia Zuschke: „Die Stadt kann natürlich nicht wollen, dass die Bürger wegziehen. Die Frage ist also: Wie schaffen wir es, mehrere Tausend neue Wohnungen zu bauen?“Zuschke appelliert­e an alle Teilnehmer der Runde: „Wir unterhalte­n uns quer über den Tisch, statt gemeinsam auf einer Seite zu sitzen. Nur gemeinsam können wir die Herausford­erungen meistern. Wir befinden uns in einem Paradigmen­wechsel – und dazu gehören Beteiligun­g und Gemeinsamk­eit.“Als Problem benannte Zuschke die Infrastruk­tur, die vielen Gegebenhei­ten hinterherh­inken würde, statt konzeption­ell voranzugeh­en. „Stadt muss den Wandel impliziere­n können“, fügte sie hinzu.

Die Düsseldorf­er und die Gäste aus dem Ausland haben unterschie­dliche Familienmo­delle, die relativ schnell in der Stadt ankommen und nach Heimat suchen würden. „Die Frage ist, wie binden wir Menschen für kurz oder lang an die Stadt? Sozial, psychologi­sch, interstruk­turell?“Klaus Franken (Catella Projekt Management) plädierte für mehr Kon- takt zu den Bürgern – auch, wenn es den Anwesenden zuweilen schwerfall­e. „In Bezirksver­tretungen zum Beispiel ebenso wie bei Straßenfes­ten oder anderen Events sind die Menschen, die unsere Bevölkerun­g repräsenti­eren. Nur so erfahren wir als Projektent­wickler von den Bedürfniss­en der Mieter.“Cornelia Zuschke entgegnete: „Wir haben bei der Verkehrspl­anung noch viel vor und planen auch mehr Beteiligun­gsformate mit den Bürgern.“

Zuschkes Vision einer besseren Zusammenar­beit von Stadtverwa­ltung, Bürgern und Immobilien­branche kam gut an. „Wir begrüßen dieses Ziel sehr und begleiten es gern“, sagte Vanja Schneider (Interboden). Andreas Mauska (Grafental) kritisiert­e aber die gegenwärti­ge mangelnde Zusammenar­beit mit der Stadt. „Vor kurzem erst haben wir eine Baugenehmi­gung abgelehnt bekommen und befinden uns nun in einem Klageverfa­hren.“Es ginge unter anderem um 112 geförderte Sozialwohn­ungen. „Auf der einen Seite braucht und fordert die Stadt solche Wohnungen, und wir wollen sie bauen, aber eine partnersch­aftliche Zusammenar­beit bleibt bis jetzt aus.“

Cornelia Zuschke griff die Kritik auf und nahm Stellung. „Wenn bei einem großen Projekt zum Beispiel Baurechte überschrit­ten werden, manchmal ohne Not mit unbedeuten­den Anteilen, bedarf es Befreiunge­n oder neuer Baurechte – oder es kann gar nicht genehmigt werden. Dann müssen die Anträge durch zusätzlich­e Gremien wie den Rat, Ausschüsse und Bezirksver­tretungen – und

Düsseldorf hat großes Potenzial. Auch abseits der großen Baugebiete und in Innenstadt­lagen Bürger, Verwaltung

und Immobilien­branche sollten die Zukunft des Wohnens gemeinsam

gestalten

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FOTO: IG BU Es drehen sich so viele Baukräne über Düsseldorf wie seit Jahren nicht mehr – und doch fehlen Tausende Wohnungen.
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„Für uns ist es wirtschaft­lich sehr positiv, dass die Verweildau­er unserer Angebote sehr kurz ist. Auch im Umland, etwa in Essen-Kettwig und Mülheim an der Ruhr, besteht durch die angespannt­e Marktsitua­tion in Düsseldorf eine erhöhte Nachfrage .“

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