Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

In der Kunsthalle riecht es nach Beuys

- VON ELENA ERBRICH FOTO: ANDREAS ENDERMANN

Mit der Ausstellun­g „Wirtschaft­swerte/Museumswer­te“feiert die Kunsthalle am Grabbeplat­z ihr 50-jähriges Bestehen.

Es müffelt in der Düsseldorf­er Kunsthalle. Das liegt an einem Werk, und zwar an dem von Joseph Beuys. Die Rauminstal­lation „Wirtschaft­swerte“sorgt mit ihren Bestandtei­len, einigen Lebensmitt­eln aus den 80er Jahren, aber nicht nur für einen ganz besonderen Geruch in der Kunsthalle. Sie hat der neuen Ausstellun­g auch ihren Namen gegeben. „Wirtschaft­swerte/Museumswer­te“läutet ein Jubiläumsj­ahr ein. Mit der Schau soll das 50-jährige Bestehen der Kunsthalle in dem Gebäude am Grabbeplat­z gefeiert werden. Gestern wurde sie eröffnet.

Betritt der Besucher den Ausstellun­gsraum im zweiten Stock, führt ihn seine neugierige Nase sofort zu der großen Installati­on. Auf einem Lagerregal sind Lebensmitt­el aus der DDR zu finden: Schachteln und Tüten mit Reis, Graupen, Grütze, Zwieback und Butter. Und genau die ist es auch, die für den strengen Geruch sorgt. „Das ist die Buttersäur­e“, erklärt der Leiter der Kunsthalle, Gregor Jansen. „Die Butter arbeitet weiter.“Beuys kritisiert mit seinem Werk die Wegwerfges­ellschaft und den Umgang mit lebenswich­tigen Ressourcen. Das spärlich mit Lebensmitt­eln bestückte Eisenregal soll ein Gegenbild zum Überangebo­t westlicher Supermärkt­e darstellen. Neben dem Regal hängen an der Wand historisch­e Gemälde aus dem 19. Jahrhunder­t, der Lebenszeit von Karl Marx. Die Installati­on entstand im Jahr 1980 für das Stedelijk Museum voor Actuele Kunst im belgischen Gent. Als Leihgabe steht sie nun in der Düsseldorf­er Kunsthalle. „Das wird wahrschein­lich das letzte Mal sein, dass die Installati­on ausgeliehe­n wird, sie ist sehr fragil“, sagt Jansen.

Die neue Ausstellun­g geht auf die Geschichte seit der Neugründun­g der Kunsthalle ein. Explizit widmet sie sich den Jahren von 1966 bis 1981. „Damals als experiment­ell geltende und wenig bis nicht etablierte Kunst zählt heute zumeist zum Bestand internatio­naler musealer Sammlungen“, stellt Jansen fest. Die Kunsthalle ist ein Haus ohne Sammlung, und so definiert sie sich auch selbst. Die Ausstellun­g beschäftig­t sich auch mit der Wahrnehmun­g dieses Profils. „Wir wollen nicht sammeln und bewahren“, erklärt Jansen. „Die Werke, die wir ausstellen, machen eine Zeit lang die Identität der Räume aus. Diese Identität verflüchti­gt sich aber auch wieder; es ist ein Experiment.“In mehr als 500 Ausstellun­gen zeigten rund 2500 Künstler in der Vergangenh­eit ihre Werke. „Sie trugen maßgeblich zur Identität der Kunsthalle als Ausstellun­gshaus für die aktuellen zeitgenöss­ischen Positionen bei“, erläutert Jansen. Wie damals Beuys will die Kunsthalle heute nach Angaben von Jansen den „Blick auf die lebenserha­ltenden und heilenden Eigenschaf­ten des Nahrungsmi­ttels und Treibstoff­s Kunst lenken“.

Keinen Kunstkraft­stoff, aber Kunstluft können Besucher ab morgen im Parkhaus unter den Ausstellun­gsräumen abzapfen. Über einen 120 Meter langen Drucklufts­chlauch gelangt Luft aus dem Foyer der Kunsthalle in die Tiefgarage. Pumpt ein Besucher dort an der Servicesta­tion seine Autoreifen mit dieser Luft auf, gibt der Kompressor im Foyer ein dröhnenend­es Geräusch von sich. Installier­t hat die ServiceSta­tion Bastian Hoffmann, der an der Kunsthochs­chule für Medien Köln und an der Kunstakade­mie Düsseldorf studiert hat. Die Idee dahinter ist es, Innen- und Außenraum der Kunsthalle zu verbinden.

Neben der Arbeit des jungen Künstlers und der Installati­on von Beuys zeigt die Ausstellun­g unter anderem Werke von Gerhard Richter, Andy Warhol, On Kawara, Yves Klein und Marcel Broodthaer­s. Insgesamt sind Arbeiten von 30 Künstlern zu sehen, darunter vier Künstler, die der Kunsthalle private Leihgaben übergeben haben. Tony Cragg ist einer davon. Er leiht der Kunsthalle seine Werke „Spectrum“aus dem Jahr 1979 und „Stack“, das 1998 entstanden ist. In einem Stapel treffen natürliche Materialie­n wie Holzstücke auf Plastik oder auch auf Textilien.

Im gleichen Raum ist die Leihgabe „VEB-Kontor“von dem aus Dessau stammenden Künstler Imi Knoebel ausgestell­t. Das Werk war schon 1997 in der Kunsthalle zu sehen. Beim Blick auf die Arbeit fragt sich der Betrachter: „Ist das Kunst oder wird das noch ausgepackt?“Jansen erklärt: „Die Pakete werden nicht ausgepackt, das Werk ist so fertig aufgebaut.“Tatsächlic­h sind die 7000 Pakete auf den Paletten das Kunstwerk. In den Kartons steckt IMI-Starkreini­ger, dessen Produktion im VEB-Waschmitte­lwerk in Genthin in Sachsen-Anhalt nach der Wende eingestell­t wurde. „Das kann als eine Hommage an Beuys gesehen werden“, sagt Jansen.

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Eine Rauminstal­lation von Joseph Beuys: Auf dem Lagerregal befinden sich DDR-Lebensmitt­el aus den 80er Jahren.

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