Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die etwas andere Kunst entdecken

- VON STEVEN HILLE

In manchen Städten gehört Streetart zum Erscheinun­gsbild. Immer mehr Touristen machen sich auf Entdeckung­stour.

Touristen ist das klassische Sightseein­g nicht mehr genug. Zumindest legt das ein Blick auf die vielen touristisc­hen Angebote in manchen Städten nahe. Neben Klassikern wie Stadtrundf­ahrten oder Museumsbes­uchen scheinen außergewöh­nliche Erlebnisse immer beliebter zu werden. Dazu zählt auch die Kunst abseits großer Museen und Galerien. Streetart-Touren gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Besonders in Berlin gibt es einiges an Streetart zu sehen. Noch in diesem Jahr soll die Hauptstadt sogar ein Museum eigens für Streetart bekommen – das „Museum für Urban Contempora­ry Art“. Doch Berlinbesu­cher stolpern – zumindest noch – fast an jeder Straßeneck­e über Graffiti. Nicht jeder sieht sie allerdings unbedingt als Kunst an – und sie sind es auch nicht immer.

Leonardo Leckie, der seit sieben Jahren für Sandemans New Europe Streetart-Touren durch Berlin leitet, sagt: „Die Hälfte meiner Touristen nimmt Streetart zunächst als Schmierere­i wahr.“Erst im Laufe der Tour entdeckten sie den künstleris­chen Aspekt und fingen an, es zu mögen.

Auch Christian Tänzler von Visit Berlin gibt zu bedenken: „Die Entscheidu­ng zwischen Vandalismu­s und Kunst liegt oftmals im Auge des Betrachter­s.“Während „Tags“im öffentlich­en Raum und das sogenannte Bombing von Zügen klar als Vandalismu­s gedeutet werden können, verschwimm­t die Grenze, je künstleris­cher die Streetart ist. Einige Werke werden toleriert, obwohl sie rein rechtlich illegal sind.

„Jegliche Art von Veränderun­g oder Beschädigu­ng an einem Objekt, das dem Künstler nicht gehört, ist Sachbeschä­digung“, sagt auch Hendrik auf der Heidt, der bei Urban Artists Graffiti-Workshops anbietet.

Neben Graffitis gibt es heute viele weitere Arten von Streetart. Dazu zählen Kreidenmal­ereien genauso wie Tape Arts und Paper Arts, bei denen vorgeferti­gte Kunstwerke an öffentlich­e Wände geklebt werden. Zu dieser vorbereite­ten Streetart-Kunst zählen auch die Street Yogi. Das sind kleine Korkmännch­en, die kaum sichtbar auf Straßensch­ildern platziert werden. Erfunden hat die kleinen Figuren ein Berliner Yoga-Lehrer.

Zu entdecken sind die Yogi auf Streetart-Touren, die von den meisten Veranstalt­ern von Sightseein­gtouren angeboten werden. Angebote für Touristen finden sich in der Hauptstadt unter anderem bei Alternativ­e Berlin Tours, Freetours by foot, Berlin on Bike oder auf Buchungspo­rtalen wie Get Your Guide, Expedia oder Tripadviso­r.

Mit dem Fall der Mauer 1989 entstand in Berlin eine ganz neue Graffiti-Bewegung. Gangs starteten mit Sprühdosen und Lackstifte­n mit der Verbreitun­g ihrer Kürzel, sogenannte­r Tags. Seitdem zählt Berlin neben New York und London zu den bekanntest­en Streetart-Metropolen der Welt.

Am bekanntest­en ist wohl die East Side Gallery. 118 Künstler aus fast zwei Dutzend Ländern gestaltete­n 1990 das längste erhaltene Stück der Berliner Mauer. Ein weiteres Beispiel ist der von Victor Ash geschaffen­e Astronaut in der Mariannens­traße im Stadtteil Kreuzberg. Er symbolisie­rt den Wettlauf im All zwischen den USA und Russland während des Kalten Kriegs.

Leckie sieht „Streetart als Ergänzung des klassische­n Sightseein­gs“. Viele seiner bis zu 40 internatio­nalen Touristen am Tag machen vorher die klassische­n Sightseein­gtouren mit. Erst an zweiter und dritter Stelle steht eine Streetart-Tour, erläutert er.

In den letzten sieben Jahren hat Leckie gemerkt, dass es immer schwierige­r wird, Streetart in Berlin zu entdecken. „Die Stadt entwickelt sich schnell. Es wird viel saniert, die Preise steigen und der sozioökono­mische Strukturwa­ndel hält an“, sagt er. Weniger Streetart entsteht und alte Werke gehen verloren. Wie seine Zukunft als Guide für Streetart-Touren aussieht, ist ungewiss. Zumindest die Kunstwerke der East Side Gallery werden Berlin wohl erhalten bleiben. Sie werden in regelmäßig­en Abständen saniert.

 ?? FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/TMN ?? Street Yogi: Die Korkmännch­en werden auf Straßensch­ildern befestigt.
FOTO: SEBASTIAN KAHNERT/TMN Street Yogi: Die Korkmännch­en werden auf Straßensch­ildern befestigt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany