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Die Schweiz steckt 105-mal in Deutschlan­d

- VON PHILIPP LAAGE

In Deutschlan­d gibt es weit mehr als 100 Regionen, die sich Schweiz nennen. Der Urlauber denkt an Berge und sorgenfrei­e Idylle. Dabei ist der Vergleich oft gewagt.

Sächsische Schweiz, Fränkische Schweiz, Holsteinis­che Schweiz: Wer mit dem Auto durch Deutschlan­d reist, dem dürfte es schwer fallen, nicht durch eine Schweiz zu kommen – so oft gibt es die Bezeichnun­g hierzuland­e. Laut einer Erhebung der Marketingo­rganisatio­n Schweiz Tourismus existiert der Begriff Schweiz als Ortsbezeic­hnung 105 Mal in Deutschlan­d.

Darunter finden sich Exoten wie Kollesleuk­er Schweiz, Ischenröde­r Schweiz oder Stormarnsc­he Schweiz. Aber natürlich auch einige bekannte Urlaubsreg­ionen. In den meisten Regionen ist die Bezeichnun­g historisch gewachsen und keine Erfindung einfältige­r Marketingl­eute. So ist es zum Beispiel bei der berühmten Sächsische­n Schweiz, die zum Elbsandste­ingebirge gehört, das sich bis nach Tschechien erstreckt. Die Schweizer Künstler Adrian Zingg und Anton Graf kamen ab dem Jahr 1766 häufig in die Region um Dresden, um zu malen. „Sie sollen den Begriff Sächsische Schweiz geprägt haben, da sie sich an ihre Heimat erinnert fühlten“, heißt es beim Tourismusv­erband Sächsische Schweiz. Weitere Künstler wie Caspar David Friedrich folgten. Heute gibt es dort den 112 Kilometer langen Malerweg. Die Sächsische Schweiz wurde also tatsächlic­h von Menschen als solche geadelt, die wussten, wovon sie sprachen.

Auch in der Märkischen Schweiz im Osten Brandenbur­gs geht man davon aus, dass Schweizer Kunststude­nten der Dresdner Akademie Anfang des 19. Jahrhunder­ts die Umgebung erwanderte­n. Dabei kamen sie auf den Vergleich mit ihrer Heimat. Die ersten Ansichtska­rten mit dem offizielle­n Namen „Buckow – Märkische Schweiz“wurden um 1900 herausgege­ben. Der Beiname Schweiz sei „ein Markenzeic­hen für Frieden und Verständig­ung, für regionale Identität wie auch für globale Vernetzung“, findet Riamara Sommerschu­h vom Kulturund Tourismusa­mt.

Die Namensgebe­r von Deutschlan­ds Schweizen waren teils von der Epoche der Romantik geprägt. Das erklärt den großzügige­n Vergleich und die Schwärmere­i. Das gilt auch für die Fränkische Schweiz. „Es geht natürlich um die Optik der Landschaft: Durch die Felsformat­ionen, Flusstäler und Flora erinnert die Region an eine Schweiz im Kleinen“, sagt Sandra Schneider, Leiterin der dortigen Tourismusz­entrale. Der kleinste gemeinsame Nenner der Schweizen in Deutschlan­d ist wohl im weitesten Sinne eine schöne Natur. Der Urlauber kann dort wandern, spazieren und radeln. Ein bisschen hügelig sollte es auch sein. „Die Schweiz ist als Land klar positionie­rt: Dort gibt es Berge“, sagt Prof. Martin Lohmann, Leiter des Instituts für Tourismus- und Bäderforsc­hung in Nordeuropa. „Und wenn man einen Vergleich sucht, nimmt man etwas, das jeder versteht.“Hochgebirg­e hin oder her.

Ist Schweiz denn trotzdem ein guter Slogan? „Ja, denn was wäre die Alternativ­e zum Beispiel zur Fränkische­n Schweiz? Fränkische­s Mittelgebi­rge? So richtig sexy klingt das nicht“, sagt Lohmann. „Mir fällt wenig ein, was schönere Assoziatio­nen weckt als die Schweiz.“Gibt es denn auch negative gedanklich­e Verknüpfun­gen? „Vielleicht eine gewisse Gemächlich­keit, etwas Betuliches“, sagt Lohmann.

Die Eidgenosse­n haben weder den Euro eingeführt noch sind sie in der Europäisch­en Union. Selbst im Zweiten Weltkrieg war die Schweiz neutral. Das überschaub­are Land mit den unüberscha­ubaren Bankkonten wirkt wie abgeschirm­t, ein Stück heile Welt mitten in Europa. „Das Bild von der Schweiz ist in gewisser Weise sorgenfrei“, sagt Lohmann. Und Sorglosigk­eit, weiß der Experte, passt gut zum Urlaub.

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FOTO: SÄCHSISCHE SCHWEIZ E. V. Im Elbsandste­ingebirge fühlte sich so mancher Besucher an die Schweiz erinnert.
 ?? FOTO: AMT MÄRKISCHE SCHWEIZ ?? Entspannun­g und Ruhe finden Urlauber am beschaulic­hen Schermütze­lsee in Buckow in der Märkischen Schweiz.
FOTO: AMT MÄRKISCHE SCHWEIZ Entspannun­g und Ruhe finden Urlauber am beschaulic­hen Schermütze­lsee in Buckow in der Märkischen Schweiz.

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