Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Streit um Mainzer Theologen-Habilitati­on endet mit Vergleich

- VON HEINER BARZ

MAINZ (epd) Ein langwierig­er Streit um eine unkonventi­onelle Habilitati­onsschrift über Albert Schweitzer (1875-1965) ist am Mittwoch vor dem Mainzer Verwaltung­sgericht mit einem Vergleich zu Ende gegangen. Die Universitä­t Mainz und der Theologe und Buchautor Sebastian Moll einigten sich darauf, dass Moll an der evangelisc­h-theologisc­hen Fakultät zu einem neuen Thema er-

Der Referent zu Beginn: „Ich mach’s ganz kurz“, um dann die vorgesehen­e Zeitmarge sehr deutlich zu überschrei­ten. Diese seltsame Erfahrung macht man immer wieder – und zwar nicht nur bei Studenten bei ihrem ersten Vortrag, die eigentlich am liebsten gar nichts sagen würden und aus lauter Unsicherhe­it dann kein Ende finden. Sondern gelegentli­ch auch bei gestandene­n Wissenscha­ftlern. Ist es offenbar schon beim mündlichen Vortrag schwierig, eine realistisc­he Vorstellun­g vom Umfang zu entwickeln, so gilt dies umso mehr für Aufsätze und Beiträge in Sammelbänd­en. Ich habe es erlebt, dass statt der vereinbart­en 15-20 Seiten stolze 70 Seiten geliefert wurden – ohne jeden Anflug von Schuldbewu­sstsein. Und natürlich war es auch fast unmöglich, den Autor davon zu überzeugen, dass auf einiges durchaus verzichtet und anderes durchaus in knapperer Form berichtet werden kann. Ja, dass die knappere Fassung im ureigenste­n Interesse des Autors neut die Eröffnung eines Habilitati­onsverfahr­ens beantragen kann. Die erste Arbeit des Theologen, die sich mit bislang unbekannte­n Aspekten in der Biografie Schweitzer­s befasste, war von drei Gutachtern unter Verweis auf erhebliche Mängel abgelehnt worden.

Bereits 2014 war die Schrift „Der autobiogra­fische und der historisch­e Albert Schweitzer“auch in sogar höhere Überzeugun­gskraft, nachhaltig­ere Wirkung zu erzielen vermag. Aber der Wissenscha­ftler als Autor tendiert dazu, alles, was er mühsam erarbeitet oder exzerpiert hat, auch schwarz auf weiß verewigt sehen zu wollen. Auch hält sich eine gewisse Ehrfurcht vor dem besonders dicken Buch – als sei allein schon Quantität ein Ausweis von Gelehrsamk­eit. Man muss gar nicht unbedingt an die Text-Miniaturen des neuesten Twitter-Zeitalters denken, um zu begreifen, dass etwas dran ist, an der alten Redensart „in der Kürze liegt die Würze“. Die Alten wussten das immer: „Entschuldi­ge die Länge des Briefes, ich hatte keine Zeit, mich kurz zu fassen,“in diesem Goethe zugeschrie­benen Zitat steckt jedenfalls mehr als ein Fünkchen Wahrheit. Buchform unter dem Titel „Albert Schweitzer: Meister der Selbstinsz­enierung“erschienen. Die Gutachter bemängelte­n unter anderem, dass in dem Text nicht der komplette aktuelle Forschungs­stand zu dem Theologen, Philosophe­n und Arzt dargestell­t worden sei und sahen keine bedeutende­n neuen Forschungs­erkenntnis­se. Moll warf den Gutachtern im Gegenzug Befangen- heit und Verfahrens­fehler vor. In seinen Publikatio­nen hatte er zuvor wiederholt deutliche Kritik am Zustand der wissenscha­ftlichen Theologie und der evangelisc­hen Kirche geübt, sie sei zu sehr der politische­n Korrekthei­t verpflicht­et.

Das Mainzer Verwaltung­sgericht machte bei der mündlichen Verhandlun­g am Mittwoch deutlich, dass die Klage kaum Aussicht auf Er- folg haben würde. Kritikpunk­te wie die mangelhaft­e Betreuung des Habilitati­onsverfahr­ens und Vorbehalte gegen die Gutachter hätten bereits vor dem Abliefern der fertigen Arbeit vorgebrach­t werden müssen. Bei der Bewertung einer Arbeit hätten die Prüfer zudem durchaus einen Spielraum für subjektive Entscheidu­ngen, solange keine allgemeine­n Maßstäbe verletzt würden.

Der vor Gericht geschlosse­ne Vergleich ist hingegen für beide Seiten akzeptabel. Moll sagte dem Evangelisc­hen Pressedien­st (epd), er sei froh über den Ausgang. Ob und zu welchem Thema er einen neuen Anlauf für eine Habilitati­on starten werde, könne er noch nicht sagen. Moll ist mittlerwei­le Studienlei­ter bei der freikirchl­ichen Akademie für pastorale Führungskr­äfte in Bingen.

Lang, länger, Wissenscha­ft?

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FOTO: GABRIEL Heiner Barz lehrt an der HHU in Düsseldorf.

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