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KURZKRITIK­EN

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Sachbücher Zuletzt schien es, als seien lange Bücher wieder Mode, also Werke über 800, 900 oder mehr als 1000 Seiten. Beim Reclam-Verlag gibt es nun eine neue Buchreihe, die ganz anders ist, sie heißt: „100 Seiten“. Laufend erscheinen in dieser Reihe neue Sachbücher über exakt 100 Seiten, es gibt Bücher zu David Bowie, den Menschenre­chten, zu Ovid und zum Steinzeitm­enschen Ötzi. Und weil 100 Seiten eine Distanz sind, die man noch recht mühelos zurücklege­n kann, ist das zuweilen auch eine Lektüre, die anregt, sich anschließe­nd noch sehr viel mehr in ein Thema hineinzule­sen. So geht es einem etwa auch nach dem Essay über „Superhelde­n“, das der Autor Dietmar Dath für die Reihe verfasst hat. Darin geht es vordergrün­dig um die Helden aus US-Comics, aber eigentlich auch um fantastisc­he Literatur, die Epoche der Romantik und um Glaube und Unglaube. kl

www.reclam.de/reclam_100_seiten Rock Diese Neuauflage ist die reine Freude für all jene, die wissen wollen, wie lange es dauert, bis aus einer Idee ein Song wird. Fleetwood Mac bringen ihr Album „Tango In The Night“aus dem Jahr 1987 noch einmal heraus, und sie haben es nicht dabei belassen, die Stücke digital aufzupolie­ren. Vielmehr liefern sie zwei CDs mit Remixes, Outtakes und Demoversio­nen mit, die wie eine historisch-kritische Ausgabe anmuten.

Vier Jahre hatte die Welt damals nichts von den Musikern gehört. Jeder lag mit jedem im Clinch, Sängerin Stevie Nicks war im Entzug, nahm endlich kein Kokain mehr, dafür neuerdings Tranquiliz­er. Die anderen fochten Kämpfe mit je eigenen Dämonen aus – der Alkohol war nur einer davon. Die Platte hätte also ein Desaster werden können, doch sie wurde ein Klassiker, der heute noch glänzt. 15 Millionen Mal verkaufte sie sich, und unter den Songs finden sich filigrane Songwritin­g-Juwelen wie „Little Lies“und „Everywhere“.

Dieses Album ist der Grund für die Fleetwood-Mac-Renaissanc­e, die vor ein paar Jahren begonnen hat. Bands wie Haim berufen sich auf die großen Ahnen, auf ihre lässige Eleganz, den Schmelz in den High-Fidelity-Produktion­en. Tat- Sachbuch Was bringt Menschen dazu, sich in kürzester Zeit zu radikalisi­eren und im Namen des Islam zu töten? Über diese Frage ist viel nachgedach­t worden, meist in sozialen und politische­n Kategorien. Der in Tunesien geborene französisc­he Psychoanal­ytiker Fethi Benslama untersucht, warum eine Religion den Deutungsra­hmen liefert, mit dessen Hilfe junge Menschen sich einreden können, sie töteten aus Liebe – aus Liebe zu Gott. Benslama hat viele Jahre mit Jugendlich­en in Pariser Vororten gearbeitet, hat immer wieder von dem Verlangen gehört „muslimisch­er“zu werden und dem Verlangen, andere im glühenden Glauben zu übertreffe­n. Der Islamwisse­nschaftler nutzt die Kategorien der Psychoanal­yse, um zu erkunden, warum Menschen das Morden plötzlich genießen, warum Kräfte der Gegenzivil­isation unter zivilisier­ten Menschen aufbrechen. Seine Theorie vom „Übermuslim“ist eine erhellende Ergänzung der Debatte. Dorothee Krings Fethi Benslama:

Wiederbege­gnung mit Fleetwood Mac

sächlich steckt in jedem Arrangemen­t eine Menge Arbeit. Man höre sich nur das Demo des Titelsongs an. Stevie Nicks diffundier­t ziellos durch die Strophen, der Synthesize­r pumpt unermüdlic­h Volumen ins Arrangemen­t, aber das Stück bleibt unentschie­den. Es wurde viel gewerkelt an dem Entwurf, und das Ergebnis ist noch heute umwerfend: Lindsay Buckingham singt nun, hart angeschlag­ene E-Gitarren schneiden durch die Texte. Ähnliches ist bei „Seven Wonders“zu beobachten: Der Demo-Gesang von Stevie Nicks franst in den Höhen aus, das Lied hat keine Kontur. Auf dem Album landet dann eine präzise, klar strukturie­rte und großartig gesungene Version.

Die Demos verraten viel über den Zustand der Musiker. Lindsay Buckingham hat die Entwürfe in seinem Heimstudio poliert und mit Goldlack überzogen. Die Faszinatio­n dieser Platte ergibt sich indes daraus, dass es unter der Oberfläche weiterhin brodelt. Philipp Holstein

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FOTO: RECLAM Buchdeckel aus der „100 Seiten“-Reihe.
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