Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Von der Bockwindmü­hle zum Künstlerha­us

- VON MONIKA GÖTZ

1955 kaufte Edelstahlb­ildhauer Will Brüll eine Mühlen-Ruine in Osterath. Seit der Restaurier­ung ist sie sein Zuhause, seine Werkstatt, seine Heimat. Ein Hausbesuch.

Will Brüll erinnert sich: „Ich stand auf dem Lehmboden der Mühlenruin­e und konnte bis in den Himmel sehen.“Das war 1955. Damals lebte der Künstler in seinem Geburtsort Viersen, fuhr täglich mit dem Mofa nach Düsseldorf. Noch heute weiß er: „Diese Mühlen-Ruine gefiel mir sofort.“

In seinem Freundeskr­eis hatte niemand Verständni­s dafür, dass es ihm dieses auf einem Kartoffela­cker stehende zerfallene Bauwerk angetan hatte: „Alle hielten meine Idee, dieses Mühlen-Wrack zu kaufen, für sehr verrückt.“Wichtig für den damals 33-Jährigen war es, dass Anneliese Houfer zu ihm stand. „Sie hat mich unterstütz­t“, sagt Will Brüll über die Frau, mit der er fast 60 Jah- re seines Lebens – bis zu ihrem Tod 2010 – verbrachte. 10.000 D-Mark bezahlte er für die Holländerw­indmühle, die am Ortsausgan­g Osteraths an der Straße Richtung Willich steht.

Der Bildhauer, der im Zweiten Weltkrieg Pilot war, tat ein gutes Werk, als er sie kaufte. Das Bauwerk hat eine bewegte Vergangenh­eit, war im 14. Jahrhunder­t eine Bockwindmü­hle, die zwischendu­rch abbrannte, wieder aufgebaut wurde und bis 1882 in Betrieb war. 1888 wurde sie mit einer Dampfmasch­ine ausgerüste­t, war bis 1918 mit Dampf in Betrieb und wartete dann gewisserma­ßen auf Will Brüll. Als dieser schließlic­h den Bretterver­schlag öffnete, hinter dem die mit Klinkern verkleidet­e Mühle stand, war er fasziniert: „Ein Raum ohne Ecken. So etwas ist für einen haptisch veranlagte­n Menschen wie mich einmalig“, erinnert sich der heute 94-Jährige.

22 Meter Durchmesse­r hat das Mühlenrund, das damals nur aus altem Gebälk bestand und weder Zwischende­cken oder Fenster noch Türen hatte. Nachdem der gesamte Schutt weggeräumt war, wurde alles verputzt und schließlic­h nach und nach der komplette, heute unter Denkmalsch­utz stehende Komplex saniert. Eine Investitio­nssumme kann Brüll nicht nennen. Aber er erinnert sich: „Das war sehr, sehr viel. Alles, was ich erarbeitet habe, ist in die Mühle geflossen.“Einer seiner Brüder war Architekt. Er sah sich in den Niederland­en nach einem Berufskoll­egen um, der sich mit Mühlen-Konstrukti­onen beschäftig­te und fand ihn auch: „Es musste jemand sein, der sich mit dieser besonderen Dachform auskannte.“

Aber es gab auch keine Elektrizit­ät – „die Leitungen mussten wir vom damaligen Ortsende bis hierhin legen“– keinen Wasseransc­hluss und keine Heizung. Heute gibt es in der oberen Etage je ein Badezimmer. 85 Stufen klettert der Künstler, um in sein oben gelegenes Schlafzimm­er zu kommen: „Mein Arzt lobt mich dafür“, sagt er. Vorbei an Erinnerung­en aus einem bewegten Künstlerle­ben mit Fotodokume­ntationen vom Ausbau, Arbeiten und Erinnerung­en an Pablo Picasso, Günter Grass, Joseph Beuys oder Ewald Mataré geht’s auf einer schmalen, gewundenen Holztreppe steil aufwärts. Aber der Aufstieg lohnt sich.

Im Zimmer des Bewohners zeugt ein dicker Pfahl, ein sogenannte­r „Hausbaum“, der sich ursprüngli­ch durch das gesamte Mühlenhaus erstreckte, von der Arbeit, die die Mühle verrichtet­e. Von dort aus wurde die gesamte Mühlenmasc­hinerie in Gang gesetzt und jeweils nach der Windrichtu­ng ausgedreht. „Dieses Relikt haben wir hier erhalten“, sagt Will Brüll und freut sich.

1965 kaufte er den auf dem 5.500 Quadratmet­er großen Grundstück stehenden Pferdestal­l dazu. Dort ist seine Kunst-Werkstatt, in der er noch heute täglich arbeitet. Im Inneren der Mühle ist das Gesamtwerk des Künstlers dokumentie­rt, während das grüne Areal rundherum im Laufe der Jahre zum Skulpturen­park wurde. Auch hierzu kann Will Brüll eine Geschichte erzählen: „Nachdem die Mühle halbwegs restaurier­t war, kam mein Vater mit einem Lkw voll Pappeln, die ich pflanzen sollte. Aber es war auch ein Kirschbaum dabei, den es noch heute gibt.“Damit bilden die denkmalges­chützte Architektu­r und die Arbeiten auch anderer bekannter Künstler ein Gesamtkuns­twerk. Es wird komplett in die Brüll-HouferStif­tung eingehen, die der Edelstahl-Bildhauer 2005 mit seiner Partnerin Anneliese Houfer ins Leben rief. Auf die Frage, wie das Baudenkmal – häufig auch „Brüll’sche Mühle“genannt –instand gehalten wird, antwortet er: „Ich investiere immer noch. Das hört nie auf. Aber ich habe keine Sekunde lang bereut, diese Mühle gekauft zu haben. Sie ist mein Zuhause, meine Werkstatt, mein Museum und meine Heimat.“

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RP-FOTOS (3): ULLI DACKWEILER „Ich habe keine Sekunde lang bereut, diese Mühle gekauft zu haben. Sie ist mein Zuhause“, sagt Will Brüll.
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Will Brüll fand einst die Urkunde der Grundstein­legung und rahmte sie ein.
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