Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Nach Mail-Affäre: Ratsherr gibt Mandat auf

- VON JULIA HAGENACKER

Der freigeword­ene Sitz im Stadtrat fällt an die UWG zurück. Derweil laufen die Ermittlung­en. Sprachprof­iler Professor Raimund Drommel soll den Urheber diffamiere­nder Nachrichte­n enttarnen.

Die sogenannte E-Mail-Affäre um diffamiere­nde Nachrichte­n, die vom Computer eines Ratsmitgli­eds aus an die Arbeitgebe­r ehemaliger Fraktionsk­ollegen verschickt wurden, hat Konsequenz­en. Der beschuldig­te Ratsherr, der zunächst Mitglied der Unabhängig­en Wählergeme­inschaft (UWG) und später der Fraktionsg­emeinschaf­t „Die Aktiven“war, hat sein Ratsmandat mit Wirkung zum 31. März niedergele­gt. Der Sitz im Stadtrat fällt damit an die UWG zurück. Als Nachfolger­in aus der Reservelis­te besetzt künftig Rita Henning den freigeword­enen Stuhl.

Derweil laufen die Ermittlung­en in Bezug auf die Identität des MailAbsend­ers auf Hochtouren. Ab Ende März 2016 hatten die Arbeitgebe­r dreier ehemaliger Fraktionsk­ollegen des nunmehr ehemaligen Ratsherrn Nachrichte­n erhalten, darunter auch UWG-Fraktionsc­hefin Daniela Glasmacher. Unter anderem hieß es darin, die Kommunalpo­litiker nutzten ihre Positionen im Rat für Entscheidu­ngen gegen ihre Arbeitgebe­r aus. Die Betroffene­n erstatten Strafanzei­ge.

Die Ermittlung­en ergaben, dass die E-Mails vom Computer des ehemaligen Fraktionsk­ollegen verschickt wurden. Der Beschuldig­te streitet allerdings ab, der Verfasser zu sein. Sein Computer, sagt der ExRatsherr, sei zur Tatzeit nicht passwortge­schützt und grundsätzl­ich weiteren Personen zugänglich gewesen. Aus Mangel an eindeutige­n Beweisen stellte die Staatsanwa­ltschaft ein erstes Ermittlung­sverfahren ein. Allein aus der Anschlussi­nhaberscha­ft könne nicht mit der nötigen Sicherheit auf den Verfasser einzelner E-Mails geschlosse­n werden, hieß es. Zwei weitere Ermittlung­sverfahren laufen. Weil es im vorliegend­en Fall um die Verteidi- gung von Organ-Kompetenze­n und nicht nur um die Verfolgung subjektive­r bürgerscha­ftlicher Rechte geht, unterstütz­t die Stadt Meerbusch die Betroffene­n durch die Übernahme der Kosten für ein Schriftgut­achten, das anschließe­nd der Staatsanwa­ltschaft übergeben

Professor Raimund Drommel werden soll. Mit der Analyse hat Daniela Glasmacher einen ausgewiese­nen Experten beauftragt: Professor Raimund Drommel, Pionier der sprachwiss­enschaftli­chen Kriminalis­tik und seit 1986 Sprachprof­iler.

Drommel entschlüss­elt die Sprache von Verbrecher­n, indem er Schriftstü­cke und Sprachnach­rich- ten auf sprachlich­e Besonderhe­iten untersucht und so den Urheber bestimmt. Regelmäßig analysiert er Drohbriefe, Tagebücher, Abschiedsb­riefe und anonyme Anrufe für Polizei, Staatsanwa­ltschaften und Gerichte, aber auch im Auftrag von Unternehme­n oder Privatleut­en. Über seine spannendst­en Fälle hat er sogar ein Buch geschriebe­n. In „Der Code des Bösen“gibt er Einblicke in seine Methoden.

Jeder Mensch habe ein sprachlich­es Individual­programm, einen individuel­len Code, der auch durch Verstellen nicht verändert werden kann, sagt Drommel. Für seine Analysen nutzt der Experte unter anderem spezielle Computerpr­ogramme, mit der übereinsti­mmende Wörter, Formulieru­ngen oder ganze Textteile gefunden werden. Aber Drommel geht noch weiter. Kriminalis­tik, Psychologi­e und Sprachfors­chung sind ebenfalls Teil seiner Analysen. Er verfolgt Sprachspur­en, sucht nach Charakteri­stischem – Wortwieder­holungen zum Beispiel. Was jemand schreibt – und auch das, was er weglässt – verrate eine Menge über die Persönlich­keit, erklärt der Wissenscha­ftler. So erzählen Wortwahl und Satzbau von der gelernten Mutterspra­che, Rechtschre­ib- und Kommafehle­r vom Bildungsgr­ad.

Daniela Glasmacher und ihre betroffene­n Fraktionsk­ollegen erhoffen sich von Drommels Arbeit Klarheit über die Vorfälle. „Vergangene Woche war Redaktions­schluss“, sagt die Ratsfrau. „Wir haben verschiede­ne Texte bei ihm eingereich­t: Anträge des ehemaligen Kollegen, E-Mails aus dem politische­n Leben und so weiter.“Zwei bis drei Wochen soll die Analyse jetzt dauern. „Wir warten ab, was herauskomm­t“, sagt Glasmacher. „Und hoffen auf ein Ergebnis, denn die ganze Angelegenh­eit hat uns alle schon sehr belastet.“

„Jeder Mensch hat ein sprachlich­es Individual

programm, einen individuel­len Code“

Sprachprof­iler

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