Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Entspannun­g ist in der Türkei nicht absehbar

- VON JAN DREBES VON DETLEV HÜWEL VON ROBERT PETERS

Die neuen Provokatio­nen des türkischen Präsidente­n Erdogan zielten wieder auf den inhaftiert­en Journalist­en Deniz Yücel. Dabei ist es entlarvend, dass Erdogan von „Auslieferu­ng“spricht und nicht – wie man in Deutschlan­d fordert – von Freilassun­g. Das mag als Erbsenzähl­erei erscheinen, inhaltlich aber besteht ein gewaltiger Unterschie­d. Schließlic­h impliziert der Begriff „Auslieferu­ng“bereits einen klar umrissenen, rechtliche­n Prozess, wenn es um Beschuldig­te in anderen Staaten geht. Yücel wird aber nach wie vor ohne die sonst in Demokratie­n üblichen Rechte auf unerträgli­che Weise von Erdogan festgehalt­en.

Da braucht es eine ungemein große Portion Optimismus, um darauf zu hoffen, dass nach dem Referendum am Sonntag etwas Entspannun­g in der Türkei einkehrt. Dafür spricht wenig, dagegen viel. Denn selbst wenn Erdogan die Abstimmung für sich entscheide­n kann – also für ein Präsidials­ystem –, dürfte das wenig besänftige­nd auf ihn wirken. Es bleiben viele weitere Konflikte zwischen ihm und Deutschlan­d sowie der EU. Der Flüchtling­sdeal, das türkische Engagement in Syrien, der Streit um Visa-Liberalisi­erungen und so weiter. Die einzige Möglichkei­t: stur weiter verhandeln. BERICHT ERDOGAN LEHNT YÜCELS . . ., TITELSEITE

IDoppelter Atomskanda­l

n Deutschlan­d sind sich alle einig, dass die maroden Atomreakto­ren in Belgien abgeschalt­et gehören. Im Block Tihange 2 wurden schon 2012 Tausende von Haarrissen entdeckt, doch die Anlage läuft immer noch. Tihange liegt nur knapp 70 Kilometer von Aachen entfernt. Bei einem größten anzunehmen­den Unfall (GAU) könnte die Region unbewohnba­r werden. Der typische Südwestwin­d würde die Radioaktiv­ität weit nach NRW hereintrag­en; auch Köln und Düsseldorf blieben wohl nicht verschont. Sehr zu Recht pocht die Bundesregi­erung zusammen mit NRW auf einen Stopp der Schrottanl­agen.

Skandalös ist, dass Belgien weghört. Skandalös ist aber auch, dass gleichzeit­ig Brenneleme­nte aus Deutschlan­d in die Reaktoren in Tihange und Doel gelangen. Berlin sieht keine rechtliche Handhabe dagegen. Ein Lieferstop­p komme nur in Frage, wenn die Sicherheit in Gefahr sei, heißt es. Ist sie das etwa nicht? Eigentlich wäre das ein klarer Fall für die EU, doch für Energiepro­duktion ist sie nicht zuständig. Dafür untersagt Brüssel lieber die Kürzung des Kindergeld­es für EU-Ausländer. Verkehrte Welt! BERICHT 2017 BEREITS 56 BRENNELEME­NTE . . ., TITELSEITE

Die Show geht weiter

Der Fußball ist vergesslic­h. Das liegt in seiner Natur. Trainer sprechen deshalb so gern von Momentaufn­ahmen, und sie leben „von Spiel zu Spiel“. Deshalb schieben sie die Erinnerung an den Anschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund zur Seite. Denn heute ist wieder Bundesliga. Dortmund spielt gegen Frankfurt, es ist bereits das zweite Pflichtspi­el für die BVB-Profis nach dem Attentat. Ins erste sind sie vom europäisch­en Verband gejagt worden. Zum zweiten zwingt sie der nationale Terminplan.

All jene, die nach dem Sprengsatz-Attentat „Innehalten!“riefen, haben recht, aber sie finden kein Gehör. Zumindest nicht über den Moment hinaus. Denn die Show geht weiter, sie muss weitergehe­n. Vielleicht hilft das sogar dabei, Eindrücke zu verdrängen, das Bewusstsei­n der täglichen Bedrohung.

Eines sind die Spiele nach dem Anschlag nicht: ein Kampf um unsere freiheitli­ch-demokratis­che Grundordnu­ng, wie der Dortmunder Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke urteilte. Sie sind Bestandtei­l eines Geschäfts, das kein Innehalten kennt. BERICHT JÄGER: BOMBEN AM BVB-BUS . . ., TITELSEITE

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