Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Entspannung ist in der Türkei nicht absehbar
Die neuen Provokationen des türkischen Präsidenten Erdogan zielten wieder auf den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Dabei ist es entlarvend, dass Erdogan von „Auslieferung“spricht und nicht – wie man in Deutschland fordert – von Freilassung. Das mag als Erbsenzählerei erscheinen, inhaltlich aber besteht ein gewaltiger Unterschied. Schließlich impliziert der Begriff „Auslieferung“bereits einen klar umrissenen, rechtlichen Prozess, wenn es um Beschuldigte in anderen Staaten geht. Yücel wird aber nach wie vor ohne die sonst in Demokratien üblichen Rechte auf unerträgliche Weise von Erdogan festgehalten.
Da braucht es eine ungemein große Portion Optimismus, um darauf zu hoffen, dass nach dem Referendum am Sonntag etwas Entspannung in der Türkei einkehrt. Dafür spricht wenig, dagegen viel. Denn selbst wenn Erdogan die Abstimmung für sich entscheiden kann – also für ein Präsidialsystem –, dürfte das wenig besänftigend auf ihn wirken. Es bleiben viele weitere Konflikte zwischen ihm und Deutschland sowie der EU. Der Flüchtlingsdeal, das türkische Engagement in Syrien, der Streit um Visa-Liberalisierungen und so weiter. Die einzige Möglichkeit: stur weiter verhandeln. BERICHT ERDOGAN LEHNT YÜCELS . . ., TITELSEITE
IDoppelter Atomskandal
n Deutschland sind sich alle einig, dass die maroden Atomreaktoren in Belgien abgeschaltet gehören. Im Block Tihange 2 wurden schon 2012 Tausende von Haarrissen entdeckt, doch die Anlage läuft immer noch. Tihange liegt nur knapp 70 Kilometer von Aachen entfernt. Bei einem größten anzunehmenden Unfall (GAU) könnte die Region unbewohnbar werden. Der typische Südwestwind würde die Radioaktivität weit nach NRW hereintragen; auch Köln und Düsseldorf blieben wohl nicht verschont. Sehr zu Recht pocht die Bundesregierung zusammen mit NRW auf einen Stopp der Schrottanlagen.
Skandalös ist, dass Belgien weghört. Skandalös ist aber auch, dass gleichzeitig Brennelemente aus Deutschland in die Reaktoren in Tihange und Doel gelangen. Berlin sieht keine rechtliche Handhabe dagegen. Ein Lieferstopp komme nur in Frage, wenn die Sicherheit in Gefahr sei, heißt es. Ist sie das etwa nicht? Eigentlich wäre das ein klarer Fall für die EU, doch für Energieproduktion ist sie nicht zuständig. Dafür untersagt Brüssel lieber die Kürzung des Kindergeldes für EU-Ausländer. Verkehrte Welt! BERICHT 2017 BEREITS 56 BRENNELEMENTE . . ., TITELSEITE
Die Show geht weiter
Der Fußball ist vergesslich. Das liegt in seiner Natur. Trainer sprechen deshalb so gern von Momentaufnahmen, und sie leben „von Spiel zu Spiel“. Deshalb schieben sie die Erinnerung an den Anschlag auf die Mannschaft von Borussia Dortmund zur Seite. Denn heute ist wieder Bundesliga. Dortmund spielt gegen Frankfurt, es ist bereits das zweite Pflichtspiel für die BVB-Profis nach dem Attentat. Ins erste sind sie vom europäischen Verband gejagt worden. Zum zweiten zwingt sie der nationale Terminplan.
All jene, die nach dem Sprengsatz-Attentat „Innehalten!“riefen, haben recht, aber sie finden kein Gehör. Zumindest nicht über den Moment hinaus. Denn die Show geht weiter, sie muss weitergehen. Vielleicht hilft das sogar dabei, Eindrücke zu verdrängen, das Bewusstsein der täglichen Bedrohung.
Eines sind die Spiele nach dem Anschlag nicht: ein Kampf um unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, wie der Dortmunder Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke urteilte. Sie sind Bestandteil eines Geschäfts, das kein Innehalten kennt. BERICHT JÄGER: BOMBEN AM BVB-BUS . . ., TITELSEITE