Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Einsam, aber nicht allein

- VON SASKIA NOTHOFER

Seit über zwölf Jahren wohnt Schwester M. Benedicta zurückgezo­gen als Einsiedler­in in einem kleinen Haus bei Bonn. Allein fühlt sie sich dort nicht. Im Gegenteil: Manchmal muss die 70-Jährige sich ihre Einsamkeit erkämpfen.

BONN Eigentlich ist das Haus von Schwester Benedicta ganz normal. In der Küche stehen Wasserkoch­er, Bratpfanne und Geschirr, im Raum nebenan ein kleiner Esstisch. Eine enge Treppe führt nach oben. Dort schläft die 70-Jährige. Doch den Mittelpunk­t ihrer Eremitage bildet etwas anderes: die Kapelle. Von außen nicht erkennbar, innen unterm Dach aber ausgestatt­et mit Ikonen, Kerzen und einem Kreuz, zieht die Einsiedler­in sich hierhin jeden Tag sieben Mal zum Gebet sowie zur Heiligen Messe zurück. „Das Morgen- und das Abendgebet nehmen der Stadt, noch bevor das quirlige Leben dort beginnt. „Meistens gehe ich schon um sieben los“, sagt sie. Danach putzt sie. Zwischen 15 und 17 Uhr ist die 70-Jährige offen für Gespräche. Jeder kann bei ihr vorbeikomm­en. „Das Angebot wird sehr gut angenommen“, so die 70Jährige. „Manchmal wundere ich mich, dass sogar Leute aus Köln den Weg zu mir finden.“Sowohl Frauen als auch Männer suchten das Gespräch, die meisten zwischen Ende 20 und Anfang 70. Viele kämen, weil sie seelische Probleme hätten. Andere, weil sie neue Orientieru­ng suchten. „Aus manchen Gesprächen entwickelt sich auch eine kontinuier­liche Begleitung“, so die Schwester. Am Sonntag bildet der Gottesdien­st den Mittelpunk­t, den Rest des Tages nutzt die Einsiedler­in zum Lesen, Schreiben oder Spaziereng­ehen.

Bei der Frage, ob sie sich denn nicht auch mal einsam fühle oder ihr das Dach auf den Kopf fiele, lacht Schwester M. Benedicta. „Absolut gar nicht. Manchmal muss ich meine Einsamkeit mit Zähnen und Klauen verteidige­n“, sagt sie. „Ich lebe zwar alleine, fühle mich aber nicht alleine.“Wenn sie etwa ihre Kapelle betrete, spüre sie, dass dort etwas lebt. Sowieso habe sie das ein- same Leben aufmerksam­er gemacht und ihre Sensibilit­ät für die Menschen und Dinge um sie herum erhöht. „Ich habe sehr wenig Ablenkung – zum Beispiel kein Radio und kein Fernsehen – und konzentrie­re mich so mehr auf meine Umgebung“, sagt die 70-Jährige. Außerdem habe sie sich als Eremitin auch selbst besser kennengele­rnt – mit all ihren Ecken und Kanten, aber auch positiven Seiten. Inwieweit sie sich aber tatsächlic­h durch ihr Leben als Eremitin verändert habe, könnten nur andere beurteilen, sagt sie schmunzeln­d.

Doch was ist eigentlich das Ziel dieser abgeschied­enen, enthaltsam­en Existenz? „Durch meine Lebensweis­e lerne ich, in der Gegenwart Gottes zu leben“, erklärt Schwester M. Benedicta. Denn sie ist sich sicher, dass das Leben auf der Erde nur ein Vorspiel auf das ist, was sie nach dem Tod erwartet. „Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass etwas Gutes kommen wird und dass das Leben nach dem Tod gemeinsam mit Gott sein wird“, so die Schwester. Darauf bereite sie sich vor. „Trotzdem werde auch ich nicht vollkommen sterben. Es wird immer etwas bleiben, das ich hätte anders machen müssen.“

Solange Schwester M. Benedicta noch körperlich und geistig fit ist, wird sie ihr Leben in der einsamen Eremitage auf keinen Fall aufgeben. „Das ist auch nicht wie ein Job, den ich einfach so kündigen kann“, sagt sie. Vielmehr werde sie ihr Leben genau so lange auf diese Art weiterführ­en, wie Gott ihr das Rüstzeug dafür gebe.

 ?? FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Schwester M. Benedicta in der kleinen Kapelle im Obergescho­ss ihrer Eremitage bei Bonn aus dem Jahr 1699. Sieben Mal pro Tag zieht sie sich dorthin zum Gebet zurück.
FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER Schwester M. Benedicta in der kleinen Kapelle im Obergescho­ss ihrer Eremitage bei Bonn aus dem Jahr 1699. Sieben Mal pro Tag zieht sie sich dorthin zum Gebet zurück.

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