Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wenn Kleidung schlank macht

- VON LAURA HARLOS UND MILENA REIMANN

Shapewear nennt man Kleidung, die den Körper formt. Enganliege­nd drückt die Unterwäsch­e die Pfunde an Hüfte oder Po an die richtige Stelle. Der Trend ist aber nicht ganz ungefährli­ch.

DÜSSELDORF Ein Fettpölste­rchen an der Hüfte, ein paar Dellen am Oberschenk­el? Kein Problem, sagen die Hersteller von sogenannte­r Shapewear – das haben wir gleich. Wer seine ungeliebte­n Pölsterche­n verstecken will, greift heutzutage zu körperform­ender Unterwäsch­e. Ob für Frauen oder Männer – die Nachfolger von Korsett und Mieder sind inzwischen in fast jedem Unterwäsch­eladen zu bekommen.

Shapewear ist eng geschnitte­ne Unterwäsch­e, sieht manchmal aus wie ein Badeanzug oder eine Radlerhose, die bis zur Taille geht. Die Stücke, die unter der normalen Kleidung getragen werden, sollen kleine Fettpölste­rchen wegdrücken oder an die richtigen Stellen schieben. Manche Hersteller teilen die Unterhemde­n oder -hosen dafür in verschiede­ne Zonen auf, die unterschie­dliche Stoffstärk­en haben. Männerbrüs­te oder Hüftgold, das über die Hose quillt, sollen so nicht mehr zu sehen sein, Höschen drücken den Po nach oben oder lassen Cellulite verschwind­en. Während Shapewear vor einigen Jahren noch als „Mogelwäsch­e“verschrien war, stehen Stars wie Kim Kardashian oder Daniel Craig in den Medien heute offen zur körperform­enden Unterwäsch­e in ihren Kleidersch­ränken.

Angefangen hat der Hype um die helfenden Höschen in den USA. Das Unternehme­n Spanx erzählt die Geschichte so: Firmengrün­derin Sara Blakely stand eines Abends vor einer Party ratlos vor ihrem Kleidersch­rank und grübelte – denn man sah den Slip unter ihrer weißen Hose. Kurzerhand schnitt sie die Füße einer Strumpfhos­e ab und zog sie drunter. Das Problem war für diesen Abend kaschiert. Doch fortan wollte sich Blakely den Stolperste­inen des Ankleidens widmen und gründete im Jahr 2000 ihr Unternehme­n Spanx. Das Geschäft mit Shapewear schlug ein wie eine Bombe. Im Jahr 2012 kürte das Finanzmaga­zin Forbes sie zur jüngsten weiblichen Selfmade-Milliardär­in.

Auch Angelika Sommer hat die formende Wäsche ausprobier­t. Die 24-Jährige aus Leichlinge­n kaufte sich eine Shape-Unterhose für den Abiball ihrer Schwester, um das Teil unter ihrem Kleid zu tragen. Doch ihre Erfahrung ist ernüchtern­d: „Shape-Wäsche erfüllt ihren Zweck, aber das war’s“, sagt sie. „Es schnürt dir die Luft ab und drückt so sehr am Bauch – ich konnte den ganzen Abend fast nichts essen“, erzählt sie. Aber immerhin: „Der Übergang von Hüfte zur Taille war perfekt.“Trotzdem ist ihr Fazit: unbequem und nicht alltagstau­glich.

Das sehen die Kundinnen im Düsseldorf­er Unterwäsch­egeschäft Rigby & Peller anders. Seit Jahren steigt dort die Nachfrage nach Shapewear. Täglich verkaufe man formende Wäsche, sagt eine Mitarbeite­rin. Vor allem zu besonderen Anlässen wie an Silvester, vor Abibällen oder Hochzeiten sei die Nachfrage groß, weil die Kundinnen im Abendkleid gut aussehen wollen. „Wir haben alle unsere Schwachste­llen, und da kann man mit Shapewear wunderbar was zaubern“, sagt sie. Frauen allen Alters und jeder Kleidergrö­ße würden die besondere Unterwäsch­e nachfragen.

Über die Jahre hat sich die Shapewear verändert. Von ehemals beigen und funktional­en Schnitten ist die formende Unterwäsch­e inzwischen zum Hingucker geworden. Hersteller wie Triumph bieten in der Frühjahrsk­ollektion zum Beispiel farbige Stücke an – aufgrund der hohen Nachfrage. So gibt es Hipster und BHs zum Beispiel in „Peppermint Green“oder „Aubergine“. Auch Spitze oder anderer Schmuck findet sich in immer mehr Kollektion­en. Auch Bademode gibt es inzwischen mit verstärkte­n Stoffteile­n.

Doch wer sich für Shapewear entscheide­t, sollte auch die Risiken kennen. Denn während eng anliegende Strümpfe zum Beispiel bei der Vermeidung von Thrombosen in den Beinen helfen können, ist Shapewear am Oberkörper mit Vorsicht zu genießen. „Gerade im Bauchberei­ch übt die körperform­ende Wäsche enormen Druck auf die inneren Organe aus“, erklärt Arzt Norbert Fritsch, Leiter der Abteilung für Innere Medizin am Lehrkranke­nhaus Freistadt in Österreich.

Vor allem bei Dick- und Dünndarm sowie bei Magen, Lunge und Blase könnte Shapewear zu Komplikati­onen führen. Der Druck auf die Verdauungs­organe zum Beispiel könne zu Sodbrennen führen, das wiederum bei manchen Menschen mit einer Entzündung der Schleimhäu­te von Magen und Speiseröhr­e enden kann. Eine potenziell schmerzhaf­te Angelegenh­eit, sagt Fritsch. Außerdem könnten sich Bauch- und Rückenmusk­eln zurückbild­en, wenn die Shapewear sie zu sehr stützt.

Wer die enge Kleidung jedoch nicht regelmäßig benutzt, sei eher nicht gefährdet, heißt es von der Klinik. Zudem empfiehlt Mediziner Norbert Fritsch, die Kleidung in der richtigen Größe zu kaufen: Wenn die Enden der Wäsche einschneid­en, ist sie zu klein. Und wenn’s ganz schlecht läuft, ist dann wahrschein­lich ein anderes Pölsterche­n zu sehen.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany