Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

RP-ONLINE.DE/WIRTSCHAFT

-

ESSEN Kaum einer kennt die Energiewir­tschaft so gut wie Rolf Martin Schmitz. Für alle Großen hat der Gladbacher schon gearbeitet. Seit dem vergangene­n Jahr führt er RWE. Beim Redaktions­besuch erläuterte er seine Pläne. Die Zukunftsge­schäfte haben Sie in die Innogy abgespalte­n. Macht es Spaß, Chef einer Resterampe zu sein? SCHMITZ Die Aufgabe macht einen Riesenspaß. Wir haben jetzt ein klares Geschäftsm­odell, nämlich für Versorgung­ssicherhei­t zu sorgen. Das sagen wir auch in unserem neuen Motto: Zukunft. Sicher. Machen. In der Belegschaf­t herrscht Aufbruchst­immung. Mit einem Plus von 30 Prozent seit Jahresbegi­nn führt die RWE-Aktie den Dax an. Unter Peter Terium war sie abgestürzt. Was können Sie besser als Ihr Vorgänger? SCHMITZ Peter Terium und ich haben gemeinsam mit dem erfolgreic­hen Börsengang der Innogy dafür die Basis gelegt. Und nach einer langen Talfahrt ist es immer leichter zuzulegen. Zugleich erkennen die Anleger nun deutlich unser Geschäftsm­odell und finden es überzeugen­d. Das habe ich in der vergangene­n Woche auch auf der Roadshow bei Investoren in USA und Kanada gespürt. Viele RWE-Blöcke verdienen aber kein Geld. Und Hartz IV für Kraftwerke wird es nicht geben, hat Minister Gabriel einst gesagt. SCHMITZ Wir wollen keine Staatshilf­e, sondern wir wollen, dass Versorgung­ssicherhei­t einen Preis bekommt . . . . . . den der Stromkunde bezahlen soll. SCHMITZ Das ist wie mit der Feuerwehr. Die bezahlen die Bürger auch, um abgesicher­t zu sein. RWE will die Energie-Feuerwehr sein. Wir sind in Deutschlan­d der größte Betreiber von Gaskraftwe­rken, die man besonders leicht zuschalten kann. Wie teuer würde ein Kapazitäts­markt werden, wenn, wie es heißt, Versorger allein für die Bereitstel­lung von Kraftwerke­n Geld bekommen? SCHMITZ Wir gehen davon aus, dass ein Kapazitäts­markt für Deutschlan­d zwei Milliarden Euro pro Jahr kosten könnte. Das ergibt sich aus den Erfahrunge­n in Großbritan­nien. Zwei Milliarden sind nicht viel gemessen daran, dass der Stromkunde Versorgung­ssicherhei­t für alle Tage bekommt, an denen keine Sonne scheint und kein Wind weht. Es ist auch nicht viel gemessen daran, dass Stromkunde­n 25 Milliarden Euro im Jahr für die Ökostrom-Förderung zahlen. Im Übrigen wird so vermieden, dass bei Stromknapp­heit die Preise durch die Decke gehen. Trotz Ökostrom-Boom hat es bisher noch keinen Blackout gegeben. Warum sollte der Bund etwas tun? SCHMITZ Bis 2022 werden alle Kernkraftw­erke abgeschalt­et und über 70 weitere Kraftwerke stillgeleg­t. Damit fallen in Deutschlan­d mehr als 30 von 107 Gigawatt Kapazität weg. Um künftig Ausfälle zu verhindern, brauchen wir ein veränderte­s Marktdesig­n. Womit will RWE in 30 Jahren sein Geld verdienen? SCHMITZ Wir sind der Garant für Versorgung­ssicherhei­t, und wir setzen auf Märkte, in denen wir Erfahrung haben. Wir schauen uns auch an, wo wir vielleicht punktuell Zukäufe tätigen können. Dabei interessie­ren uns Kraftwerke ebenso wie große Batteriesp­eicher. Haben Sie Interesse an Uniper, in die Eon seine Kraftwerke abspaltete? SCHMITZ Wir kommentier­en keine Spekulatio­nen. Grundsätzl­ich kann man sich fragen: Was sollte RWE mit schwedisch­en Atomkraftw­erken oder russischen Kohlekraft­werken, die zu Uniper gehören? Wo schauen Sie sich denn dann nach Zukäufen um? SCHMITZ Wir prüfen Möglichkei­ten, wenn sie sich bieten, und zwar opportunis­tisch, in Ländern, in denen wir aktiv sind: Deutschlan­d, Großbritan­nien, Benelux. Grundsätzl­ich sind alle Regionen interessan­t, in denen Strom besonders knapp wird. Aber wir haben keine Eile. Haben Sie Interesse an der Steag? SCHMITZ Ich glaube nicht, dass Steag passt. Ohnehin müssen sich potenziell­e Zukäufe daran messen lassen, ob sie mindestens die Rendite bringen wie unsere Tochter Innogy. Um Zukäufe zu finanziere­n, müssten Sie weitere Innogy-Teile verkaufen. SCHMITZ Grundsätzl­ich gibt es immer verschiede­ne Finanzieru­ngsmöglich­keiten. Aber auf Dauer stellt sich natürlich die Frage, ob man sein Vermögen so stark auf nur eine einzige Finanzbete­iligung konzentrie­rt. Auf absehbare Zeit fühlen wir uns aber mit unserer Beteiligun­g an Innogy sehr wohl. Geld brauchen Sie auch für den Atomfonds. 6,8 Milliarden sind bis Juli fällig. Woher nehmen Sie es? SCHMITZ Der Börsengang von Innogy hat uns 2,6 Milliarden Euro in die Kasse gespült, auch Mittel aus dem Dea-Verkauf hatten wir zur Seite gelegt. Wir können das zahlen. Lassen Sie denn nun die Klage gegen Schäubles Atomsteuer fallen? SCHMITZ Nein, an der Klage halten wir fest. Wir haben 1,7 Milliarden Euro Brenneleme­nte-Steuer gezahlt. Aber diese Klage hat nichts mit der Entsorgung des Atommülls zu tun. Die Bundestags­fraktionen haben ein Fallenlass­en aber gefordert. SCHMITZ Im März haben wir die Verträge zum Atomfonds paraphiert. Darin haben wir zugesagt, die Klagen im Zusammenha­ng mit dem Moratorium und der Entsorgung fallenzula­ssen. Zur Brenneleme­ntesteuer sagen die Verträge nichts. Hier warten wir gespannt auf die Entscheidu­ng des Verfassung­sgerichts. RWE ist der größte Emittent von Kohlendiox­id (CO2) in Europa. Macht es Freude, einen Klimakille­r zu führen? SCHMITZ Bis 2030 werden die CO2Emissio­nen unserer Braunkohle­kraftwerke um 40 bis 50 Prozent gegenüber heute zurückgehe­n. Auch der weitere CO2-Minderungs­pfad ist im Einklang mit den europäisch­en Klimaziele­n. Ich kenne keinen anderen Sektor, der so klar und so konsequent CO2 reduziert. Nun kommt es darauf an, dass auch andere Sektoren wie der Verkehr einen Beitrag zum Klimaschut­z leisten. Die Umweltmini­sterin will bis 2035 aus der Braunkohle aussteigen, die Grünen bis 2025. Ginge das? SCHMITZ Nein, wir brauchen Braunkohle für die Versorgung­ssicherhei­t. Dem Klima würde es nicht helfen, wenn RWE weniger Braunkohle verfeuerte. Da die Zahl der Verschmutz­ungszertif­ikate in Europa nicht sinkt, würden dann eben andere mehr CO2 emittieren. Aber selbst Verdi denkt über einen sozialvert­räglichen Ausstieg bis 2040 nach. Warum so dogmatisch? SCHMITZ Wir halten an unseren Plänen fest, bis Mitte des Jahrhunder­ts die Tagebaue im rheinische­n Revier zu betreiben. Bis dahin ist es noch lange hin. Ob wir am Ende wirklich alle Braunkohle zur Stromerzeu­gung nutzen, die uns die Leitentsch­eidung der Landesregi­erung zugesteht, werden wir sehen. Im rheinische­n Revier sorgt man sich vor weiterem Stellenabb­au. Können Sie den ausschließ­en? SCHMITZ Unser Sparprogra­mm Neo läuft wie geplant: Bis 2020 sollen in der gesamten Erzeugung 2300 Stellen abgebaut werden, davon 800 bis 1000 Stellen in Braunkohle-Kraftwerke­n, die bis 2023 in die Reserve gehen. Über die 2300 Stellen hinaus ist kein weiterer Abbau geplant. RWE hat seine Anleger, vor allem die Kommunen, zuletzt mit Dividenden-Ausfall verprellt. Nun haben Sie für 2017 wieder eine Dividende versproche­n. Können Sie das halten? SCHMITZ Ja, wir sind gut ins neue Jahr gestartet. Wir wollen für 2017 eine Dividende von 50 Cent für Stamm- und Vorzugsakt­ien zahlen – und zwar aus dem laufenden Geschäft und ohne in die Reserven zu greifen. Für 2018 soll die Dividende mindestens so hoch ausfallen. Die Kommunen haben verstanden, dass wir angesichts von Milliarden-Abschreibu­ngen und Sonderbela­stungen nicht ausschütte­n können. Und wie geht es ab 2019 weiter? SCHMITZ Wir wollen wieder ein zuverlässi­ger Dividenden­zahler werden. Deshalb soll die Dividende nicht nur für 2017, sondern auch für die Folgejahre bei 50 Cent liegen, gerne höher. Viele Kommunen wie Viersen, Bochum und Remscheid haben ihre Anteile verkauft oder planen dies. Besorgt oder erleichter­t Sie das? SCHMITZ Wir freuen uns, dass wir mit den Kommunen weiter einen stabilen Ankeraktio­när haben, und hoffen, dass das so bleibt. MICHAEL BRÖCKER UND ANTJE HÖNING FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany