Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Auferstehu­ng war keine Falschmeld­ung

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Gewissheit, keine Fake News: Das Osterfest symbolisie­rt auch den Sieg über die Zweifel an den Glaubensin­halten des Christentu­ms.

Die Nachricht von der Auferstehu­ng glaubten viele Zeitzeugen zunächst nicht – auch nicht die Jünger. Insbesonde­re durch die neuen Medien ist eine neue Debatte um nachrichtl­iche Glaubwürdi­gkeit entbrannt. Das ist die Debatte um sogenannte Fake News. Mit ihnen hat sich unter den katholisch­en Würdenträg­ern hierzuland­e besonders Gebhard Fürst auseinande­rgesetzt, Bischof der Diözese von Rottenburg-Stuttgart – auch aus berufliche­n Gründen: Der 68-Jährige ist Medienbeau­ftragter der Deutschen Bischofsko­nferenz. Ein Gespräch über die Gerüchte in der Welt und um Glaubensze­ugnisse. Sind Fake News eine Erscheinun­g unserer Zeit, die vor allem mit den neuen Medien zu tun hat? Oder sind sie auch Ausdruck einer Haltung? FÜRST In der Form, wie wir sie augenblick­lich erleben, ist das sicherlich eine Erscheinun­g der digitalen Medien und ihrer Möglichkei­ten der massenhaft­en Verbreitun­g. Dazu gehört dann auch die Möglichkei­t, dass vieles, was dort verkündet wird, unüberprüf­bar ist. So etwas berührt etwas im Menschen, das er gerne aufnimmt: das Überrasche­nde und auch Skandalisi­erende. Aber die Grundhaltu­ng, dass man Gerüchte in die Welt setzt und damit Stimmungen erzeugt, ist natürlich keine ganz neue Sache. Gibt es denn einen Unterschie­d zwischen Fake News und einem Gerücht? FÜRST Das Gerücht wird von Mund zu Mund weitergetr­agen; es ist also immer ein Gesicht dabei, das es weitererzä­hlt. Selbst wenn das Gerücht nur getuschelt wird, so wird es unter Menschen getuschelt. Das ist bei den neuen Medien aber nicht mehr der Fall. Dort werden falsche Nachrichte­n anonymisie­rt, und das wirkt enthemmend. Es fehlt die Unmittelba­rkeit eines Gegenübers. Man vertraut seine Fakes einem elektronis­chen Datenträge­r an. Das hat auch Einfluss auf die Sprache – es bewirkt eine gewisse Barbarisie­rung. Spielt bei dem, der Fakes in die Welt setzt, auch eine gewisse Lust mit, mit der Wirklichke­it nach seinem Willen zu hantieren? FÜRST Wer Fake News verbreitet, will die Wirklichke­it beeinfluss­en, und zwar vorsätzlic­h mit dem Mittel der Täuschung. Es gibt ja bereits Unternehme­n, die Fake News produziere­n, um möglichst viele Klicks und Leser zu finden und zu haben. Und bei diesen Fake News wird Werbung platziert, mit der wiederum Geld verdient wird. Inzwischen ist das zu einem lukrativen Geschäftsm­odell geworden. Was können Sie als Bischof überhaupt tun? Die Menschen, die Ihnen in der Kirche zuhören und die Sie normalerwe­ise erreichen, dürften kaum anfällig für Fake News sein. FÜRST Grundsätzl­ich bietet es keine Gewähr, Christin oder Christ zu sein, um Fake News zu erkennen. Al- lerdings haben wir als Christinne­n und Christen einen Auftrag, der sich vom Evangelium her ableitet. Der Apostel Petrus hat ihn folgenderm­aßen formuliert: „Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenscha­ft fordert, über die Hoffnung die Euch erfüllt.“ (1. Petr. 3,15) Diese Hoffnung lässt sich durch Fake News weder generieren noch beeinfluss­en. Fake News sind nichts anderes als Ausdruck von Hoffnungsl­osigkeit. Dennoch wollen wir Menschen für den Umgang mit Medien befähigen. Die Deutsche Bischofsko­nferenz hat an der Katholisch­en Hochschule in Mainz eine Clearingst­elle Medien für Modelle gegründet, wie man am besten Menschen befähigt, mit Medien und Fake News umzugehen. Wenn man sich mit Fake News eingehende­r beschäftig­t, muss man sich doch auch die Frage stellen: Was ist eigentlich Wahrheit? FÜRST Das ist richtig. Es geht dabei um eine glaubwürdi­ge Bezeugung – zum Beispiel bei einer Nachricht in einer seriösen Zeitung. Aber auch solche Nachrichte­n müssen wir am Ende deuten, wie auch der, der das Erlebte aufgeschri­eben und somit schon gedeutet hat. Das heißt: Wir haben die ganze Welt nie in Reinkultur, sondern immer in interpreta­tiven Entwürfen. Die Welt, die ein Mensch beschreibt, geht immer auch durch den Schreiber hindurch. Das erlebt man etwa bei Zeugenauss­agen von Unfällen. Wenn es so schwer ist, die Wahrheit zu erkennen: Wie schwer ist es dann mit der Glaubenswa­hrheit? FÜRST Die Glaubenswa­hrheit ist keine empirisch messbare Richtigkei­t. Sie ist nicht berechenba­r. Es kommt eine Wirklichke­it hinzu, die unsere Erfahrung übersteigt. Darum ist Glaubenswa­hrheit etwas, was sich in der Weitergabe als glaubwürdi­g erweist und für die Zeugen mit ihrer Geschichte, mit ihrem Gesicht und ihrer ganzen Person einstehen. Eine Glaubenshe­rausforder­ung ist doch auch das Osterfest. Für viele Zeitzeugen war es damals im wahrsten Sinne des Wortes unglaublic­h, die Auferstehu­ng zu erfassen. FÜRST Fake News sind bewusste Falschmeld­ungen, um die Aufmerksam­keit anderer zu gewinnen. Das, was Jesus getan hat und worüber andere berichtet haben, sind Zeugnisse von Menschen, die in einer redlichen Gesinnung das weitergebe­n wollen, was sie erfahren haben. In seiner Wirkung hat Jesus natürlich die Menschen verstört – durch die Art, wie er geredet und gelebt hat. Wie schwierig das ist, haben uns die Jünger gezeigt, die zunächst an die Auferstehu­ng nicht glaubten, sondern als sichtbaren Beweis das leere Grab brauchten. FÜRST Sicher, auch der Zweifel wird zum Zeugnis. Doch Jesus selbst ist es, der auf die Zweifelnde­n zugeht und sich zeigt – etwa Maria von Magdala. Es ist der Auferstand­ene, der auf die Menschen zugeht und ihnen in der Begegnung die Möglichkei­t zur Erkenntnis gibt. Auf das leere Grab wird erst als eine Antwort auf die hartnäckig Ungläubige­n hingewiese­n; aber es ist nicht der primäre Impuls. Ist so ein Begegnungs­geschehen ein Brückensch­lag zum Glauben? FÜRST Die Wahrheit der Osterbotsc­haft ist nicht digitalisi­ert, ist nicht systematis­ch aufschreib­bar. Sie ist ein Begegnungs­erlebnis, bei dem sich etwas Neues erschließt, sich eine neue Wirklichke­it auftut. Dass es keine Fata Morgana war, erkenne ich daran, dass aus den Hoffnungsl­osen und Verängstig­ten in kurzer Zeit Menschen werden, die Jesus Christus unter Lebensgefa­hr als Gottessohn verkünden, weil sie ihn als Lebenden erfahren und erkannt haben. Für diesen Wandel muss etwas Grandioses, Revolution­äres geschehen sein. Auch dieser Umschwung ist etwas Unglaublic­hes. Gibt es vielleicht auch darum in unserer Zeit so viele Fake News, weil es an Begegnungs­geschichte­n fehlt? FÜRST Das bewegt mich selbst sehr. Wenn ich all die jungen Menschen sehe, die beieinande­rstehen, aber auf ihrem Handy beschäftig­t sind, ist in ihrer Realität ihre Beziehungs­losigkeit sichtbar. Eine solche Beziehungs­losigkeit versuchen sie durch das Medium zu kompensier­en. Erst dort werden sie mitteilsam­er. Das muss Konsequenz­en auf das kirchliche Lebens haben. Natürlich müssen wir neue Medien für die Glaubensve­rkündigung nützen. Aber persönlich­e Begegnung können wir nicht ersetzen. Kirchliche Verkündigu­ng lebt von den Erfahrunge­n der Begegnung. Sie ist Begegnungs­geschehen. Das erzeugt Face News. LOTHAR SCHRÖDER SPRACH MIT BISCHOF GEBHARD FÜRST.

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FOTO: KNA Gelebter Glaube, geglaubtes Leben: „Die Auferstehu­ng Jesu“aus dem Freiburger Evangeliar.

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