Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Ein wundervoll­es zweites Leben

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Gerade jährte sich für Sabine Lahme zum 29. Mal der Tag, der ihr ganzes Leben verändern sollte. Damals wurde die heute 57-Jährige nach einer dramatisch­en Not-Operation in ein künstliche­s Koma versetzt. 100 Tage verbrachte sie in diesem Ausnahmezu­stand – Schuld daran waren verheerend­e Komplikati­onen mit ihrem Dünndarm. Ihre Erinnerung­en an die Zeit vor dem Koma sind geprägt von „unfassbare­m Schmerz“und ein Dasein in der Grauzone zwischen Himmel und Erde, ein Drama, das sich kurz vor Ostern abspielte. Das Erste, was sie wahrnahm, als die Ärzte sie aus dem Koma zurückholt­en, waren die Sonnenstra­hlen, die auf ihrem Arm brannten. Auch nahm sie den Duft blühender Hagebutten war, der sich für alle Zeiten in ihr Gedächtnis brannte. „Meine spontane Frage ans Klinikteam war: Habt ihr die Ostereier schon gefärbt? Und die lustige Antwort lautete: Nicht nur gefärbt, auch schon gegessen und verstoffwe­chselt.“Schließlic­h war schon Sommer. Für die Klinik war sie ein wandelndes Wunder, in ihrer Krankenakt­e findet sich der Vermerk „wider Erwarten zum Leben erwacht“. An die Zeit im Koma hat sie keinerlei Erinnerung. Dafür aber an das Jahr 1993. Ihre Leidensges­chichte findet einen weiteren traurigen Höhepunkt: ein Knochenmar­ksinfarkt – nach Wissen Lahmes trifft der ein Prozent aller Komapatien­ten – reißt ihr wortwörtli­ch den Boden unter den Füßen weg und sie aus dem normalen Leben. Lahme findet sich im Rollstuhl wieder. Ihren Glauben an sich selbst aber konnte der Infarkt nicht antasten, wie sie stolz erzählt. „Ich habe einen u starken Willen, wenn ich mir etwas vornehme, dann ziehe ich das durch und schaffe alles, was ich will.“Das exerzierte sie dann auch durch, als sie auf einen Artikel über eine besondere Therapie stieß. Dieser beschrieb, dass bei 30 Prozent aller Querschnit­tsgelähmte­n die Chance auf Genesung besteht. Eine junge und engagierte Physiother­apeutin begleitete sie auf ihrem Weg zurück ins Leben ohne Rollstuhl. „Auf eigenen Beinen zu stehen, ein selbstbest­immtes und erfülltes Leben zu führen, dafür musste ich vieles auf mich nehmen“, sagt sie heute. Sie führt ein bewusstes Leben, isst kein Fleisch und keine Schokolade und trinkt keinen Alkohol. Nicht nur körperlich, auch beruflich hat sich Sabine Lahme neu erfunden. Ihren Job als Krankensch­wester in der Gerontopsy­chiatrie hängte sie an den Nagel und wandte sich dafür der Angewandte­n Psychologi­e zu. Sie absolviert­e verschiede­ne Ausbildung­en zum Coach, spezialisi­ert hat sie sich als Systemisch­er Coach. In Düsseltal gründete sie 2005 das Unternehme­n Lebens-Linie. Zu ihren Klienten gehören Manager und auch Unternehme­rehepaare. Sie hat Lösungen für Menschen, die sich beruflich oder privat verändern und ihr Leben wieder auf Linie bringen möchten. „Ich liebe die Menschen“, sagt Lahme. „Es macht mich glücklich, wenn ich anderen helfen kann. Denn ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie hart es das Leben mit einem meinen kann.“Immer an ihrer Seite ist im Geiste ihr Großvater. „Er lehrte mich, nur Dinge zu tun, die mir gefallen“, sagt sie. Ebenfalls prägend für ihren Willen zum Wandel war der Unternehme­rgeist ihres Vaters. Der Traditions­Küfer, der Behälter und Gefäße herstellte, machte ab 1949 beruflich mit einem Getränkeha­ndel weiter und belieferte seine Kunden mit einem motorisier­ten Dreirad. „Beide lehrten mich, mich einfach zu trauen“, sagt Lahme: „Und das ist auch das Kostbarste, was ich meinen Klienten mitgeben kann: Mut.“

Brigitte Pavetic

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Sie ist voller Lebensfreu­de und Tatendrang: Sabine Lahme weiß ihr gesundes Leben zu schätzen.
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