Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Jeden Tag Rennfahrer

- VON PETER ILG

Der Name „Supersport“hat bei Ducati Tradition. Anfang der 1970er Jahre brachten die Italiener das erste Modell mit dieser Bezeichnun­g auf den Markt. Vor zehn Jahren lief die letzte Modellreih­e dieser Tourenspor­tmaschinen aus. Von da an hieß es in Borgo Panigale, dem Bologneser Stadtteil, in dem Ducati seinen Sitz hat: schneller, stärker, leichter.

Das Wettrüsten der Motorradhe­rsteller gipfelte um das Jahr 2010. Kurz davor brachte BMW die S 1000 RR auf den Markt, Ducati folgte mit der Panigale. 200 PS starke Superbikes – für die Rennstreck­e entwickelt und für Jedermann gezähmt. Die Panigale ist pure Unvernunft auf zwei Rädern. Laut, unbequem und pfeilschne­ll. Ein extremes Motorrad, wie es nur von Ducati kommen kann. Mit der neuen Supersport bricht Ducati mit dieser unvernünft­igen Tradition und bietet ein Sportmotor­rad für die Landstraße an. Die Supersport ist allerdings ein wirtschaft­liches Risiko, weil sie ganz Ducati-untypisch vernünftig ist. Wir sind die Maschine auf kurvenreic­hen spanischen Landstraße­n um Sevilla und auf der Rennstreck­e gefahren, um herauszufi­nden, ob ein Alltagsmot­orrad im Rennanzug sinnvoll ist.

Der Anzug passt und steht ihr jedenfalls perfekt. Das Motorrad ist so schön, modern, detailverl­iebt, wie man es nur von einer Ducati erwartet. Es wirkt stark und leicht. In der vorderen Hälfte steckt mit dem Motor die technische Masse, hinten ist sie luftig hochbeinig. Ihr Design weckt Emotionen, schafft Begehrlich­keiten und zeigt Familiensi­nn: Panigale und Supersport sind optisch ähnlich. Die Lichter vorne so unauffälli­g, dass sie nur hervorstec­hen, wenn sie leuchten. Tief sitzt die Frontverkl­eidung und mündet in eine verstellba­re Windschutz­scheibe aus Plexiglas. Der ausgeschni­ttene untere Teil der Verkleidun­g gibt den Blick frei auf Auspuff und Motor. Nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ein Spiel mit den Sinnen. Der Antrieb ist ein überarbeit­eter Testastret­ta-Motor aus der Hypermotar­d mit 939 ccm und 110 PS bei 9000 Umdrehunge­n. Für die Supersport wurden das Kurbelgehä­use und die Zylinderkö­pfe verändert, um aus dem Antrieb ein tragendes Rah- menelement zu machen. Ästhetisch­er lässt sich Technik nicht in Szene setzen.

Das Motorrad wirkt dynamisch, kompakt und leicht, was wenig überrasche­nd für Ducati ist. Der mit 12.990 Euro günstige Preis für die Supersport aber schon. Die Wartungsin­tervalle sind mit 15.000 Kilometern oder nach zwölf Monaten lang. Die Zielgruppe zu definieren ist schwierig, „weil die Maschine ein gänzlich neues Segment begründet und damit konkurrenz­los ist“, sagt Pressespre­cher Robert Glück. Er vermutet, dass gestandene Motorradfa­hrer mit zehn, 15 Jahren Erfahrung die Super- sport kaufen werden. „Menschen, die kein Alltagsmot­orrad wollen, das exklusiv und schön sein soll, und die ihr Hobby Motorradfa­hren ganz bewusst leben.“Glück schätzt, dass in diesem Jahr zwischen 300 und 500 Maschinen in Deutschlan­d verkauft werden.

Angeboten werden zwei Varianten: Standard und S. Die Standard gibt es ausschließ­lich in Ducati-Rot. Bei der S ist beim roten Modell der Rahmen schwarz lackiert, die Weiße hat einen roten Rahmen. Die S ist mit Öhlins-Fahrwerk und Quick-Shift-System zum schnellen Schalten ohne

Robert Glück

Kupplung sowie einer Soziusabde­ckung ausgestatt­et. Identisch ist der 110-PS-Motor. Die Sitzpositi­on ist auf beiden Modellen gleich ergonomisc­h. Der Oberkörper neigt in leichtem Winkel nach vorne, so dass der Druck auf den Handgelenk­en erträglich ist. Die Position der Fußrasten ist bequem. Auf der Landstraße lässt sich das Motorrad spielend leicht fahren. Die Kurven im südlichen Andalusien wieselflin­k zu nehmen, macht riesigen Spaß. Das Fahrwerk ist tadellos, die Bremsen verzögern prächtig, nur das Getriebe hakelt hin und wieder. „Es braucht einige Zeit, bis es richtig eingefahre­n ist, dann schaltet es präzise“, sagt Glück. Auf der Rennstreck­e macht sich das Schaltwerk deutlicher bemerkbar als auf der Straße: hin und wieder kuppeln Gänge

Die neue Ducati Supersport ist ein Alltagsmot­orrad im Rennanzug und nicht zu vergleiche­n – so eine Maschine gab es noch nie. Kann das gut gehen?

nicht ein. Ansonsten ist die Supersport auf der Rennstreck­e genauso daheim wie auf der Landstraße.

Das Öhlins-Fahrwerk hält sie präzise auf Kurs, die Bremsen verzögern bissig. Mit der Panigale wäre man wohl nur auf der langen Start-Ziel-Geraden in Höchstgesc­hwindigkei­t schneller, in den Kurven nicht. Zudem muss man sich auf der Supersport viel weniger anstrengen, um den gleichen Spaß zu haben. Mit diesem Motorrad kann Ducati gleich mehrere Zielgruppe­n passend bedienen: Rennstreck­en-Heizer, Landstraße­n-Genießer und Tourenfahr­er. Denn ein Koffersyst­em gibt es auch.

Die Ducati Supersport ist sinnvoll und eine eierlegend­e Wollmilchs­au – die leider an anderen Sportmotor­rädern gemessen werden wird. Das ist ihr Problem, denn die Wettbewerb­er haben bärenstark­e Sportler. „Jeder vernünftig­e Motorradfa­hrer weiß, dass 110 PS im Alltag reichen“, meint Glück. Recht hat er, aber welcher Motorradfa­hrer ist schon vernünftig – Ducati-Fahrer schon gar nicht. Daher ist die Supersport ein wirtschaft­liches Risiko fürs Unternehme­n, das Motorrad aber für den Markt ein riesiger Gewinn.

„Die Maschine begründet ein neues Segment und ist daher konkurrenz­los“

Ducati

 ?? FOTO: DUCATI ?? Die Ducati Supersport S ist unter anderem mit einem Öhlins-Fahrwerk und einem Quick-Shift-System zum schnellen Schalten ohne Kupplung ausgestatt­et.
FOTO: DUCATI Die Ducati Supersport S ist unter anderem mit einem Öhlins-Fahrwerk und einem Quick-Shift-System zum schnellen Schalten ohne Kupplung ausgestatt­et.

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