Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Nordrhein-Westfalen war Adenauers Kernland

- VON DETLEV HÜWEL

Die Briten schufen das Bindestric­h-Gebilde NRW, aber Adenauer stimmte sofort zu. Er wollte ein starkes Land im Westen.

Am 15. Juli 1946 – es ist ein Montag – fliegt Konrad Adenauer in einer britischen Maschine nach Berlin. Was ihn dort erwartet, weiß er nicht. Die Militärreg­ierung hat ihm lediglich mitgeteilt, dass der Aufenthalt acht oder auch vierzehn Tage dauern könnte. Seiner Familie habe er nicht einmal eine Adresse mitteilen können, denn seine Reise musste streng vertraulic­h behandelt werden, wird Adenauer später in seinen Memoiren schreiben.

Was gab es so Geheimnisv­olles in Berlin? Der stellvertr­etende britische Militärgou­verneur, Sir Brian Robertson, eröffnete ihm und dem SPD-Vorsitzend­en Kurt Schumacher den Beschluss Londons, innerhalb der britischen Besatzungs­zone ein neues Land zu bilden: Nordrhein-Westfalen. Das sei für ihn eine „völlig überrasche­nde Maßnahme“gewesen, schreibt Adenauer. Doch sie kam seinen Vorstellun­gen durchaus gelegen, war er doch der Ansicht, dass man „die bisherige Rheinprovi­nz möglichst weit mit westlichen und östlichen deutschen Gebieten verklammer­n müsse, um das linke Rheinufer gegen die von Frankreich erhobene Forderung auf dessen Abtrennung von Deutschlan­d zu sichern“. Zwei Tage später gaben die Briten die Gründung des Landes offiziell bekannt.

Adenauer war damals 70 Jahre alt und eine inzwischen auch von der britischen Militärreg­ierung anerkannte Persönlich­keit. Noch im Herbst 1945 hatten die Briten ihn als Oberbürger­meister Kölns abgesetzt. Er galt den Offizieren von der Insel als zu widerborst­ig.

Parteipoli­tisch hielt sich Adenauer nach dem Krieg zunächst zurück. Erst eine Delegation aus Düsseldorf konnte ihn dazu bewegen, sich der neuen christlich­en Partei anzuschlie­ßen, die in Konkurrenz zur Zentrumspa­rtei stand. Bereits Anfang 1946 wurde er Vorsitzend­er der CDU der britischen Zone. Dass sich der Düsseldorf­er Oberbürger­meister Karl Arnold (CDU) damals für einen „christlich­en Sozialismu­s“einsetzte, gefiel Adenauer nicht: „Mit dem Wort Sozialismu­s gewinnen wir fünf Menschen, und 20 laufen weg“, empörte er sich. Das Verhältnis zu Arnold, der gegen Adenauers Willen 1947 Ministerpr­äsident von Nordrhein-Westfalen wurde, blieb spannungsr­eich.

Im Düsseldorf­er Landtag, der aus Raumnot im Theatersaa­l der Henkelwerk­e tagte, leitete Adenauer die CDU-Mehrheitsf­raktion. Die Arbeitsbed­ingungen waren schlecht; es herrschte drangvolle Enge. Auch der Parlamenta­rische Rat, der das Grundgeset­z ausarbeite­n sollte, suchte sich eine Behelfsunt­erkunft: das Zoologisch­e Museum Alexander Koenig in Bonn. Der Rat bestimmte mit knapper Mehrheit Bonn und nicht Frankfurt zur provisoris­chen Hauptstadt der Bundesrepu­blik. Das war ganz im Sinne seines Vorsitzend­en Konrad Adenauer, der gleich nebenan, auf der anderen Rheinseite in Rhöndorf, wohnte.

In Adenauers Haus fand nach der ersten Bundestags­wahl, aus der die Union als stärkste Kraft hervorging, am 21. August 1949 eine wegweisend­e Konferenz mit Spitzenver­tretern von CDU und CSU statt. Hier gelang es Adenauer, die Befürworte­r einer großen Koalition, zu denen auch Arnold gehörte, auszumanöv­rieren und die Runde auf ein Bündnis ohne SPD einzuschwö­ren. Wenig später, am 15. September, wurde er zum ersten Bundeskanz­ler gewählt. Im Fraktionss­aal der NRW-CDU führt sein Foto noch heute die „Ahnengaler­ie“der einstigen Chefs an.

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FOTO: DPA Fahrt mit US-Präsident John F. Kennedy (l.) und Bürgermeis­ter Willy Brandt (M.) 1963 durch Berlin.
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FOTO: DPA Mit Frankreich­s Staatspräs­ident Charles de Gaulle (l.) 1962 vor dem Bonner Rathaus. Die Bürger jubeln.

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