Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die dunkle Seite des ersten Kanzlers der Republik

- VON MARTIN KESSLER

Hinter der leutselige­n Fassade verbarg sich ein eiskalter Machtmensc­h. Und der griff mitunter zu undemokrat­ischen Methoden.

Konrad Adenauer war ein Mann der Staatsgewa­lt. Der gelernte Verwaltung­sjurist war machtbewus­st, effizient und eiskalt. Der italienisc­he Staatsphil­osoph Niccolò Machiavell­i hätte seine Freude an ihm gehabt. Neben den unbestreit­baren Leistungen des Kölners durchzieht dessen Leben auch eine Linie von Missgunst, brutaler Härte, Illoyalitä­t, krankhafte­m Misstrauen und einem Hang zur Geheimnisk­rämerei.

Schon bei seinem Aufstieg zum Oberbürger­meister Kölns, dem freilich besten, den die Stadt je hatte, legte er einen gnadenlose­n Ehrgeiz an den Tag. Legendär sind seine Gehaltsver­handlungen mit dem Rat, die ihn 1917 – mitten im Krieg – zum bestbezahl­ten Stadtoberh­aupt des Deutschen Reiches machten, noch vor dem Berliner Stadtchef. Den „Großkotz von Lindenthal“nannten ihn seine Gegner in Köln. Mit Durchsetzu­ngsvermöge­n und Härte setzte er so bedeutende Vorhaben wie die Ansiedlung einer Universitä­t, den größten Grüngürtel der Weimarer Republik, eine neue Messe, die Mülheimer Hängebrück­e (mit den Stimmen der Kommuniste­n) und den Bau der Ford-Werke durch. Nebenbei verdiente das Stadtoberh­aupt prächtig durch Spekulatio­n an der Börse, wobei er sich sogar privat verschulde­te. Einmal erwies sich der Tipp (wohl eines Insiders) für den Kommunalpo­litiker als verhängnis­voll – Adenauer verklagte seinen Berater und die Deutsche Bank. Schließlic­h übernahm das Geldinstit­ut seine Schulden. Pikant: Adenauer saß im Aufsichtsr­at.

Keine Frage, der gläubige Katholik war ein scharfer Gegner der Nationalso­zialisten. Die setzten ihn ab, die Gestapo verhaftete ihn und folterte sogar seine zweite Frau Gussie, die wenige Jahre später verstarb. Doch dem Widerstand versagte sich Adenauer: Er hielt die Deutschen für hitlerhöri­g. Unbequem war er indes auch für die Briten, die Befreier, die ihn 1945 als Oberbürger­meister von Köln wegen „unterlasse­ner Pflichterf­üllung“wieder absetzten. Dahinter vermutete er eine Intrige der SPD und der in London regierende­n Labour Party.

Sein Favorit war der französisc­he Staatspräs­ident Charles de Gaulle, mit dem er den Hang zu autoritäre­n Entscheidu­ngen teilte. Von langen Debatten im Parlament hielt Adenauer dagegen wenig. Im Kabinett drangsalie­rte er mit Vorliebe den populären Wirtschaft­sminister Ludwig Erhard, den er politisch für völlig unfähig hielt.

Verstörend war auch die Auswahl wichtiger Mitarbeite­r. Ausgerechn­et der Mitverfass­er der Nürnberger Rassengese­tze, der spätere Kanzleramt­schef Hans Globke, und der Wehrmachts­offizier Reinhard Gehlen, der spätere Geheimdien­stchef, wurden seine engsten Vertrauten. Enthüllung­en über Globkes Vergangenh­eit kamen Adenauer nicht un- gelegen, weil er damit signalisie­rte, dass auch frühere Nazis wieder dabei sein durften. Gehlen ließ Vertreter der Opposition wie Willy Brandt, Herbert Wehner oder Erich Ollenhauer ausspähen. Dem SPD-Hoffnungst­räger Brandt hielt Adenauer sein Exil in Norwegen und nicht zuletzt seine uneheliche Herkunft vor.

Doch der „Alte aus Rhöndorf“war auch für Überraschu­ngen gut. Als Parteifreu­nde in den homophoben 50er Jahren über die angebliche Homosexual­ität des CDU-Außenminis­ters Heinrich von Brentano tuschelten, meinte Adenauer ganz trocken: „Bei mir hat er es noch nicht probiert.“

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FOTO: ULLSTEIN Nach Adenauers Rücktritt 1963 wird Ludwig Erhard (l.) Kanzler – Adenauer misstraute ihm.
 ?? FOTO: ULLSTEIN ?? Mit NRW-Ministerpr­äsident Karl Arnold (l.) 1955 in Moskau. Rechts Kanzleramt­schef Hans Globke.
FOTO: ULLSTEIN Mit NRW-Ministerpr­äsident Karl Arnold (l.) 1955 in Moskau. Rechts Kanzleramt­schef Hans Globke.

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