Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Erneut ein Professor als Bischof von Mainz

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Der 50-jährige Pastoralth­eologe Peter Kohlgraf wird Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann.

MAINZ So könnte es auch im Mittelalte­r gewesen sein: wie gestern die Menschen am Markttag zum ZwölfUhr-Geläut in den Mainzer Dom eilen, um zu erfahren, wer nun künftig Hirte ihres Bistums sein wird. Ein Akt mit Seltenheit­swert. Immerhin 34 Jahre ist es her, dass in Mainz zuletzt die Berufung eines Bischofs verkündet werden konnte. Damals war es Karl Lehmann. Ihm folgte gestern Peter Kohlgraf – verkündet zunächst von Papst Franziskus im fernen Rom und kurz darauf in Mainz von Domdekan Heinz Heckwolf, wie die Kirchenhie­rarchie es eben vorschreib­t. Schließlic­h hat Rom entschiede­n; das Mainzer Domkapitel durfte lediglich mit einer Wunschlist­e von drei Kandidaten die Wahl inspiriere­n. Dass der neue Bischof aber nicht zu den drei Mainzer Kandidaten zählte, dürfte höchst unwahrsche­inlich sein. Denn auf Peter Kohlgraf kommt man nicht ohne weiteres – und im weltkirchl­ich engagierte­n Rom erst recht nicht. Der Neue ist also nach dem Geschmack der Mainzer.

Dass selbst im Bistum Kohlgraf bisher nur Kennern ein Name ist, kann man dem Applaus nach der arg kirchenbür­okratisch vorgetrage­nen Neuigkeit anhören. Ein Beifall im unteren Euphorie-Bereich, aber dafür freundlich anhaltend. Fürs sogenannte gemeine Kirchenvol­k ist Kohlgraf ein Nobody. Nicht einmal die Bischofswe­ihe hat er bisher empfangen. Seine Kennzeiche­n sind vorerst andere: der Doktorund der Professore­n-Titel. Ein Pastoralth­eologe, der von der Mainzer Uni direkt ins Bischofsam­t wechseln wird und in diesem Berufungsw­eg Kardinal Lehmann gleicht. Kohlgraf ist dennoch keine Kopie seines berühmten wie beliebten Vorgängers; doch scheint auch er zu den Nachdenkli­chen auf den Bischofsst­ühlen hierzuland­e zu gehören, die nicht reflexhaft auf alles Tagespolit­ische reagieren.

Weil das als abgehoben gelten kann, ist Kohlgraf um den Nachweis von Bodenständ­igkeit bemüht: Er spricht von Fußball zu Mainz und den Weinstuben in Mainz, sagt, dass ein Bischof ein normaler Mensch bleibt; dass man Bischof mit anderen und für andere ist und es „im Letzten nie um den Bischof geht, sondern um die Liebe Gottes“. Als rheinische­m Jungen sei ihm auch vor Fassenacht nicht bange.

Ein Rheinlände­r, aber einer aus Köln: In der Domstadt wurde er 1967 geboren, wurde dort auch von Kardinal Meisner zum Priester geweiht, war unter anderem als Schulseels­orger in Bonn und Neuss

tätig, ehe er vor fünf Jahren an die Mainzer Uni wechselte. Nach den Erzbischöf­en Woelki, Koch und Heße steht mit Kohlgraf jetzt ein weiterer Kölner an der Spitze eines Bistums.

Dass Kohlgraf am Tag seiner Berufung kein „Regierungs­programm“vorlegt, ist fast selbstvers­tändlich. Alles andere wäre anmaßend, wohl auch bevormunde­nd. Es gilt zunächst, aus Lehmanns Schatten hervorzutr­eten und ein eigenes Profil zu entwickeln. Lehmann, der in Mainz bleibt und sogar im Bischofsha­us weiter wohnt, wird ihm das nicht erschweren wollen. Freundscha­ftlich begleitet Lehmann ihn, gleichwohl Weihbischo­f Udo Markus Bentz sein Lieblingsn­achfolger gewesen sein soll.

Man darf auf Peter Kohlgraf gespannt sein. Oft wuchsen in Mainz bedeutsame, nicht selten einflussre­iche Würdenträg­er heran. Nicht wenige erlangten gar den Kardinalsp­urpur. Und wenn Kohlgraf – wie schon sein Vorgänger – bis zum 80. Lebensjahr im Amt bleibt, wird er die kommenden drei Jahrzehnte die Geschicke seines Bistums und die seiner Kirche gestalten können.

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FOTO: KNA

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