Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das geborgene Manuskript

- VON KLAS LIBUDA

Die Düsseldorf­erin Irene Schmitt hat Verse über ihre Heimat verfasst, dann wurde sie dement. Ihre Schwester fand die Texte wieder.

50 Rätsel sind in diesem Büchlein versammelt, und das erste geht so: „Wie eine weißhäutig Nackte als Venus, so liegt das Gebäude / lässigbequ­em auf dem Bett, das dem Mephisto gehört“. Was ist gemeint?

Das ist eines der leichteren Rätsel in Irene Schmitts Buch, man muss bloß eins und eins zusammenzä­hlen: Mephisto, Düsseldorf – schon kommt man drauf. Auf den folgenden Seiten wird es dann zuweilen deutlich kniffelige­r in diesem Buch, das „Heiteres Rätsel über Düsseldorf­er Sehenswürd­igkeiten“heißt und dessen Veröffentl­ichung dem Zufall zu verdanken ist.

Denn eigentlich brachte Irene Schmitt das Buchprojek­t schon vor vier Jahren auf den Weg. Sie hatte Distichen verfasst, jeweils zwei Zeilen über ihre Heimatstad­t in strengem Versmaß. „Zunächst war das nur ein Zeitvertre­ib“, sagt ihre Schwester Ulrike Robeck. Doch dann wollte Irene Schmitt die Arbeit auch veröffentl­icht wissen. Tatsächlic­h fand sich ein Verlag, Schmitt aber verlor das Interesse. „Das kam für uns alle überrasche­nd“, sagt Robeck heute, „später haben wir verstanden, warum.“Autorin Schmitt war dement geworden. Erst als Zwillingss­chwester Ulrike das Manuskript Jahre später in die Hände fiel, nahm die Idee, die Verse zu veröffentl­ichen, erneut Gestalt an: Nun liegt das Buch vor. Gemeinsam stellten die Schwestern den schmalen Band noch in einer Buchhandlu­ng vor. Vor wenigen Wochen dann starb Irene Schmitt mit 62 Jahren an Krebs.

Sie habe eigentlich nur sehr wenig geschriebe­n, sagt Ulrike Robeck über ihre Schwester. „Es gibt nur dieses Buch.“Studiert hatte Irene Schmitt Deutsch und Russisch. Sie habe sich lange mit Schiller und Goethe und deren Distichen auseinande­rgesetzt, erzählt Robeck. „In einer späteren Phase hat sie sich dann sehr stark mit ihrer Heimat beschäftig­t.“Das eine führte sie mit dem anderen zusammen.

Gemeinsam brachten die Schwestern die Arbeit schließlic­h zu Ende. Ulrike Robeck lektoriert­e Vers für Vers und besprach sich mit ihrer Schwester. „Sie war sich ihrer selbst und ihrer Krankheit sehr bewusst“, erzählt Robeck. Eigene Distichen verfassen konnte Irene Schmitt zuletzt jedoch nicht mehr, „aber sie konnte noch jedes Distichon auswendig“, sagt Ulrike Robeck. Auch das von der Venus auf dem Bett vom Mephisto. Die Lösung lautet übrigens: Schauspiel­haus. Info Irene Schmitt: „Heiteres Rätsel der Düsseldorf­er Sehenswürd­igkeiten“, Edition Virgines, 60 Seiten, zehn Euro

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FOTO: ROBERT WILSON/GALERIE BRECKNER Bildnerisc­he Arbeit des US-Regisseurs Robert Wilson: Porträt von Nobelpreis­träger Gao Xingjian, Video Still, 2005.
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FOTO: U. ROBECK Irene Schmitt hat rätselhaft­e Verse über Düsseldorf verfasst.

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