Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Die Diamanten von Nizza
Er wählte Elenas Handynummer und hinterließ eine Nachricht auf ihrer Mailbox. Als es endlich Mittag war, rief er das Hotel in Saint-Tropez an, um sich zu vergewissern, dass die Fitzgeralds und ihre Gäste dort eingetroffen waren. Er schaltete CNN ein und sah fern, bis er die schlechten Nachrichten, die Bilder von Gewalt und Elend, nicht mehr ertragen konnte. Zwischendurch schaute er wieder und wieder auf seine Uhr, nur um festzustellen, dass die Zeiger stehengeblieben zu sein schienen.
Endlich war es 22 Uhr und Zeit, sich in die Lobby des Hotels zu begeben, wo er sich mit Laffitte treffen wollte. Der Capitaine hatte seine Uniform gegen eine dunkle Hose und eine winddichte Jacke eingetauscht. Um seinen Hals hing ein Feldstecher, und Sam erhaschte einen Blick auf die Handschellen, die an seinem Gürtel befestigt waren.
„ En forme?“, erkundigte sich Laffitte. „Eine perfekte Nacht für einen Raubüberfall – kein Mond und eine dichte Wolkendecke als Tarnung. Wollen wir?“
Sie stiegen in ein kleines Fahrzeug ohne Polizeikennzeichen, mit dem sie die kurze Strecke bis Cap Ferrat zurücklegten, wobei Sam den Weg zum Anwesen der Fitzgeralds wies. Sie fuhren am Eingang vorüber, bogen um eine Kurve und parkten in einem Bereich, der in undurchdringlichem Schatten lag. Auf dem Rückweg zum Haus hielt Laffitte kurz inne, um seinen Feldstecher auszuprobieren. „Ganz gut“, sagte er. „Aus deutschen Militärbeständen, mit Infrarot-Nachtsicht. Rein theoretisch sollten wir sie problemlos erkennen. Und nun sollten wir uns ein Plätzchen suchen, wo wir uns auf die Lauer legen können.“
Inzwischen hatten sie das Eingangstor fast erreicht, und mit einem zufriedenen Schnauben trat Laffitte auf der schmalen Straße einen Schritt zur Seite. „Sehen Sie die Oleanderbüsche? Die sind ideal.“Sie bahnten sich einen Weg in die Mitte des Gestrüpps, und das dichte Blattwerk schloss sich wie ein Vorhang hinter ihnen. Von der anderen Straßenseite würden sie unsichtbar sein.
Und dann begann der harte Teil – das untätige Warten. Ein Auto fuhr vorüber, die Musik aus dem Radio hing noch ein paar Sekunden in der Luft, bevor wieder Stille einkehrte. Sie erspähten eine Bewegung auf der Straße, ein Stück weit entfernt: Doch es war nur ein ältlicher Labrador, der seine Abendrunden drehte.
Kurz nach halb elf wurden sie noch einmal aufgeschreckt vom Anblick eines kleinen Lieferwagens, der in die Zufahrt einbog, hinauffuhr und vor der zweiflügeligen Eingangstür an der Vorderseite des Hauses parkte. Zwei Männer stiegen aus, beide mit eingeschalteten Taschenlampen in der Hand.
„Die beiden Sicherheitstypen“, sagte Sam. „Es hieß, dass sie jede Stunde kommen, um nach dem Rechten zu sehen.“
Die Männer trennten sich; jeder nahm sich eine Seite des Hauses vor, dann schwärmten sie von der Rückseite des Hauses in den Poolbereich aus, bevor sie am Lieferwagen wieder zusammenkamen und davonbrausten. Der ganze Besuch hatte weniger als fünf Minuten in Anspruch genommen.
Die Nacht war totenstill, und bei Sam regten sich erste Zweifel. Vielleicht hatte er den Faktor weibliche Intuition unterschätzt. Vielleicht hatte Elena allen Grund, von seiner Verdächtigung der Innenarchitektin geradezu abgestoßen zu sein. Laffitte schien zu spüren, dass er Sam aus seinen Grübeleien reißen musste und meinte: „Entspannen Sie sich. Sie hat die ganze Nacht Zeit.“Aber Sam war klar, dass dies der Optimismus eines Karrieristen war.
Eine weitere halbe Stunde war verstrichen, als sie das Geräusch eines Autos hörten, das sich näherte, um die Kurve kam, langsamer wurde und in die Zufahrt einbog. Sam fühlte sein Herz schneller schlagen. Endlich konnte er die Marke genau erkennen: Es war ein roter Fiat 500, für Sam der schönste Anblick des ganzen Tages; das war Cocos Wagen. „Das ist sie“, flüsterte er. Laffitte hatte seinen Feldstecher auf den Wagen gerichtet, als ein sich ein Arm aus dem heruntergelassen Autofenster herausstreckte. Jetzt tippte die Gestalt am Steuer den Code für das Eingangstor ein. Das Tor schwang auf, der Fiat fuhr die Zufahrt hinauf und parkte vor dem Haus. Eine Frau stieg aus, sie hatte die Figur von Coco, aber das Gesicht war ihnen abgewandt und nicht zu erkennen. Sie sperrte die Eingangstür auf und verschwand im Innern des Hauses.
„ Quel culot“, sagte Lafitte. „Die Frau hat Nerven. Angenommen, irgendjemand sieht sie?“
„So wie ich sie kenne, hat sie mit Sicherheit auch daran gedacht.“
Laffitte hatte seinen Feldstecher wieder in Anschlag gebracht, suchte das Haus nach möglichen Anzeichen von Licht oder Bewegung ab, doch alles blieb dunkel und still. „Zumindest macht sie sich drinnen mit Vorsicht ans Werk“, meinte Laffitte. „Ich habe das Gefühl, dieser Teil dauert nicht sehr lang.“
Sam warf einen Blick auf seine Uhr. Die Frau befand sich nun seit acht Minuten im Haus. Weitere fünf Minuten vergingen, bevor sich die Haustür wieder öffnete, die Frau trat heraus, jetzt war ihr Gesicht deutlich zu erkennen. Es war Coco, die in ihren Wagen stieg, die Einfahrt hinunterfuhr, das Tor passierte, das sich hinter ihr schloss, und in die Straße einbog.
Auf ihrem Handy befand sich eine Nachricht von Kathy Fitzgerald, die sie bat, auf einen Sprung bei ihrem Haus vorbeizuschauen und zu überprüfen, ob alles in Ordnung war, sofern es ihre Zeit erlaubte. In Wirklichkeit hatte sie diese Nachricht aus Paris erhalten. Kurz vor der Ankunft von Kathy und Fitz, doch Coco hatte die Datumsanzeige so manipuliert, dass niemand Verdacht schöpfen würde. Die Nachricht war zeitlos. Sie hatte tatsächlich an alles gedacht . . .
„So weit so gut“, sagte Laffitte, holte sein Handy hervor und tippte auf dem Rückweg zum Wagen eine Nummer ein. „Marc? Sieht ganz so aus, als hätte sie ihre Arbeit erledigt. Sie hat gerade das Haus verlassen. Haltet Ausschau nach ihrem Wagen, einem roten Fiat 500. Wir sind in ein paar Minuten da. Alles in Ordnung? Gut.“Er wandte sich Sam zu. „Jetzt kommt der Teil, der mir an solchen Unternehmungen am besten gefällt: der Zugriff.“
Während der Rückfahrt widerstand Sam der Versuchung, Elena anzurufen, denn ihm wurde klar, dass er seinen Triumph, falls man von einem solchen überhaupt sprechen konnte, lieber still genießen sollte, wollte er Elena weiter an seiner Seite haben. Also lauschte er Capitaine Laffitte, der laut überlegte, was er dem Nachtportier des Hotels sagen wollte. „Könnte sein, dass er sich unserem Ansinnen widersetzt.
(Fortsetzung folgt)