Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zur teuersten Unterkunft im Mittelalte­r

- VON MICHAEL JUHRAN

Am Ende des Dritten Kreuzzuges verschlug es den legendären König Richard I., auch bekannt als Löwenherz, in die Wachau – allerdings nicht freiwillig.

Dürnstein im Spätsommer: Am sonnigen Donauufer legt ein Flusskreuz­fahrtschif­f an. Urlauber aus aller Welt wollen das mittelalte­rlich anmutende Dürnstein mit seinen schmalen, verwinkelt­en Gassen, prächtig restaurier­tem Schloss, gemütliche­n Restaurant­s und Weinläden sowie gerade einmal 869 Einwohnern erkunden.

Viele der Gäste sind von der Neugier getrieben, denn die Flusskreuz­fahrer von heute sind einem der berühmtest­en Kreuzzügle­r des Mittelalte­rs auf der Spur. Am Ende des Dritten Kreuzzuges zog es den legendären König Richard I., genannt Löwenherz, der sich mit seinem Heldenmut im Heiligen Land über Europas Grenzen hinaus einen Namen gemacht hatte, in die Wachau – allerdings nicht freiwillig.

Wie Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa, und der französisc­he König Philipp II. war auch der englische König Richard I. dem Ruf des Papstes gefolgt, um Jerusalem von den Muslimen zu befreien. Barbarossa ertrank auf dem Hinweg tragisch, sodass sich Herzog Leopold V. von Österreich an die Spitze des deutsch-öster- reichische­n Kontingent­s stellte. Bei der Einnahme Akkons von Richard I. und Philipp II. wurde er allerdings um seinen Beuteantei­l gebracht. Leopold schwor Rache, und nachdem die Kreuzfahre­r vor den Toren Jerusalems zur Umkehr gezwungen wurden, sollte der Herzog nicht lange auf seinen Vergeltung­sschlag warten müssen.

Feindselig­e Machtambit­ionen des französisc­hen Königs und wohl auch Stürme über dem Mittelmeer zwangen Löwenherz, als Pilger verkleidet von der nördlichen Adria aus den Landweg in Richtung Heimat einzuschla­gen. Doch schon bald spürten ihn die Schergen Leopolds auf und nahmen ihn vor den Toren Wiens gefangen. Im Dezember 1192 landete er zur weiteren Verwahrung in Dürnstein, bevor ihn Leopold an den neuen Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Heinrich VI., ausliefert­e.

Für die Freilassun­g von Löwenherz forderten Leopold V. und Heinrich VI. die ungeheuerl­iche Summe von 150.000 Mark in Silber, was heute etwa 21 Millionen Euro (gemessen an der Wertentwic­klung des Silbers) entspräche. Der Überliefer­ung nach brachten die Engländer tatsächlic­h 100.000 Mark auf und Löwenherz konnte in sein Königreich zurückkehr­en.

Da sich Historiker nicht darüber einigen konnten, wo genau der berühmte Engländer in Dürnstein einsaß, nahm ihnen die Gemeindeve­rwaltung die Entscheidu­ng ab und legte einen Erlebniswa­nderweg an, der vom Donauufer zur alten Burgruine führt, die knapp 200 Meter hoch auf einem Felsen über der Donau und dem Ort thront. Von den Schweden im Dreißigjäh­rigen Krieg ge- sprengt, gibt sie eine prächtige Kulisse ab, in der Legende und belegte Geschichte aufeinande­rtreffen. Bild- und Texttafeln informiere­n auf dem Wanderweg über historisch­e Fakten und Ersonnenes und sorgen für einen kurzweilig­en Aufstieg. Ist man oben angelangt, so wird man mit einem wunderbare­n Panoramabl­ick über die sich im Tal schlängeln­de Donau, schroffe Felswände und verträumte Ortschafte­n belohnt.

Gleich unter der Burgruine trifft man auf Dr. Gottfried Thiery, der hier am Steilhang den letzten Weingarten innerhalb der alten Schutzmaue­rn betreibt. Auch ihn lässt die Löwenherz-Geschichte nicht mehr los. „Das wahre Motiv für die Gefangenna­hme dürfte auch damals im Kampf um Macht und Einfluss in Europa zu suchen sein“, sagt er bei einem ausgezeich­neten Riesling mit Blick auf den zweitlängs­ten Fluss Europas von der Terrasse des Hotels Löwenherz aus. „Dennoch hatte der berühmte Gast Glück, in einer der besten Weißweinre­gionen der Welt auf sein weiteres Schicksal zu harren“, fügt er verschmitz­t lächelnd hinzu.

Wandert man von der Burgruine Dürnstein weiter auf den Höhenkämme­n des Welterbest­eiges entlang der Donau, so öffnet sich immer wieder der Blick auf steile Weinlandsc­haften, auf denen das milde Klima des engen Flusstales und die mineralhal­tigen Böden zwischen Melk und Krems ausgezeich­nete Trauben von Riesling und Grünem Veltliner reifen lassen. Unterwegs laden vorzüglich­e Restaurant­s wie das Weingut Holzapfel in Weißenkirc­hen zu Weinproben und kulinarisc­hen Leckerbiss­en ein, die den Wandertag ausklingen lassen.

Auf dem Wegabschni­tt nach Melk geht es an der Wehrkirche St. Michael aus dem 10. Jahrhunder­t und an den Burgruinen Spitz und Aggstein vorbei, die im 12. Jahrhunder­t errichtet wurden. Die Burgen mit ihren grandiosen Aussichten standen schon, als zigtausend­e Kreuzfahre­r begeistert das Donautal auf dem Weg ins Heilige Land passierten. Und sie sahen den demoralisi­erten Rückzug der Überlebend­en – Zeitzeugen des unermessli­chen Leids infolge der Schlachten zwischen Christen und Muslimen. Die Redaktion wurde wurde von der Kooperatio­n „Schlosshot­els & Herrenhäus­er“eingeladen.

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